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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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Aus der geringen Dichtigkeit der Kometen ergiebt sich, wie grundlos alle
Befürchtungen vor einem möglichen Zusammentreffen eines von der Sippe
mit unsrer Erde ist, Sie sind nicht Erde oder Stein, nicht Feuer, noch lange
nicht einmal Wasser. Sie dürfen auch nicht als Gas betrachtet werden, son¬
dern ihre Masse muß aus discreten. durch leere Zwischenräume getrennten
Theilen bestehen, also eine Art feines Gewebe bilden. Abgesehen aber davon,
daß ein Zusammentreffen eines solchen Himmelskörpers mit der Erde gegen¬
wärtig als höchst unwahrscheinlich bezeichnet werden muß. könnte dasselbe nur
bedenkliche Wirkungen äußern, wenn der Komet einen festen Kern besäße.
Da dies, wie gesagt, nicht der Fall ist, so könnte der Zusammenstoß höchstens
einige atmosphärische Veränderungen hervorrufen. Doch auch diese dürfern
wir uns nicht zu bedeutend vorstellen. Vermuthlich ist die Erde schon einige
Male durch Kometenschweife hindurchgegangen, namentlich in neuerer Zeit am
26. Juni 1826 und dann im Jahre 1861, und nie hat man bei solchen Ge¬
legenheiten auffallende Störungen im tellurischen, vegetabilischen oder anima¬
lischen Leben des Planeten zu verzeichnen gehabt.

Vielfach ist behauptet worden, daß die Kometen auf die Jahreszeiten Ein¬
fluß übten, daß sie -- dachte man sie sich doch früher als feuriger Natur --
vor allem eine größere Sommerhitze bewirkten, wenn sie im Bereich unserer
Augen erschienen. Auch das ist Irrthum, wie eine Vergleichung älterer und
neuerer Beobachtungen zur Genüge beweist. Man spricht von Kometenjahren,
die den vortrefflichen Kometenwein kochen, aber man kann diesen Jahren
mindestens ebenso viele entgegenstellen, die auch ihren Kometen, aber keinen
heißen, weinsiedenden Sommer, dagegen einen sehr strengen Winter hatten,
was unter andern vom Jahre 1680 gilt, in welchem einer der größten und
stattlichsten Kometen sichtbar war. Von einer unmittelbaren Wirkung auf
das Thermometer ist niemals etwas zu bemerken gewesen, selbst nicht bei dem
glänzenden Kometen von 1811, der nur zufällig mit einem ungewöhnlich
heißen Sommer zusammentraf und somit keineswegs den Dank verdient, den
Dichter und Zecher ihm für den "Eifer" dargebracht haben.

Ebenso hat sich der zu allen Zeiten behauptete Einfluß der Kometen auf
die Witterung bei genauerer Prüfung auf Null reducirt. v. Littrow hat die
hierauf bezüglichen Erfahrungen und Beobachtungen der letzten zwei Jahr¬
hunderte sorgfältig untersucht und verglichen, und das Resultat seiner Arbeit
war die Ueberzeugung, daß zwischen Nässe oder Trockenheit der Luft und Ko¬
meten-Erscheinungen ein Zusammenhang auch nicht entfernt zu bemerken ist.

Derselbe Astronom hat sich das Verdienst erworben, den selbst von man¬
chen Aerzten unsrer Tage noch vertheidigten Glauben, daß die Kometen Vor¬
boten, Erzeuger oder Begleiter großer Epidemien und ungewöhnlicher Sterb¬
lichkeit seien, historisch zu widerlegen und in das Gebiet des Aberglaubens zu


Aus der geringen Dichtigkeit der Kometen ergiebt sich, wie grundlos alle
Befürchtungen vor einem möglichen Zusammentreffen eines von der Sippe
mit unsrer Erde ist, Sie sind nicht Erde oder Stein, nicht Feuer, noch lange
nicht einmal Wasser. Sie dürfen auch nicht als Gas betrachtet werden, son¬
dern ihre Masse muß aus discreten. durch leere Zwischenräume getrennten
Theilen bestehen, also eine Art feines Gewebe bilden. Abgesehen aber davon,
daß ein Zusammentreffen eines solchen Himmelskörpers mit der Erde gegen¬
wärtig als höchst unwahrscheinlich bezeichnet werden muß. könnte dasselbe nur
bedenkliche Wirkungen äußern, wenn der Komet einen festen Kern besäße.
Da dies, wie gesagt, nicht der Fall ist, so könnte der Zusammenstoß höchstens
einige atmosphärische Veränderungen hervorrufen. Doch auch diese dürfern
wir uns nicht zu bedeutend vorstellen. Vermuthlich ist die Erde schon einige
Male durch Kometenschweife hindurchgegangen, namentlich in neuerer Zeit am
26. Juni 1826 und dann im Jahre 1861, und nie hat man bei solchen Ge¬
legenheiten auffallende Störungen im tellurischen, vegetabilischen oder anima¬
lischen Leben des Planeten zu verzeichnen gehabt.

Vielfach ist behauptet worden, daß die Kometen auf die Jahreszeiten Ein¬
fluß übten, daß sie — dachte man sie sich doch früher als feuriger Natur —
vor allem eine größere Sommerhitze bewirkten, wenn sie im Bereich unserer
Augen erschienen. Auch das ist Irrthum, wie eine Vergleichung älterer und
neuerer Beobachtungen zur Genüge beweist. Man spricht von Kometenjahren,
die den vortrefflichen Kometenwein kochen, aber man kann diesen Jahren
mindestens ebenso viele entgegenstellen, die auch ihren Kometen, aber keinen
heißen, weinsiedenden Sommer, dagegen einen sehr strengen Winter hatten,
was unter andern vom Jahre 1680 gilt, in welchem einer der größten und
stattlichsten Kometen sichtbar war. Von einer unmittelbaren Wirkung auf
das Thermometer ist niemals etwas zu bemerken gewesen, selbst nicht bei dem
glänzenden Kometen von 1811, der nur zufällig mit einem ungewöhnlich
heißen Sommer zusammentraf und somit keineswegs den Dank verdient, den
Dichter und Zecher ihm für den „Eifer" dargebracht haben.

Ebenso hat sich der zu allen Zeiten behauptete Einfluß der Kometen auf
die Witterung bei genauerer Prüfung auf Null reducirt. v. Littrow hat die
hierauf bezüglichen Erfahrungen und Beobachtungen der letzten zwei Jahr¬
hunderte sorgfältig untersucht und verglichen, und das Resultat seiner Arbeit
war die Ueberzeugung, daß zwischen Nässe oder Trockenheit der Luft und Ko¬
meten-Erscheinungen ein Zusammenhang auch nicht entfernt zu bemerken ist.

Derselbe Astronom hat sich das Verdienst erworben, den selbst von man¬
chen Aerzten unsrer Tage noch vertheidigten Glauben, daß die Kometen Vor¬
boten, Erzeuger oder Begleiter großer Epidemien und ungewöhnlicher Sterb¬
lichkeit seien, historisch zu widerlegen und in das Gebiet des Aberglaubens zu


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[0497] Aus der geringen Dichtigkeit der Kometen ergiebt sich, wie grundlos alle Befürchtungen vor einem möglichen Zusammentreffen eines von der Sippe mit unsrer Erde ist, Sie sind nicht Erde oder Stein, nicht Feuer, noch lange nicht einmal Wasser. Sie dürfen auch nicht als Gas betrachtet werden, son¬ dern ihre Masse muß aus discreten. durch leere Zwischenräume getrennten Theilen bestehen, also eine Art feines Gewebe bilden. Abgesehen aber davon, daß ein Zusammentreffen eines solchen Himmelskörpers mit der Erde gegen¬ wärtig als höchst unwahrscheinlich bezeichnet werden muß. könnte dasselbe nur bedenkliche Wirkungen äußern, wenn der Komet einen festen Kern besäße. Da dies, wie gesagt, nicht der Fall ist, so könnte der Zusammenstoß höchstens einige atmosphärische Veränderungen hervorrufen. Doch auch diese dürfern wir uns nicht zu bedeutend vorstellen. Vermuthlich ist die Erde schon einige Male durch Kometenschweife hindurchgegangen, namentlich in neuerer Zeit am 26. Juni 1826 und dann im Jahre 1861, und nie hat man bei solchen Ge¬ legenheiten auffallende Störungen im tellurischen, vegetabilischen oder anima¬ lischen Leben des Planeten zu verzeichnen gehabt. Vielfach ist behauptet worden, daß die Kometen auf die Jahreszeiten Ein¬ fluß übten, daß sie — dachte man sie sich doch früher als feuriger Natur — vor allem eine größere Sommerhitze bewirkten, wenn sie im Bereich unserer Augen erschienen. Auch das ist Irrthum, wie eine Vergleichung älterer und neuerer Beobachtungen zur Genüge beweist. Man spricht von Kometenjahren, die den vortrefflichen Kometenwein kochen, aber man kann diesen Jahren mindestens ebenso viele entgegenstellen, die auch ihren Kometen, aber keinen heißen, weinsiedenden Sommer, dagegen einen sehr strengen Winter hatten, was unter andern vom Jahre 1680 gilt, in welchem einer der größten und stattlichsten Kometen sichtbar war. Von einer unmittelbaren Wirkung auf das Thermometer ist niemals etwas zu bemerken gewesen, selbst nicht bei dem glänzenden Kometen von 1811, der nur zufällig mit einem ungewöhnlich heißen Sommer zusammentraf und somit keineswegs den Dank verdient, den Dichter und Zecher ihm für den „Eifer" dargebracht haben. Ebenso hat sich der zu allen Zeiten behauptete Einfluß der Kometen auf die Witterung bei genauerer Prüfung auf Null reducirt. v. Littrow hat die hierauf bezüglichen Erfahrungen und Beobachtungen der letzten zwei Jahr¬ hunderte sorgfältig untersucht und verglichen, und das Resultat seiner Arbeit war die Ueberzeugung, daß zwischen Nässe oder Trockenheit der Luft und Ko¬ meten-Erscheinungen ein Zusammenhang auch nicht entfernt zu bemerken ist. Derselbe Astronom hat sich das Verdienst erworben, den selbst von man¬ chen Aerzten unsrer Tage noch vertheidigten Glauben, daß die Kometen Vor¬ boten, Erzeuger oder Begleiter großer Epidemien und ungewöhnlicher Sterb¬ lichkeit seien, historisch zu widerlegen und in das Gebiet des Aberglaubens zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/497>, abgerufen am 22.07.2024.