Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.in seinen alchemistischen Versuchen glücklicher und die Stadt selbst bei ihrer Amalici, die aus den glänzenden Hofverhältnissen Braunschweigs kam, fühlte Vor Goethe's Periode hatte die Stadt noch vier zu den Vorstädten führende Ebenso ging man mit Verbesserung des Pflasters vor; einzelne innere in seinen alchemistischen Versuchen glücklicher und die Stadt selbst bei ihrer Amalici, die aus den glänzenden Hofverhältnissen Braunschweigs kam, fühlte Vor Goethe's Periode hatte die Stadt noch vier zu den Vorstädten führende Ebenso ging man mit Verbesserung des Pflasters vor; einzelne innere <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0010" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/127938"/> <p xml:id="ID_5" prev="#ID_4"> in seinen alchemistischen Versuchen glücklicher und die Stadt selbst bei ihrer<lb/> notorischen Armuth in dieser Richtung leistungsfähiger gewesen wäre.</p><lb/> <p xml:id="ID_6"> Amalici, die aus den glänzenden Hofverhältnissen Braunschweigs kam, fühlte<lb/> ebenso die Mängel, als die um 50 Jahre später eintretende Großfürstin Maria<lb/> Paulowna. Doch sind die auf uns gekommenen, nicht ganz günstigen Urtheile<lb/> im Vergleich großer Verhältnisse abgegeben, und die nackte Wirklichkeit ent¬<lb/> puppt sich für uns nur aus einer quellenmäßig unparteilichen Forschung.</p><lb/> <p xml:id="ID_7"> Vor Goethe's Periode hatte die Stadt noch vier zu den Vorstädten führende<lb/> Doppelthore, welche von Gräben, Teichen und Mauern begrenzt wurden.<lb/> Das Innere der Stadt bot, einige alte Hauptgebäude abgerechnet, nichts Be¬<lb/> merkenswerthes dar. Erst 19 Jahre vor Goethe's Eintritt, 175K, begann man<lb/> die offenen Bäche zu bedecken, welche bisher die Gassen überschwemmten und<lb/> in den niedrig gelegenen Parterrewohnungen viel Unheil anrichteten.</p><lb/> <p xml:id="ID_8" next="#ID_9"> Ebenso ging man mit Verbesserung des Pflasters vor; einzelne innere<lb/> Stadtthore, welche Goethe nicht mehr vorfand, wurden unter lebhaftem Wider¬<lb/> spruch der Bürger abgebrochen und das gewonnene Material zur Herstellung<lb/> der Straßen verwandt. Der Vorstädter war auf die begünstigten Jnnstädter<lb/> neidisch; er erhob Widerspruch, weil draußen die Gassen nur an der Seite<lb/> gepflastert waren. In der Mitte pflegte es grundlos zu sein, und der mangelnde<lb/> Besuch der Hauptkirche ist in jener Zeit urkundlich wiederholt diesem traurigen<lb/> Umstände zugeschrieben worden. Zwei Passagen erfreuten sich zunächst einer<lb/> wesentlichen Verbesserung, indem schon 1757 die Tuchmacherrcihmcn aus der<lb/> heutigen Schillerftraße entfernt, die Teiche zugeschüttet und eine der Residenz<lb/> würdige Promenade geschaffen wurde, welche man von den Anpflanzungen<lb/> mit, dem Namen „Esplanade" belegte. Damit war bei dem Mangel des Parks<lb/> der Belustigungsort Weimars für Jung und Alt geschaffen. Hoch und niedrig<lb/> verkehrte dort, wenn auch der Adel und der Hof mit der Zeit Anstand nahmen,<lb/> dort zu erscheinen, weil Leute von „niedriger Extra etion" aus den Gärten an<lb/> der Windischengasse sich in Schlafrock und Pantoffeln hervorwagten und ohne<lb/> Bedenken gegen den Anstand verkehrten. Weiter hin eröffnete sich 1765 der<lb/> Verkehr nach dem heutigen Theater und hauptsächlich waren es zwei Männer,<lb/> die für das Aeußere der Stadt Wesentliches leisteten. Es war der Ingenieur<lb/> Castrop, der Canäle anlegte, die Strohdächer möglichst entfernte; und der<lb/> Hofjäger Hauptmann, der viele Häuser auf Speculation baute, obwohl sie der<lb/> Schönheit und Solidität entbehrten, und schon nach einigen Jahren bedenkliche<lb/> Nachbesserungen erfahren mußten. Längs des Grabens schloß sich Teich an<lb/> Teich, an deren Rändern das Stadtvieh seine Weide fand. Von jenen<lb/> aus erfüllten mephitische Dünste die Atmosphäre, da der niedrige Wasserstand<lb/> den dicken Schlamm, der einmal 7 Fuß stark war, nicht deckte und die Ge¬<lb/> werbe darin zu hantieren pflegten. All diese Uebelstände wurden unter leb-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0010]
in seinen alchemistischen Versuchen glücklicher und die Stadt selbst bei ihrer
notorischen Armuth in dieser Richtung leistungsfähiger gewesen wäre.
Amalici, die aus den glänzenden Hofverhältnissen Braunschweigs kam, fühlte
ebenso die Mängel, als die um 50 Jahre später eintretende Großfürstin Maria
Paulowna. Doch sind die auf uns gekommenen, nicht ganz günstigen Urtheile
im Vergleich großer Verhältnisse abgegeben, und die nackte Wirklichkeit ent¬
puppt sich für uns nur aus einer quellenmäßig unparteilichen Forschung.
Vor Goethe's Periode hatte die Stadt noch vier zu den Vorstädten führende
Doppelthore, welche von Gräben, Teichen und Mauern begrenzt wurden.
Das Innere der Stadt bot, einige alte Hauptgebäude abgerechnet, nichts Be¬
merkenswerthes dar. Erst 19 Jahre vor Goethe's Eintritt, 175K, begann man
die offenen Bäche zu bedecken, welche bisher die Gassen überschwemmten und
in den niedrig gelegenen Parterrewohnungen viel Unheil anrichteten.
Ebenso ging man mit Verbesserung des Pflasters vor; einzelne innere
Stadtthore, welche Goethe nicht mehr vorfand, wurden unter lebhaftem Wider¬
spruch der Bürger abgebrochen und das gewonnene Material zur Herstellung
der Straßen verwandt. Der Vorstädter war auf die begünstigten Jnnstädter
neidisch; er erhob Widerspruch, weil draußen die Gassen nur an der Seite
gepflastert waren. In der Mitte pflegte es grundlos zu sein, und der mangelnde
Besuch der Hauptkirche ist in jener Zeit urkundlich wiederholt diesem traurigen
Umstände zugeschrieben worden. Zwei Passagen erfreuten sich zunächst einer
wesentlichen Verbesserung, indem schon 1757 die Tuchmacherrcihmcn aus der
heutigen Schillerftraße entfernt, die Teiche zugeschüttet und eine der Residenz
würdige Promenade geschaffen wurde, welche man von den Anpflanzungen
mit, dem Namen „Esplanade" belegte. Damit war bei dem Mangel des Parks
der Belustigungsort Weimars für Jung und Alt geschaffen. Hoch und niedrig
verkehrte dort, wenn auch der Adel und der Hof mit der Zeit Anstand nahmen,
dort zu erscheinen, weil Leute von „niedriger Extra etion" aus den Gärten an
der Windischengasse sich in Schlafrock und Pantoffeln hervorwagten und ohne
Bedenken gegen den Anstand verkehrten. Weiter hin eröffnete sich 1765 der
Verkehr nach dem heutigen Theater und hauptsächlich waren es zwei Männer,
die für das Aeußere der Stadt Wesentliches leisteten. Es war der Ingenieur
Castrop, der Canäle anlegte, die Strohdächer möglichst entfernte; und der
Hofjäger Hauptmann, der viele Häuser auf Speculation baute, obwohl sie der
Schönheit und Solidität entbehrten, und schon nach einigen Jahren bedenkliche
Nachbesserungen erfahren mußten. Längs des Grabens schloß sich Teich an
Teich, an deren Rändern das Stadtvieh seine Weide fand. Von jenen
aus erfüllten mephitische Dünste die Atmosphäre, da der niedrige Wasserstand
den dicken Schlamm, der einmal 7 Fuß stark war, nicht deckte und die Ge¬
werbe darin zu hantieren pflegten. All diese Uebelstände wurden unter leb-
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