Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.erforderlichen Rohstoff bieten; man quirlt einige Dutzend Wortspiele hinein, Der Held dieses Stückes, Teut, wird uns vom Dichter vorgestellt als
In dieser Eigenschaft als "Pechvogel" hat er schon auf seinem Wander¬
Wir sollen hierin wohl symbolisch die Mißhandlungen erblicken, die der erforderlichen Rohstoff bieten; man quirlt einige Dutzend Wortspiele hinein, Der Held dieses Stückes, Teut, wird uns vom Dichter vorgestellt als
In dieser Eigenschaft als „Pechvogel" hat er schon auf seinem Wander¬
Wir sollen hierin wohl symbolisch die Mißhandlungen erblicken, die der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0119" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/128047"/> <p xml:id="ID_332" prev="#ID_331"> erforderlichen Rohstoff bieten; man quirlt einige Dutzend Wortspiele hinein,<lb/> die bereits in fünfzigjähriger Praxis ihre Brauchbarkeit bewiesen haben; end¬<lb/> lich reißt man, um der Comödie einen „aristophanischen Zug" zu verleihen,<lb/> mehrere cynische „Scherze", und vor Allem, ganz nach Platen's parodistischer<lb/> Vorschrift. „Anachronismen eingestreut zu taufenden" — und das „Scherz¬<lb/> spiel" ist fertig.</p><lb/> <p xml:id="ID_333"> Der Held dieses Stückes, Teut, wird uns vom Dichter vorgestellt als<lb/> der Typus</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_2" type="poem"> <l> „des urgermanischen Pechvogelthums,<lb/> Das über zwei Jahrtausende gebreitet<lb/> Den Schatten, unter dem der deutsche Mann<lb/> Sein Bier getrunken."</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_334"> In dieser Eigenschaft als „Pechvogel" hat er schon auf seinem Wander¬<lb/> zug von Asien nach Deutschland das Unglück gehabt, ein Packet zu verlieren,<lb/> das den „politischen Verstand" der Deutschen enthielt, und zur Strafe muß<lb/> er sich dann immer als Bauernknecht verdingen, „so oft herum (!) ist ein<lb/> Jahrtausend neu." Da geht es ihm denn herzlich schlecht, wie der Leser aus<lb/> seinen seufzerreichen Worten ersieht:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_3" type="poem"> <l> „Recht schlimm ergeht mir's unter meinem deutschen Volk,<lb/> Von Bauerlümmeln weggejagt als fauler Knecht,<lb/> Bedräut sodann von schnöder Landespolizei,<lb/> Im Augenblick, wo ich als hob'rer Genius<lb/> Heruntersteigend sprechen will zu meinem Volk —<lb/> Herumgestoßen bei dem eignen Fest zuletzt.<lb/> Von meines eignen deutschen Volkes eigner Faust,<lb/> Verhöhnt, gepufft sogar, geschlagen, ich, der Teut!</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_335" next="#ID_336"> Wir sollen hierin wohl symbolisch die Mißhandlungen erblicken, die der<lb/> deutsche Vaterlandsgenius zu einer Zeit erleiden mußte, in welcher seinem Volke<lb/> der „politische Verstand" abhanden gekommen war, und die Schilderungen der<lb/> Deutschen aus der Zeit des abhanden gekommenen, oder, wie Hamerling<lb/> consequent sagt, „in Verstoß gerathenen" Verstandes bilden den Mittel¬<lb/> punkt seiner Dichtung. Der schnarchende Michel, der mit einem Zaun¬<lb/> pfahl aus seinem Schlaf aufgerüttelt werden muß. eröffnet charakteristisch<lb/> genug die Comödie; dann wird uns der redelustige und phrasenreiche<lb/> Turner- und Sängerpatriotismus (gewiß ein ganz neues Thema!), die polizei¬<lb/> liche Bevormundung (ein orgineller Gedanke!), die Verkehrtheit französelnder<lb/> Modedamen (eine überraschende Novität!) und der Schützenfest- und Jubi¬<lb/> läumsschwindel (der nur durch die Aufrüttelung aus seiner völligen Vergessen¬<lb/> heit bei uns wieder originell genannt werden könnte) in breitangelegten Scenen<lb/> vorgeführt. Die inzwischen durchgefochtene Hermannsschlacht soll vermuthlich</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0119]
erforderlichen Rohstoff bieten; man quirlt einige Dutzend Wortspiele hinein,
die bereits in fünfzigjähriger Praxis ihre Brauchbarkeit bewiesen haben; end¬
lich reißt man, um der Comödie einen „aristophanischen Zug" zu verleihen,
mehrere cynische „Scherze", und vor Allem, ganz nach Platen's parodistischer
Vorschrift. „Anachronismen eingestreut zu taufenden" — und das „Scherz¬
spiel" ist fertig.
Der Held dieses Stückes, Teut, wird uns vom Dichter vorgestellt als
der Typus
„des urgermanischen Pechvogelthums,
Das über zwei Jahrtausende gebreitet
Den Schatten, unter dem der deutsche Mann
Sein Bier getrunken."
In dieser Eigenschaft als „Pechvogel" hat er schon auf seinem Wander¬
zug von Asien nach Deutschland das Unglück gehabt, ein Packet zu verlieren,
das den „politischen Verstand" der Deutschen enthielt, und zur Strafe muß
er sich dann immer als Bauernknecht verdingen, „so oft herum (!) ist ein
Jahrtausend neu." Da geht es ihm denn herzlich schlecht, wie der Leser aus
seinen seufzerreichen Worten ersieht:
„Recht schlimm ergeht mir's unter meinem deutschen Volk,
Von Bauerlümmeln weggejagt als fauler Knecht,
Bedräut sodann von schnöder Landespolizei,
Im Augenblick, wo ich als hob'rer Genius
Heruntersteigend sprechen will zu meinem Volk —
Herumgestoßen bei dem eignen Fest zuletzt.
Von meines eignen deutschen Volkes eigner Faust,
Verhöhnt, gepufft sogar, geschlagen, ich, der Teut!
Wir sollen hierin wohl symbolisch die Mißhandlungen erblicken, die der
deutsche Vaterlandsgenius zu einer Zeit erleiden mußte, in welcher seinem Volke
der „politische Verstand" abhanden gekommen war, und die Schilderungen der
Deutschen aus der Zeit des abhanden gekommenen, oder, wie Hamerling
consequent sagt, „in Verstoß gerathenen" Verstandes bilden den Mittel¬
punkt seiner Dichtung. Der schnarchende Michel, der mit einem Zaun¬
pfahl aus seinem Schlaf aufgerüttelt werden muß. eröffnet charakteristisch
genug die Comödie; dann wird uns der redelustige und phrasenreiche
Turner- und Sängerpatriotismus (gewiß ein ganz neues Thema!), die polizei¬
liche Bevormundung (ein orgineller Gedanke!), die Verkehrtheit französelnder
Modedamen (eine überraschende Novität!) und der Schützenfest- und Jubi¬
läumsschwindel (der nur durch die Aufrüttelung aus seiner völligen Vergessen¬
heit bei uns wieder originell genannt werden könnte) in breitangelegten Scenen
vorgeführt. Die inzwischen durchgefochtene Hermannsschlacht soll vermuthlich
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