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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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zu machen. Sofort war aber Briegleb mit einer staatsrechtlichen Gegen-
ab Handlung bei der Hand, in welcher er die gänzliche Haltlosigkeit jener
rabulistischen Auseinandersetzungen mit so unerbittlicher Logik darlegte, daß
Herzog Ernst II., der sich als Erbprinz dem unerquicklichen Verfassungskampfe
fern gehalten hatte, bald nach seinem Regierungsantritt die Zusage machte,
auf das Recusationsrecht nicht zurückzukommen.

Im nächsten Landtage waren denn auch wieder die wirklichen Vertrauens¬
männer der Wählerschaften zu gemeinsamer Arbeit vereinigt. Im Uebngen
brachte aber der Regierungswechsel nicht sogleich den ersehnten Frieden: die
Zerwürfnisse über den Beitrag des Domänenvermögens zu den Staatslasten
spannen sich noch eine Zeit lang fort; andere Differenzen, z. B. über die
Rechtsgültigkeit des letzten Finanzgesetzes, über ein neues Wahlgesetz, traten
hinzu und im December 1847 klaffte der Riß wieder so stark, daß Briegleb's
Antrag auf ein Mißtrauensvotum gegen den verantwortlichen Staatsminister
zu einer abermaligen Landtagsauflösung führte. Diesem Schritte folgte aber
ziemlich überraschend die Versetzung des Ministers in den Ruhestand und von
setzt an wurde ernstlicher in das konstitutionelle Fahrwasser eingelenkt.

An der Herbeiführung dieser glücklichen Wendung hatte B riegleb ein
so wesentliches Verdienst, daß der Herzog sich veranlaßt sah, ihm die Leitung
des Staatsministeriums anzutragen, eine Ehre, die er jedoch ablehnte.
Dagegen arbeitete 'er in dem nächsten Landtage rüstig mit an dem Ausbau
der -Verfassung, an der Ordnung des Landeshaushalts und an mannigfacher
Verbesserung der Landesgesetze. Im treuen Zusammenwirken mit seinen
wackeren Freunden Freiherr von Speßhardt, später Märzminister in
Meiningen, Leopold Oberländer, später Bürgermeister in Coburg, und
anderen tüchtigen Männern, die nun alle schon lange unter der Erde ruhen,
setzte er die Oeffentlichkeit der Landtagsverhandlungen, ein Gesetz über die
Verantwortlichkeit der Staatsbeamten wegen Verfassungsverletzung; ein zeit¬
gemäßes Wahlgesetz, Klarheit und Wahrheit in dem Etats- und Rechnungs¬
wesen, die Abschaffung des verderblichen Lotto und vieles andere Gute durch,
in dessen ruhigem Besitze das heutige Geschlecht lebt, ohne zu ahnen, unter
welchen Sorgen und Mühen dies Alles vor noch nicht langer Zeit erst von
aufopferungsfähigen Männern hat erkämpft werden müssen. War auch der
unmittelbare Wirkungskreis dieser Männer nur auf ein Land von wenig
mehr als 40,000 Seelen beschränkt, so sind ihre Verdienste darum doch nicht
gering anzuschlagen; denn die kleinen Landtage waren die Pioniere der
constitutionellen, freiheitlichen Entwicklung in Deutschland; was sie für ihr
engeres Heimathland schufen, war auch dem großen Vaterlande gewonnen.
Unter dem treuen, unerschrockenen Häuflein der Verfassungskämpfer in Cyburq


zu machen. Sofort war aber Briegleb mit einer staatsrechtlichen Gegen-
ab Handlung bei der Hand, in welcher er die gänzliche Haltlosigkeit jener
rabulistischen Auseinandersetzungen mit so unerbittlicher Logik darlegte, daß
Herzog Ernst II., der sich als Erbprinz dem unerquicklichen Verfassungskampfe
fern gehalten hatte, bald nach seinem Regierungsantritt die Zusage machte,
auf das Recusationsrecht nicht zurückzukommen.

Im nächsten Landtage waren denn auch wieder die wirklichen Vertrauens¬
männer der Wählerschaften zu gemeinsamer Arbeit vereinigt. Im Uebngen
brachte aber der Regierungswechsel nicht sogleich den ersehnten Frieden: die
Zerwürfnisse über den Beitrag des Domänenvermögens zu den Staatslasten
spannen sich noch eine Zeit lang fort; andere Differenzen, z. B. über die
Rechtsgültigkeit des letzten Finanzgesetzes, über ein neues Wahlgesetz, traten
hinzu und im December 1847 klaffte der Riß wieder so stark, daß Briegleb's
Antrag auf ein Mißtrauensvotum gegen den verantwortlichen Staatsminister
zu einer abermaligen Landtagsauflösung führte. Diesem Schritte folgte aber
ziemlich überraschend die Versetzung des Ministers in den Ruhestand und von
setzt an wurde ernstlicher in das konstitutionelle Fahrwasser eingelenkt.

An der Herbeiführung dieser glücklichen Wendung hatte B riegleb ein
so wesentliches Verdienst, daß der Herzog sich veranlaßt sah, ihm die Leitung
des Staatsministeriums anzutragen, eine Ehre, die er jedoch ablehnte.
Dagegen arbeitete 'er in dem nächsten Landtage rüstig mit an dem Ausbau
der -Verfassung, an der Ordnung des Landeshaushalts und an mannigfacher
Verbesserung der Landesgesetze. Im treuen Zusammenwirken mit seinen
wackeren Freunden Freiherr von Speßhardt, später Märzminister in
Meiningen, Leopold Oberländer, später Bürgermeister in Coburg, und
anderen tüchtigen Männern, die nun alle schon lange unter der Erde ruhen,
setzte er die Oeffentlichkeit der Landtagsverhandlungen, ein Gesetz über die
Verantwortlichkeit der Staatsbeamten wegen Verfassungsverletzung; ein zeit¬
gemäßes Wahlgesetz, Klarheit und Wahrheit in dem Etats- und Rechnungs¬
wesen, die Abschaffung des verderblichen Lotto und vieles andere Gute durch,
in dessen ruhigem Besitze das heutige Geschlecht lebt, ohne zu ahnen, unter
welchen Sorgen und Mühen dies Alles vor noch nicht langer Zeit erst von
aufopferungsfähigen Männern hat erkämpft werden müssen. War auch der
unmittelbare Wirkungskreis dieser Männer nur auf ein Land von wenig
mehr als 40,000 Seelen beschränkt, so sind ihre Verdienste darum doch nicht
gering anzuschlagen; denn die kleinen Landtage waren die Pioniere der
constitutionellen, freiheitlichen Entwicklung in Deutschland; was sie für ihr
engeres Heimathland schufen, war auch dem großen Vaterlande gewonnen.
Unter dem treuen, unerschrockenen Häuflein der Verfassungskämpfer in Cyburq


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/413>, abgerufen am 24.08.2024.