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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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wie Du Dir einbildest, von ihrer Schwärmerei für Frankreich geheilt. Man
scheint überhaupt in Mainz wenig Patriotismus zu besitzen; kaum daß man
dort einige Freude über unsre Siege an den Tag legt. Diese Mainzer ver¬
dienen nicht Deutsche zu heißen, und ich glaube, daß sie im Grunde des Herzens
heimlich von der französischen Corruption angesteckt sind."

Dieser feinen Insinuation, welcher die guten Mainzer ein stilles Lächeln
nicht versagen werden, steht an Wahrheit die andere nicht nach, welche der
Verfasser den deutschen Professor mit aussprechen läßt: "Alle Tage giebt es
neue Gräber zu graben und arme Kameraden zu bestatten. Doch haben unsere
Befehlshaber die Vorsicht beobachtet, die Bayern und die Sachsen auf die
Vorposten zu stellen." -- Im gleichen Sinne muß Dorothea aus Berlin be¬
richten: "Ganz Deutschland schwimmt in Thränen. Die Eroberung, der Ver¬
lust und die Wiedernahme von Orleans hat uns Ströme von Blut gekostet;
Bayern und Würtemb er g(!!) sind dort decimirt worden. Gott sei Dank
sind auch diesmal unsere Preußen fern von der Gefahr gehalten worden." --

Selbstverständlich darf in diesem trefflichen Gemälde des deutschen Charakters
einer der Hauptzüge, die deutsche Spionage und Verrätherei, nicht
fehlen.

So schreibt Hermann am 1. November von Meudon aus: "Geheimnißvolle
Personen treiben sich in unseren Linien herum; der Major Hummel, der in
diese Geheimnisse eingeweiht ist, empfängt sie, wechselt mit ihnen die Losung,
führt sie her und wieder zurück. Wir, die wir diese Dinge beobachten, fühlen
unser Herz schneller schlagen bei dem Gedanken an die riesigen Fäden, welche
unseren Feind noch sicherer einschnüren als die zahllosen Arme unseres Heeres,
und deren Netze sich über ganz Paris ausspannen. Jede Nacht geben uns
Signale aus den verschiedenen Stadttheilen von Paris Nachricht von dem was
drinnen vorgeht, und wir lachen und singen und trinken uns lustig zu mit
den guten französischen Weinen in dem Bewußtsein, wie viel stärker und klüger
wir sind als die Pariser." --

Und wer sind die Urheber dieser verrätherischen Signale? In einem
Zwiegespräch weiß Hermann dem Major Hummel das Geheimniß zu entlocken:
Niemand anders als die Männer der späteren Commune, die, um die Regierung
des 4. September zu stürzen, vor dem Bunde mit den Preußen nicht zurück¬
scheuen. Außerdem muß als Spion ein deutscher Abenteurer, Fritz Meiningen,
dienen, ein specieller Landsmann und sogar Schulkamerad Hermanns, mit dem
dieser eines Tages in Se. Cloud zusammentrifft. Dieser Fritz, den Hermann
seit der Universitätszeit aus den Augen verloren, hatte sich seitdem in Paris
niedergelassen und in verschiedenen Rollen als Journalist. Sprachlehrer, Makler.
Photograph versucht, nebenbei aber das einträglichere Handwerk eines geheimen
Berichterstatters betrieben, welchen die preußische Regierung gut bezahlte.


wie Du Dir einbildest, von ihrer Schwärmerei für Frankreich geheilt. Man
scheint überhaupt in Mainz wenig Patriotismus zu besitzen; kaum daß man
dort einige Freude über unsre Siege an den Tag legt. Diese Mainzer ver¬
dienen nicht Deutsche zu heißen, und ich glaube, daß sie im Grunde des Herzens
heimlich von der französischen Corruption angesteckt sind."

Dieser feinen Insinuation, welcher die guten Mainzer ein stilles Lächeln
nicht versagen werden, steht an Wahrheit die andere nicht nach, welche der
Verfasser den deutschen Professor mit aussprechen läßt: „Alle Tage giebt es
neue Gräber zu graben und arme Kameraden zu bestatten. Doch haben unsere
Befehlshaber die Vorsicht beobachtet, die Bayern und die Sachsen auf die
Vorposten zu stellen." — Im gleichen Sinne muß Dorothea aus Berlin be¬
richten: „Ganz Deutschland schwimmt in Thränen. Die Eroberung, der Ver¬
lust und die Wiedernahme von Orleans hat uns Ströme von Blut gekostet;
Bayern und Würtemb er g(!!) sind dort decimirt worden. Gott sei Dank
sind auch diesmal unsere Preußen fern von der Gefahr gehalten worden." —

Selbstverständlich darf in diesem trefflichen Gemälde des deutschen Charakters
einer der Hauptzüge, die deutsche Spionage und Verrätherei, nicht
fehlen.

So schreibt Hermann am 1. November von Meudon aus: „Geheimnißvolle
Personen treiben sich in unseren Linien herum; der Major Hummel, der in
diese Geheimnisse eingeweiht ist, empfängt sie, wechselt mit ihnen die Losung,
führt sie her und wieder zurück. Wir, die wir diese Dinge beobachten, fühlen
unser Herz schneller schlagen bei dem Gedanken an die riesigen Fäden, welche
unseren Feind noch sicherer einschnüren als die zahllosen Arme unseres Heeres,
und deren Netze sich über ganz Paris ausspannen. Jede Nacht geben uns
Signale aus den verschiedenen Stadttheilen von Paris Nachricht von dem was
drinnen vorgeht, und wir lachen und singen und trinken uns lustig zu mit
den guten französischen Weinen in dem Bewußtsein, wie viel stärker und klüger
wir sind als die Pariser." —

Und wer sind die Urheber dieser verrätherischen Signale? In einem
Zwiegespräch weiß Hermann dem Major Hummel das Geheimniß zu entlocken:
Niemand anders als die Männer der späteren Commune, die, um die Regierung
des 4. September zu stürzen, vor dem Bunde mit den Preußen nicht zurück¬
scheuen. Außerdem muß als Spion ein deutscher Abenteurer, Fritz Meiningen,
dienen, ein specieller Landsmann und sogar Schulkamerad Hermanns, mit dem
dieser eines Tages in Se. Cloud zusammentrifft. Dieser Fritz, den Hermann
seit der Universitätszeit aus den Augen verloren, hatte sich seitdem in Paris
niedergelassen und in verschiedenen Rollen als Journalist. Sprachlehrer, Makler.
Photograph versucht, nebenbei aber das einträglichere Handwerk eines geheimen
Berichterstatters betrieben, welchen die preußische Regierung gut bezahlte.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/465>, abgerufen am 22.12.2024.