Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.den Egoismus der Standesgenossen appelliren und sogar die Abneigung des Dieser kleinbürgerliche Zuschnitt ist dadurch erreicht worden, daß die " Verantwortlicher Redacteur: Dr. Haus Blum. Verlag von F. L. Hervig. -- Druck von Huthcl <K Legler in Leipzig. den Egoismus der Standesgenossen appelliren und sogar die Abneigung des Dieser kleinbürgerliche Zuschnitt ist dadurch erreicht worden, daß die » Verantwortlicher Redacteur: Dr. Haus Blum. Verlag von F. L. Hervig. — Druck von Huthcl <K Legler in Leipzig. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0088" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/127484"/> <p xml:id="ID_295" prev="#ID_294"> den Egoismus der Standesgenossen appelliren und sogar die Abneigung des<lb/> kleinbürgerlichen^Doctrinarismus gegen alles, was nach Aristokratie schmeckt,<lb/> zu Hülse rufen? Die Regierung mußte wohl oder-übel von dem Versuch zur<lb/> Bildung einer lebendigen Aristokratie absehen, und wohl oder übel dem frei¬<lb/> willigen Staatsdienst der Kreisverwaltung den Zuschnitt des Kleinbürger-<lb/> thums geben.</p><lb/> <p xml:id="ID_296"> Dieser kleinbürgerliche Zuschnitt ist dadurch erreicht worden, daß die<lb/> Amtsbezirke bedeutend verkleinert sind, in Folge dessen auch der stolze Titel<lb/> Amishauptmann mit dem bescheidenen Amtsvorsteher vertauscht wurde. Die<lb/> Regierungsvorlage setzt für den Umfang der Amtsbezirke kein bestimmtes<lb/> Maß fest. Sie enthält folgende Vorschläge: Gemeinden, welche eine wirksame<lb/> Polizeiverwaltung aus eigenen Kräften herzustellen vermögen, sollen zu be¬<lb/> sonderen Amtsbezirken erklärt werden können-, dasselbe soll unter denselben<lb/> Voraussetzungen bei Gutsbezirken von erheblichem Umfange der Fall sein;<lb/> alle übrigen Gemeinden und Gutsbezirke sollen je zwei oder mehrere zu Amts¬<lb/> bezirken vereinigt werden; die Kreisstädte werden überall gleich Amtsbezirken<lb/> geachtet. Von den theilweisen, nicht erheblichen Veränderungen, welche das<lb/> Abgeordnetenhaus an diesen Bestimmungen des Regierungsentwurfes vorge¬<lb/> nommen, sprechen wir alsbald. Man sieht sogleich, daß schon nach der Re¬<lb/> gierungsvorlage die Bildung so kleiner Amtsbezirke ermöglicht ist, um die<lb/> Amtsvorsteherschaft in die' Hände von Förstern, Pächtern, kleinen Gutsbe¬<lb/> sitzern, Wirthschaftsbeamten und Personen von ähnlicher Stellung legen zu<lb/> können. , Amtsbezirke von so kleinem Umfang bringen auch für den Vorsteher<lb/> nicht die Nothwendigkeit von Arbeitshülfe, oder doch nur in sehr geringem<lb/> Maße mit sich. So wird der letzige Plan, die Verwaltung der Amtsbezirke<lb/> von Angehörigen derselben als unbesoldeten Staatsdienst versehen zu lassen,<lb/> weit leichter ausführbar sein als der frühere aristokratisch gedachte. Dabei<lb/> versichern Kenner ländlicher Verhältnisse, daß an geigneten Personal für die<lb/> Amtsvorsteherschaft nicht nur kein Mangel sein wird, sondern daß von den<lb/> Persönlichkeiten, die man jetzt für dieses Amt ins Auge fassen kann, zum<lb/> Theil vortreffliche Leistungen zu erwarten sind. Der Landadel, welcher nach<lb/> den Ehrenämtern der Kreisverwaltung so wenig Verlangen gezeigt hat, be¬<lb/> hält wenigstens in den meisten Fällen die Polizei in dem unmittelbaren Be¬<lb/> reich seiner Güter, und so wird ihm die Annehmlichkeit zu Theil, weder Pflich¬<lb/> ten übernehmen zu müssen, die ihm zu beschwerlich erscheinen, noch Obrig¬<lb/> keiten des freiwilligen Staatsdienstes über sich zu sehen, auf die er nach ihrer<lb/> gesellschaftlichen Stellung herabzublicken sich berechtigt hält. Dennoch möchten<lb/> die Tage der Reue für den Landadel kommen. Die Stellung der Güter als<lb/> selbständige Amtsbezirke wird bald genug unhaltbar werden. Dann wird der<lb/> Landadel'das polizeiherrliche Ehrenamt ^in hoffentlich wohlerprobten Händen<lb/> sehen, die nicht die seinigen sind. Der Staat aber kann dann sagen: bene-<lb/> neig, non vbel'uäuutui'. Wenn der freiwillige Staatsdienst in Preußen bei<lb/> seiner ersten Grundlegung einen aristokratischen Charakter nicht erhält, so<lb/> trägt daran in erster Linie die Kurzsichtigkeit des Landadels Schuld. Wir<lb/> Andern, die wir diesen aristokratischen Charakter weder aus Neid noch aus<lb/> Doctrinarismus bekämpft haben, dürfen uns sagen, daß der freiwillige Staats¬<lb/> dienst bei uns den Charakter erhalten wird, den ihm die Vertheilung der<lb/> wirklichen Kraft und des Pflichtgefühls unter den Gesellschaftsclassen geben<lb/><note type="byline"> v —r.</note> mußten. (Schluß folgt.) </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <note type="byline"> » Verantwortlicher Redacteur: Dr. Haus Blum.<lb/> Verlag von F. L. Hervig. — Druck von Huthcl <K Legler in Leipzig.</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0088]
den Egoismus der Standesgenossen appelliren und sogar die Abneigung des
kleinbürgerlichen^Doctrinarismus gegen alles, was nach Aristokratie schmeckt,
zu Hülse rufen? Die Regierung mußte wohl oder-übel von dem Versuch zur
Bildung einer lebendigen Aristokratie absehen, und wohl oder übel dem frei¬
willigen Staatsdienst der Kreisverwaltung den Zuschnitt des Kleinbürger-
thums geben.
Dieser kleinbürgerliche Zuschnitt ist dadurch erreicht worden, daß die
Amtsbezirke bedeutend verkleinert sind, in Folge dessen auch der stolze Titel
Amishauptmann mit dem bescheidenen Amtsvorsteher vertauscht wurde. Die
Regierungsvorlage setzt für den Umfang der Amtsbezirke kein bestimmtes
Maß fest. Sie enthält folgende Vorschläge: Gemeinden, welche eine wirksame
Polizeiverwaltung aus eigenen Kräften herzustellen vermögen, sollen zu be¬
sonderen Amtsbezirken erklärt werden können-, dasselbe soll unter denselben
Voraussetzungen bei Gutsbezirken von erheblichem Umfange der Fall sein;
alle übrigen Gemeinden und Gutsbezirke sollen je zwei oder mehrere zu Amts¬
bezirken vereinigt werden; die Kreisstädte werden überall gleich Amtsbezirken
geachtet. Von den theilweisen, nicht erheblichen Veränderungen, welche das
Abgeordnetenhaus an diesen Bestimmungen des Regierungsentwurfes vorge¬
nommen, sprechen wir alsbald. Man sieht sogleich, daß schon nach der Re¬
gierungsvorlage die Bildung so kleiner Amtsbezirke ermöglicht ist, um die
Amtsvorsteherschaft in die' Hände von Förstern, Pächtern, kleinen Gutsbe¬
sitzern, Wirthschaftsbeamten und Personen von ähnlicher Stellung legen zu
können. , Amtsbezirke von so kleinem Umfang bringen auch für den Vorsteher
nicht die Nothwendigkeit von Arbeitshülfe, oder doch nur in sehr geringem
Maße mit sich. So wird der letzige Plan, die Verwaltung der Amtsbezirke
von Angehörigen derselben als unbesoldeten Staatsdienst versehen zu lassen,
weit leichter ausführbar sein als der frühere aristokratisch gedachte. Dabei
versichern Kenner ländlicher Verhältnisse, daß an geigneten Personal für die
Amtsvorsteherschaft nicht nur kein Mangel sein wird, sondern daß von den
Persönlichkeiten, die man jetzt für dieses Amt ins Auge fassen kann, zum
Theil vortreffliche Leistungen zu erwarten sind. Der Landadel, welcher nach
den Ehrenämtern der Kreisverwaltung so wenig Verlangen gezeigt hat, be¬
hält wenigstens in den meisten Fällen die Polizei in dem unmittelbaren Be¬
reich seiner Güter, und so wird ihm die Annehmlichkeit zu Theil, weder Pflich¬
ten übernehmen zu müssen, die ihm zu beschwerlich erscheinen, noch Obrig¬
keiten des freiwilligen Staatsdienstes über sich zu sehen, auf die er nach ihrer
gesellschaftlichen Stellung herabzublicken sich berechtigt hält. Dennoch möchten
die Tage der Reue für den Landadel kommen. Die Stellung der Güter als
selbständige Amtsbezirke wird bald genug unhaltbar werden. Dann wird der
Landadel'das polizeiherrliche Ehrenamt ^in hoffentlich wohlerprobten Händen
sehen, die nicht die seinigen sind. Der Staat aber kann dann sagen: bene-
neig, non vbel'uäuutui'. Wenn der freiwillige Staatsdienst in Preußen bei
seiner ersten Grundlegung einen aristokratischen Charakter nicht erhält, so
trägt daran in erster Linie die Kurzsichtigkeit des Landadels Schuld. Wir
Andern, die wir diesen aristokratischen Charakter weder aus Neid noch aus
Doctrinarismus bekämpft haben, dürfen uns sagen, daß der freiwillige Staats¬
dienst bei uns den Charakter erhalten wird, den ihm die Vertheilung der
wirklichen Kraft und des Pflichtgefühls unter den Gesellschaftsclassen geben
v —r. mußten. (Schluß folgt.)
» Verantwortlicher Redacteur: Dr. Haus Blum.
Verlag von F. L. Hervig. — Druck von Huthcl <K Legler in Leipzig.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |