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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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gegen die Oberen unter Strafe stellt, auf die Jesuiten zutreffe. Von ultra¬
montaner Seite wird dies bestritten. Ebenso wird von derselben Seite dem
Reich die Befugniß bestritten, die katholischen Orden unter seine Vcreinsge-
setzgebung zu stellen, weil nämlich die Orden nicht als Vereine, sondern als
Anstalten der katholischen Kirche zu betrachten und als solche nicht nach dem
Bereinsrecht, sondern nach dem Recht der Staatshoheit in Kirchensachen zu
behandeln seien. Das Reich besitze aber nicht das M eireg, sacra, welches
den Einzelstaaten verblieben sei. Ueberdies sei dem Jesuitenorden eine poli¬
tische Thätigkeit durch seine eignen Statuten verboten. Ebenso leugnen die
Ultramontanen natürlich jeden Nothstand und jede Bedrohung der Sicherheit
des Reiches durch geistliche Orden und insbesondere durch den Jesuitenorden.
Dem gegenüber beruft sich der Bericht auf das Zeugniß der Geschichte hin¬
sichtlich der Jesuiten und ihrer staatszerrüttenden Wirksamkeit. Glänzend ist
der Nachweis, daß es eine Ungeheuerlichkeit ist, den Jesuitenorden darstellen
zu wollen als eine Vereinigung von Preußen zu erlaubten Zwecken, während
er vielmehr eine das universale Gebiet der katholischen Kirche umfassende
Körperschaft ist, der seine Mitglieder eidlich zum Gehorsam gegen ausländische
Oberen verpflichtet und dessen Zwecke den kirchlichen Universalstaat umfassen,
in welchen Deutschland als Provinz eingereiht ist. Ebenso glänzend ist der
Nachweis, daß die katholischen Orden in ihren weltlichen Affiliationen: Ge¬
sellen- und Arbeiterverbänden, Casinos, Männervereinen u. s. w. die ungebun¬
denen Formen der Privatvereine ausbeuten und für die Leitung derselben
zugleich die Autorität und Unverletzlichkeit der Kirche in Anspruch nehmen.
Die Schranken des Vereinsrechts sind völlig ungenügend gegen Vereine, die
ihren Mittelpunkt und ihre Leitung in dem universalen unerreichbaren Orga¬
nismus der Kirche haben.

Die Commission gelangt schließlich zu dem Doppelantrag, den Reichs¬
kanzler aufzufordern: 'l) unter Kenntnißnahme der eingegangenen Petitionen
und unter Kenntnißnahme der neueren Entwickelung des Jesuitenordens in
Deutschland die verbündeten Regierungen zu gemeinsamen Grundsätzen in der
Behandlung von religiösen Orden zu veranlassen und 2) einen Gesetzentwurf
vorzulegen, durch welchen die Niederlassung von Mitgliedern der Gesell¬
schaft Jesu ohne Zulassung der betreffenden Regierung unter Strafe ge¬
stellt wird.

Im Reichstag fand man es nicht allseitig angemessen, daß der Reichs¬
tag auf das Verhalten der verbündeten Regierungen außerhalb der Reichs-
functionen und blos hinsichtlich der Orden einzuwirken suche. Es wurde
deshalb der Doppelantrag angenommen: 1) der Reichskanzler möge auf einen
öffentlichen Rechtszustand hinwirken, welcher den religiösen Frieden, die Parität
der Glaubensbekenntnisse und den Schutz der Staatsbürger gegen Mißbrauch
der geistlichen Gewalt sicher stelle; --- der Unterschied vom Commissionsan-
trag I besteht, wie man sieht, in der Ausdehnung von den Orden auf die
Kirche; II der Reichskanzler möge einen Gesetzentwurf vorlegen, welcher die
Stellung der Orden und ihrer' Zulassung regelt, sowie die staatsgefähr¬
liche Thätigkeit der Orden, namentlich der Gesellschaft Jesu, unter Strafe
stellt.

Bei Ur. II ist, wie man sieht, die Abweichung von dem Commissions¬
antrag nicht minder bedeutend. Der letztere wollte nur dem Ausschließungs¬
recht der Einzelstaaten gegen die Orden eine Strafsanction von Neichswegen
zugesellen. Statt dessen hat der Reichstag beantragt, das ganze Ordensrecht
unter die Reichsgesetzgebung zu stellen. Was nun die Verhandlung im Reichs-


gegen die Oberen unter Strafe stellt, auf die Jesuiten zutreffe. Von ultra¬
montaner Seite wird dies bestritten. Ebenso wird von derselben Seite dem
Reich die Befugniß bestritten, die katholischen Orden unter seine Vcreinsge-
setzgebung zu stellen, weil nämlich die Orden nicht als Vereine, sondern als
Anstalten der katholischen Kirche zu betrachten und als solche nicht nach dem
Bereinsrecht, sondern nach dem Recht der Staatshoheit in Kirchensachen zu
behandeln seien. Das Reich besitze aber nicht das M eireg, sacra, welches
den Einzelstaaten verblieben sei. Ueberdies sei dem Jesuitenorden eine poli¬
tische Thätigkeit durch seine eignen Statuten verboten. Ebenso leugnen die
Ultramontanen natürlich jeden Nothstand und jede Bedrohung der Sicherheit
des Reiches durch geistliche Orden und insbesondere durch den Jesuitenorden.
Dem gegenüber beruft sich der Bericht auf das Zeugniß der Geschichte hin¬
sichtlich der Jesuiten und ihrer staatszerrüttenden Wirksamkeit. Glänzend ist
der Nachweis, daß es eine Ungeheuerlichkeit ist, den Jesuitenorden darstellen
zu wollen als eine Vereinigung von Preußen zu erlaubten Zwecken, während
er vielmehr eine das universale Gebiet der katholischen Kirche umfassende
Körperschaft ist, der seine Mitglieder eidlich zum Gehorsam gegen ausländische
Oberen verpflichtet und dessen Zwecke den kirchlichen Universalstaat umfassen,
in welchen Deutschland als Provinz eingereiht ist. Ebenso glänzend ist der
Nachweis, daß die katholischen Orden in ihren weltlichen Affiliationen: Ge¬
sellen- und Arbeiterverbänden, Casinos, Männervereinen u. s. w. die ungebun¬
denen Formen der Privatvereine ausbeuten und für die Leitung derselben
zugleich die Autorität und Unverletzlichkeit der Kirche in Anspruch nehmen.
Die Schranken des Vereinsrechts sind völlig ungenügend gegen Vereine, die
ihren Mittelpunkt und ihre Leitung in dem universalen unerreichbaren Orga¬
nismus der Kirche haben.

Die Commission gelangt schließlich zu dem Doppelantrag, den Reichs¬
kanzler aufzufordern: 'l) unter Kenntnißnahme der eingegangenen Petitionen
und unter Kenntnißnahme der neueren Entwickelung des Jesuitenordens in
Deutschland die verbündeten Regierungen zu gemeinsamen Grundsätzen in der
Behandlung von religiösen Orden zu veranlassen und 2) einen Gesetzentwurf
vorzulegen, durch welchen die Niederlassung von Mitgliedern der Gesell¬
schaft Jesu ohne Zulassung der betreffenden Regierung unter Strafe ge¬
stellt wird.

Im Reichstag fand man es nicht allseitig angemessen, daß der Reichs¬
tag auf das Verhalten der verbündeten Regierungen außerhalb der Reichs-
functionen und blos hinsichtlich der Orden einzuwirken suche. Es wurde
deshalb der Doppelantrag angenommen: 1) der Reichskanzler möge auf einen
öffentlichen Rechtszustand hinwirken, welcher den religiösen Frieden, die Parität
der Glaubensbekenntnisse und den Schutz der Staatsbürger gegen Mißbrauch
der geistlichen Gewalt sicher stelle; —- der Unterschied vom Commissionsan-
trag I besteht, wie man sieht, in der Ausdehnung von den Orden auf die
Kirche; II der Reichskanzler möge einen Gesetzentwurf vorlegen, welcher die
Stellung der Orden und ihrer' Zulassung regelt, sowie die staatsgefähr¬
liche Thätigkeit der Orden, namentlich der Gesellschaft Jesu, unter Strafe
stellt.

Bei Ur. II ist, wie man sieht, die Abweichung von dem Commissions¬
antrag nicht minder bedeutend. Der letztere wollte nur dem Ausschließungs¬
recht der Einzelstaaten gegen die Orden eine Strafsanction von Neichswegen
zugesellen. Statt dessen hat der Reichstag beantragt, das ganze Ordensrecht
unter die Reichsgesetzgebung zu stellen. Was nun die Verhandlung im Reichs-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/366>, abgerufen am 22.12.2024.