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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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legt. He Leitung der preußischen Oberrechnungskammer und die des Reichs¬
rechnungshofes in einer Hand zu wissen, so ergiebt sich folgende Antwort.
Ein großer Theil der Verwaltungsgeschäfte, welche der finanziellen Auf¬
sicht des Reichsrechnungshofes unterliegen werden, beziehen sich thatsäch¬
lich, wenn auch nicht mehr formell, auf den preußischen Staatsorganismus.
So die Controlle der Armeeverwaltung. Denn im Grunde ist doch die Reichs¬
armee nichts als die erweiterte preußische Armee mit allen Institutionen der¬
selben. So die Controlle der Marineverwaltung. Weil nun dem so ist,
muß man es natürlich und selbst durch die Sache gerechtfertigt finden, daß
man an der Spitze des Bundesrathes die Einheit der Grundsätze und die Ein¬
heit des Controllverfahrens aufrecht zu halten wünscht für die Finanzaufsicht
über die Reichsverwaltung und über' die engere preußische Staatsverwaltung.
Um diesen Zweck zu erreichen, giebt es sicherlich kein besseres Mittel, als wenn
die leitende Persönlichkeit für die beiden obersten Rechnungsbehörden die näm¬
liche ist. Man muß andererseits fragen, was den Reichstag bestimmen kann,
in dieser Beziehung dem Verlangen des Bundesrathes, welches auf die leitende
Bundesregierung zurückzuführen ist, sich zu widersetzen. Auf Seiten des
Reichstages ist nun der Gedanke vorwaltend, das Reich möglichst von dem
preußischen Staat loszulösen, damit den Reichsinstitutionen ein liberaler Geist
eingehaucht werden könne. Es sollte jedoch bedacht werden, daß ohne den preu¬
ßischen Staat das Reich noch nicht einmal eine Schale ohne Kern wäre. Sicherlich
ist es wichtiger, den altpreußischen Staatskräften immer wieder beizubringen, daß
das Reich ihre Erweiterung ist, als umgekehrt sie fühlen zu lassen, daß das Reich
ihre Schranke ist. Es ist der Erbfehler unseres deutschen Liberalismus, daß er
nicht lernen will, sich auf die Natur der politischen Kräfte zu verstehen.

Die Salzsteuerfrage, welche nichts Anderes ist, als die Frage der künf¬
tigen Reichsfinanzpolitik, liegt ebenfalls noch im Schoße der mit der Vorbe¬
rathung beauftragten Commission beschlossen. Die Erörterung, welche einst¬
weilen in der Commission bei verschlossenen Thüren geführt wird, ist in Folge
der Neichstagsverhandlung, welche dem Auftrage an die Commission vorher
ging, jetzt schon in der Presse mehrseitig aufgenommen worden. Man sucht
auch von nationalliberaler Seite geltend zu machen, daß die Beseitigung der
Salzsteuer nicht zu warten brauche auf die Beseitung der Matricularbeiträgc,
weil die letzteren kaum zur Folg< haben könnten, daß in den Einzelstaaten
schlechtere Steuern als die Salzsteuer aufgelegt würden. Bei dieser Beweis¬
führung wird ganz einfach die Hauptsache übersehen. Nicht darum handelt
es sich, ob die Salzsteuer an sich eine schlechtere Steuer ist, als diejenigen
Steuern, zu welchen die Einzelstaaten in Folge erhöhter Matricularbeiträge
könnten zu greifen gezwungen sein. Vielmehr darum handelt es sich, ob
das Reich um jeden Preis auf eigene Einnahmen gestellt werden muß. Bis-


legt. He Leitung der preußischen Oberrechnungskammer und die des Reichs¬
rechnungshofes in einer Hand zu wissen, so ergiebt sich folgende Antwort.
Ein großer Theil der Verwaltungsgeschäfte, welche der finanziellen Auf¬
sicht des Reichsrechnungshofes unterliegen werden, beziehen sich thatsäch¬
lich, wenn auch nicht mehr formell, auf den preußischen Staatsorganismus.
So die Controlle der Armeeverwaltung. Denn im Grunde ist doch die Reichs¬
armee nichts als die erweiterte preußische Armee mit allen Institutionen der¬
selben. So die Controlle der Marineverwaltung. Weil nun dem so ist,
muß man es natürlich und selbst durch die Sache gerechtfertigt finden, daß
man an der Spitze des Bundesrathes die Einheit der Grundsätze und die Ein¬
heit des Controllverfahrens aufrecht zu halten wünscht für die Finanzaufsicht
über die Reichsverwaltung und über' die engere preußische Staatsverwaltung.
Um diesen Zweck zu erreichen, giebt es sicherlich kein besseres Mittel, als wenn
die leitende Persönlichkeit für die beiden obersten Rechnungsbehörden die näm¬
liche ist. Man muß andererseits fragen, was den Reichstag bestimmen kann,
in dieser Beziehung dem Verlangen des Bundesrathes, welches auf die leitende
Bundesregierung zurückzuführen ist, sich zu widersetzen. Auf Seiten des
Reichstages ist nun der Gedanke vorwaltend, das Reich möglichst von dem
preußischen Staat loszulösen, damit den Reichsinstitutionen ein liberaler Geist
eingehaucht werden könne. Es sollte jedoch bedacht werden, daß ohne den preu¬
ßischen Staat das Reich noch nicht einmal eine Schale ohne Kern wäre. Sicherlich
ist es wichtiger, den altpreußischen Staatskräften immer wieder beizubringen, daß
das Reich ihre Erweiterung ist, als umgekehrt sie fühlen zu lassen, daß das Reich
ihre Schranke ist. Es ist der Erbfehler unseres deutschen Liberalismus, daß er
nicht lernen will, sich auf die Natur der politischen Kräfte zu verstehen.

Die Salzsteuerfrage, welche nichts Anderes ist, als die Frage der künf¬
tigen Reichsfinanzpolitik, liegt ebenfalls noch im Schoße der mit der Vorbe¬
rathung beauftragten Commission beschlossen. Die Erörterung, welche einst¬
weilen in der Commission bei verschlossenen Thüren geführt wird, ist in Folge
der Neichstagsverhandlung, welche dem Auftrage an die Commission vorher
ging, jetzt schon in der Presse mehrseitig aufgenommen worden. Man sucht
auch von nationalliberaler Seite geltend zu machen, daß die Beseitigung der
Salzsteuer nicht zu warten brauche auf die Beseitung der Matricularbeiträgc,
weil die letzteren kaum zur Folg< haben könnten, daß in den Einzelstaaten
schlechtere Steuern als die Salzsteuer aufgelegt würden. Bei dieser Beweis¬
führung wird ganz einfach die Hauptsache übersehen. Nicht darum handelt
es sich, ob die Salzsteuer an sich eine schlechtere Steuer ist, als diejenigen
Steuern, zu welchen die Einzelstaaten in Folge erhöhter Matricularbeiträge
könnten zu greifen gezwungen sein. Vielmehr darum handelt es sich, ob
das Reich um jeden Preis auf eigene Einnahmen gestellt werden muß. Bis-


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[0324] legt. He Leitung der preußischen Oberrechnungskammer und die des Reichs¬ rechnungshofes in einer Hand zu wissen, so ergiebt sich folgende Antwort. Ein großer Theil der Verwaltungsgeschäfte, welche der finanziellen Auf¬ sicht des Reichsrechnungshofes unterliegen werden, beziehen sich thatsäch¬ lich, wenn auch nicht mehr formell, auf den preußischen Staatsorganismus. So die Controlle der Armeeverwaltung. Denn im Grunde ist doch die Reichs¬ armee nichts als die erweiterte preußische Armee mit allen Institutionen der¬ selben. So die Controlle der Marineverwaltung. Weil nun dem so ist, muß man es natürlich und selbst durch die Sache gerechtfertigt finden, daß man an der Spitze des Bundesrathes die Einheit der Grundsätze und die Ein¬ heit des Controllverfahrens aufrecht zu halten wünscht für die Finanzaufsicht über die Reichsverwaltung und über' die engere preußische Staatsverwaltung. Um diesen Zweck zu erreichen, giebt es sicherlich kein besseres Mittel, als wenn die leitende Persönlichkeit für die beiden obersten Rechnungsbehörden die näm¬ liche ist. Man muß andererseits fragen, was den Reichstag bestimmen kann, in dieser Beziehung dem Verlangen des Bundesrathes, welches auf die leitende Bundesregierung zurückzuführen ist, sich zu widersetzen. Auf Seiten des Reichstages ist nun der Gedanke vorwaltend, das Reich möglichst von dem preußischen Staat loszulösen, damit den Reichsinstitutionen ein liberaler Geist eingehaucht werden könne. Es sollte jedoch bedacht werden, daß ohne den preu¬ ßischen Staat das Reich noch nicht einmal eine Schale ohne Kern wäre. Sicherlich ist es wichtiger, den altpreußischen Staatskräften immer wieder beizubringen, daß das Reich ihre Erweiterung ist, als umgekehrt sie fühlen zu lassen, daß das Reich ihre Schranke ist. Es ist der Erbfehler unseres deutschen Liberalismus, daß er nicht lernen will, sich auf die Natur der politischen Kräfte zu verstehen. Die Salzsteuerfrage, welche nichts Anderes ist, als die Frage der künf¬ tigen Reichsfinanzpolitik, liegt ebenfalls noch im Schoße der mit der Vorbe¬ rathung beauftragten Commission beschlossen. Die Erörterung, welche einst¬ weilen in der Commission bei verschlossenen Thüren geführt wird, ist in Folge der Neichstagsverhandlung, welche dem Auftrage an die Commission vorher ging, jetzt schon in der Presse mehrseitig aufgenommen worden. Man sucht auch von nationalliberaler Seite geltend zu machen, daß die Beseitigung der Salzsteuer nicht zu warten brauche auf die Beseitung der Matricularbeiträgc, weil die letzteren kaum zur Folg< haben könnten, daß in den Einzelstaaten schlechtere Steuern als die Salzsteuer aufgelegt würden. Bei dieser Beweis¬ führung wird ganz einfach die Hauptsache übersehen. Nicht darum handelt es sich, ob die Salzsteuer an sich eine schlechtere Steuer ist, als diejenigen Steuern, zu welchen die Einzelstaaten in Folge erhöhter Matricularbeiträge könnten zu greifen gezwungen sein. Vielmehr darum handelt es sich, ob das Reich um jeden Preis auf eigene Einnahmen gestellt werden muß. Bis-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/324>, abgerufen am 02.07.2024.