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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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diger Anerkennung für seine von Liebe. Opferfähigkeit und Ausdauer zeugende
ganz vortreffliche Arbeit kann und wird es dem geehrten Verfasser sicherlich
nicht fehlen. Möge ihm jede wohlverdiente ehrende Genugthuung in vollstem
Maaße werden!




Zwei französische Soldatengebete.
Aus der letzten Hälfte des vorigen Krieges.

Wir haben den folgenden beiden Ackerstücken nur die Bemerkung voraus¬
zuschicken, daß dieselben aller Wahrscheinlichkeit nach von dem Bischof Dupan-
loup, einem der vornehmsten Kirchenlichter des heutigen Frankreich, verfaßt
worden sind. Gewiß ist, daß sie auf Veranlassung des genannten Monfignore
in Orleans an die Soldaten vertheilt wurden, welche von dort aus die Ent¬
setzung von Paris zu versuchen bestimmt waren. Die für Protestanten und
wohl auch für sonst gläubige deutsche Katholiken sehr eigenthümliche, in
mehreren Stellen geradezu heidnische Auffassung des Verhältnisses der Men¬
schen zu Gott und die seltsam naiven Vorstellungen von der Natur und Denk¬
art der Mutter Maria, die sich darin kundgeben, bedürfen kaum der Hervor¬
hebung, weshalb auf sie nur durch kurze Glossen in Klammer aufmerksam
gemacht wird.

Das erste Document lautet:

Gebet für Frankreich.

O Gott, Allmächtiger und Ewiger, oberster Herr der Reiche und Völker,
das Herz voll Kummer, werfen wir uns Dir zu Füßen, um Deine (eigentlich
Eure, denn der Franzose redet Gott mit Vous an) Hülfe zu erflehen.

Frankreich, unsere Mutter, unser Vaterland, die älteste Tochter Deiner
heiligen Kirche, ist bedroht von vermessenen Horden, welche es unter ihrem
eisernen Joche zu erdrücken vorhaben.

O Gott der Schlachten, der Du mit Deiner Macht die Feinde derer, die
auf Dich hoffen, darniederlegst, gestatte das nicht.

Frankreich liebt Dich, verlaß es nicht. Es hat Dich beleidigen können,
es wird bereuen; aber wende Dein Antlitz nicht von ihm, und möge Dein
Erbarmen Deinen Zorn entwaffnen. Gewähre ihm noch in der höchsten Ge¬
fahr Deinen göttlichen Schutz, und Du wirst sehen, wie seine Erkenntlichkeit
(man sieht, es giebt einen förmlichen Tauschhandel) Deinen Ruhm singt.

Erinnere Dich, o Gott der Güte, daß Du durch den Sieg in den Ge¬
filden von Tolbiac seinen Glauben befestigt hast (könnte nicht Hannibal oder


diger Anerkennung für seine von Liebe. Opferfähigkeit und Ausdauer zeugende
ganz vortreffliche Arbeit kann und wird es dem geehrten Verfasser sicherlich
nicht fehlen. Möge ihm jede wohlverdiente ehrende Genugthuung in vollstem
Maaße werden!




Zwei französische Soldatengebete.
Aus der letzten Hälfte des vorigen Krieges.

Wir haben den folgenden beiden Ackerstücken nur die Bemerkung voraus¬
zuschicken, daß dieselben aller Wahrscheinlichkeit nach von dem Bischof Dupan-
loup, einem der vornehmsten Kirchenlichter des heutigen Frankreich, verfaßt
worden sind. Gewiß ist, daß sie auf Veranlassung des genannten Monfignore
in Orleans an die Soldaten vertheilt wurden, welche von dort aus die Ent¬
setzung von Paris zu versuchen bestimmt waren. Die für Protestanten und
wohl auch für sonst gläubige deutsche Katholiken sehr eigenthümliche, in
mehreren Stellen geradezu heidnische Auffassung des Verhältnisses der Men¬
schen zu Gott und die seltsam naiven Vorstellungen von der Natur und Denk¬
art der Mutter Maria, die sich darin kundgeben, bedürfen kaum der Hervor¬
hebung, weshalb auf sie nur durch kurze Glossen in Klammer aufmerksam
gemacht wird.

Das erste Document lautet:

Gebet für Frankreich.

O Gott, Allmächtiger und Ewiger, oberster Herr der Reiche und Völker,
das Herz voll Kummer, werfen wir uns Dir zu Füßen, um Deine (eigentlich
Eure, denn der Franzose redet Gott mit Vous an) Hülfe zu erflehen.

Frankreich, unsere Mutter, unser Vaterland, die älteste Tochter Deiner
heiligen Kirche, ist bedroht von vermessenen Horden, welche es unter ihrem
eisernen Joche zu erdrücken vorhaben.

O Gott der Schlachten, der Du mit Deiner Macht die Feinde derer, die
auf Dich hoffen, darniederlegst, gestatte das nicht.

Frankreich liebt Dich, verlaß es nicht. Es hat Dich beleidigen können,
es wird bereuen; aber wende Dein Antlitz nicht von ihm, und möge Dein
Erbarmen Deinen Zorn entwaffnen. Gewähre ihm noch in der höchsten Ge¬
fahr Deinen göttlichen Schutz, und Du wirst sehen, wie seine Erkenntlichkeit
(man sieht, es giebt einen förmlichen Tauschhandel) Deinen Ruhm singt.

Erinnere Dich, o Gott der Güte, daß Du durch den Sieg in den Ge¬
filden von Tolbiac seinen Glauben befestigt hast (könnte nicht Hannibal oder


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[0430] diger Anerkennung für seine von Liebe. Opferfähigkeit und Ausdauer zeugende ganz vortreffliche Arbeit kann und wird es dem geehrten Verfasser sicherlich nicht fehlen. Möge ihm jede wohlverdiente ehrende Genugthuung in vollstem Maaße werden! Zwei französische Soldatengebete. Aus der letzten Hälfte des vorigen Krieges. Wir haben den folgenden beiden Ackerstücken nur die Bemerkung voraus¬ zuschicken, daß dieselben aller Wahrscheinlichkeit nach von dem Bischof Dupan- loup, einem der vornehmsten Kirchenlichter des heutigen Frankreich, verfaßt worden sind. Gewiß ist, daß sie auf Veranlassung des genannten Monfignore in Orleans an die Soldaten vertheilt wurden, welche von dort aus die Ent¬ setzung von Paris zu versuchen bestimmt waren. Die für Protestanten und wohl auch für sonst gläubige deutsche Katholiken sehr eigenthümliche, in mehreren Stellen geradezu heidnische Auffassung des Verhältnisses der Men¬ schen zu Gott und die seltsam naiven Vorstellungen von der Natur und Denk¬ art der Mutter Maria, die sich darin kundgeben, bedürfen kaum der Hervor¬ hebung, weshalb auf sie nur durch kurze Glossen in Klammer aufmerksam gemacht wird. Das erste Document lautet: Gebet für Frankreich. O Gott, Allmächtiger und Ewiger, oberster Herr der Reiche und Völker, das Herz voll Kummer, werfen wir uns Dir zu Füßen, um Deine (eigentlich Eure, denn der Franzose redet Gott mit Vous an) Hülfe zu erflehen. Frankreich, unsere Mutter, unser Vaterland, die älteste Tochter Deiner heiligen Kirche, ist bedroht von vermessenen Horden, welche es unter ihrem eisernen Joche zu erdrücken vorhaben. O Gott der Schlachten, der Du mit Deiner Macht die Feinde derer, die auf Dich hoffen, darniederlegst, gestatte das nicht. Frankreich liebt Dich, verlaß es nicht. Es hat Dich beleidigen können, es wird bereuen; aber wende Dein Antlitz nicht von ihm, und möge Dein Erbarmen Deinen Zorn entwaffnen. Gewähre ihm noch in der höchsten Ge¬ fahr Deinen göttlichen Schutz, und Du wirst sehen, wie seine Erkenntlichkeit (man sieht, es giebt einen förmlichen Tauschhandel) Deinen Ruhm singt. Erinnere Dich, o Gott der Güte, daß Du durch den Sieg in den Ge¬ filden von Tolbiac seinen Glauben befestigt hast (könnte nicht Hannibal oder

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/430>, abgerufen am 22.07.2024.