Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.Sicherheit im Auftreten, endlich auch eine der werthvollsten geschäftlichen Moriz Briegleb galt bald für einen der Tüchtigsten unter seinen Berufs¬ Das öffentliche Leben lag in den dreißiger Jahren, wie in ganz Sicherheit im Auftreten, endlich auch eine der werthvollsten geschäftlichen Moriz Briegleb galt bald für einen der Tüchtigsten unter seinen Berufs¬ Das öffentliche Leben lag in den dreißiger Jahren, wie in ganz <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0410" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/127806"/> <p xml:id="ID_1317" prev="#ID_1316"> Sicherheit im Auftreten, endlich auch eine der werthvollsten geschäftlichen<lb/> Tugenden, strengen Ordnungssinn. Mit einer nach damaligen Verhältnissen<lb/> kühnen That führte er sich in die Praxis ein, mit der Vertheidigung von vier<lb/> Jugendfreunden, welche in jener Zeit der Demagogenhetze wegen Theilnahme an<lb/> einer burschenschaftlichen Studentenverbindung zu Festungsstrafen verurtheilt<lb/> worden waren. Ein moderner Streber hätte sich einer solchen Aufgabe nicht<lb/> unterzogen; Briegleb aber bot den Verfolgten und Verfehmten freiwillig seinen<lb/> Rechtsschutz an. Der Letzte, der von den Vieren noch unter den Lebenden<lb/> weilt, war durch sein Amt zu der tiefschmerzlichen Aufgabe berufen, dem<lb/> Freunde und ehemaligen Vertheidiger die Grabrede zu halten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1318"> Moriz Briegleb galt bald für einen der Tüchtigsten unter seinen Berufs¬<lb/> genossen, für den sichersten Rechtsfreund, für den gefährlichsten Gegner. Die<lb/> Advocatur war ihm aber nicht „Geschäft", nicht Industriezweig, fondern ein<lb/> öffentliches Amt mit großen Ansprüchen an den, der es bekleidet. „Zu<lb/> unserer Zeit", so hörten wir ihn noch wenige Wochen vor seinem Ende mit<lb/> Rücksicht auf unliebsame Erscheinungen der Gegenwart reden, „hat der An¬<lb/> walt die ihm ertheilten Aufträge so ausgeführt, wie das Interesse der Sache<lb/> und des Clienten, nicht wie der eigene pecuniäre Vortheil es erheischte;<lb/> auch haben wir eine Ehre darein gesetzt, solche Geschäfte von dem Anwalts¬<lb/> stande fern zu halten, welche uns mit Commissionären und Agenten auf<lb/> gleiche Stufe stellen konnten." Was aus Briegleb's Canzlei kam, war<lb/> immer sachlich, correct, auch äußerlich sauber. Dem Phrasenhaften war er in<lb/> solchem Grade feind, daß seine Auseinandersetzungen eher allzu nüchtern und<lb/> kühl erschienen. Ein großes Stück hielt er auf den geschäftlichen Anstand<lb/> und der Einfluß seines guten Beispiels wirkt, wenn auch für die Meisten<lb/> unbewußt, noch bei der heutigen Generation fort. Pitane pflegte er nur<lb/> gegen verkehrte Maßregeln und Bescheide der Behörden zu werden, weßhalb<lb/> er auch die Mittelmäßigkeit oder Unfähigkeit auf dem Richterstuhle immer<lb/> zum Feinde hatte und mancher Verweis wegen „unehrerbietiger Schreibart"<lb/> in seine Conduitenliste eingetragen wurde.</p><lb/> <p xml:id="ID_1319" next="#ID_1320"> Das öffentliche Leben lag in den dreißiger Jahren, wie in ganz<lb/> Deutschland, so auch in dem kleinen Herzogthume Coburg im Argen. Herzog<lb/> Ernst I. hatte lange Zeit ein patriarchalisches, ziemlich absolutes Regiment<lb/> geführt, die „getreuen Stände" kümmerten ihn wenig, Beschwerden derselben<lb/> pflegten als bedauerliche Anmaßung vornehm zurückgewiesen zu werden. Nach<lb/> und nach entwickelten sich politischen Wirren, die sich zuletzt zu heftigen Zer¬<lb/> würfnissen zuspitzten und gewiß in weiten Kreisen unvergessen fein würden,<lb/> wenn sie der Geschichte eines größeren Staates angehörten. Natürlich han¬<lb/> delte es sich in erster Linie um vermögensrechtliche Auseinander¬<lb/> setzungen mit dem Landesherrn. Coburg hatte seinen Domänenstreit</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0410]
Sicherheit im Auftreten, endlich auch eine der werthvollsten geschäftlichen
Tugenden, strengen Ordnungssinn. Mit einer nach damaligen Verhältnissen
kühnen That führte er sich in die Praxis ein, mit der Vertheidigung von vier
Jugendfreunden, welche in jener Zeit der Demagogenhetze wegen Theilnahme an
einer burschenschaftlichen Studentenverbindung zu Festungsstrafen verurtheilt
worden waren. Ein moderner Streber hätte sich einer solchen Aufgabe nicht
unterzogen; Briegleb aber bot den Verfolgten und Verfehmten freiwillig seinen
Rechtsschutz an. Der Letzte, der von den Vieren noch unter den Lebenden
weilt, war durch sein Amt zu der tiefschmerzlichen Aufgabe berufen, dem
Freunde und ehemaligen Vertheidiger die Grabrede zu halten.
Moriz Briegleb galt bald für einen der Tüchtigsten unter seinen Berufs¬
genossen, für den sichersten Rechtsfreund, für den gefährlichsten Gegner. Die
Advocatur war ihm aber nicht „Geschäft", nicht Industriezweig, fondern ein
öffentliches Amt mit großen Ansprüchen an den, der es bekleidet. „Zu
unserer Zeit", so hörten wir ihn noch wenige Wochen vor seinem Ende mit
Rücksicht auf unliebsame Erscheinungen der Gegenwart reden, „hat der An¬
walt die ihm ertheilten Aufträge so ausgeführt, wie das Interesse der Sache
und des Clienten, nicht wie der eigene pecuniäre Vortheil es erheischte;
auch haben wir eine Ehre darein gesetzt, solche Geschäfte von dem Anwalts¬
stande fern zu halten, welche uns mit Commissionären und Agenten auf
gleiche Stufe stellen konnten." Was aus Briegleb's Canzlei kam, war
immer sachlich, correct, auch äußerlich sauber. Dem Phrasenhaften war er in
solchem Grade feind, daß seine Auseinandersetzungen eher allzu nüchtern und
kühl erschienen. Ein großes Stück hielt er auf den geschäftlichen Anstand
und der Einfluß seines guten Beispiels wirkt, wenn auch für die Meisten
unbewußt, noch bei der heutigen Generation fort. Pitane pflegte er nur
gegen verkehrte Maßregeln und Bescheide der Behörden zu werden, weßhalb
er auch die Mittelmäßigkeit oder Unfähigkeit auf dem Richterstuhle immer
zum Feinde hatte und mancher Verweis wegen „unehrerbietiger Schreibart"
in seine Conduitenliste eingetragen wurde.
Das öffentliche Leben lag in den dreißiger Jahren, wie in ganz
Deutschland, so auch in dem kleinen Herzogthume Coburg im Argen. Herzog
Ernst I. hatte lange Zeit ein patriarchalisches, ziemlich absolutes Regiment
geführt, die „getreuen Stände" kümmerten ihn wenig, Beschwerden derselben
pflegten als bedauerliche Anmaßung vornehm zurückgewiesen zu werden. Nach
und nach entwickelten sich politischen Wirren, die sich zuletzt zu heftigen Zer¬
würfnissen zuspitzten und gewiß in weiten Kreisen unvergessen fein würden,
wenn sie der Geschichte eines größeren Staates angehörten. Natürlich han¬
delte es sich in erster Linie um vermögensrechtliche Auseinander¬
setzungen mit dem Landesherrn. Coburg hatte seinen Domänenstreit
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