Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.Reiche zu suchen. Das Ministerium war sichtlich betroffen. Und Herr v. Mitt¬ Die Verdrießlichkeit des Ministeriums über diese mehr als mangelhafte Wie bekannt, gelang es der Regierung mit Hülfe der Ultramontanen Die alte Verbindung mit den Klerikalen und Großdeutschen trat auch Unter solchen Umständen kann übrigens nicht auffallen, daß im Laufe Reiche zu suchen. Das Ministerium war sichtlich betroffen. Und Herr v. Mitt¬ Die Verdrießlichkeit des Ministeriums über diese mehr als mangelhafte Wie bekannt, gelang es der Regierung mit Hülfe der Ultramontanen Die alte Verbindung mit den Klerikalen und Großdeutschen trat auch Unter solchen Umständen kann übrigens nicht auffallen, daß im Laufe <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0319" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/127715"/> <p xml:id="ID_1028" prev="#ID_1027"> Reiche zu suchen. Das Ministerium war sichtlich betroffen. Und Herr v. Mitt¬<lb/> nacht wußte seinem früheren Collegen nichts weiter zu erwidern, als daß Hr.<lb/> v, Varnbüler vordem anders über die Bedeutung der schwäbischen Diploma¬<lb/> tie geurtheilt habe.</p><lb/> <p xml:id="ID_1029"> Die Verdrießlichkeit des Ministeriums über diese mehr als mangelhafte<lb/> Unterstützung durch den früheren württembergischen Premier trat denn auch<lb/> unzweideutig in einem nachträglich eingebrachten und von der Regierungs¬<lb/> partei unterstützten Antrag zu Tage, welcher der k. Staatsregierung die Ver¬<lb/> einigung des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten mit einem an¬<lb/> dern Departement durch Personalunion nahe legte. Allgemein wurde dieser<lb/> Antrag in dem Sinne gedeutet, daß Herr v. Mittnacht selbst einer Succession<lb/> in diese Stellung nicht abgeneigt wäre.</p><lb/> <p xml:id="ID_1030"> Wie bekannt, gelang es der Regierung mit Hülfe der Ultramontanen<lb/> und einiger „Streber" aus der Demokratie die Gesandtschaften noch einmal<lb/> zu retten: aber gerade diese Debatte mochte dem Ministerium neuerdings den<lb/> Beweis liefern, daß es für die Zukunft eine ehrliche Auseinandersetzung mit<lb/> der nationalen Partei suchen muß, wenn es, wie wir glauben, dauernd daraus<lb/> verzichten will, sich jemals wieder in die Arme der reichsfeindlichen Parteien<lb/> zu werfen. Denn der Sieg in der Hauptfrage (dem Wiener Gesandtschafts¬<lb/> posten) erfolgte nur mit einer Majorität von zwei Stimmen durch die glück¬<lb/> liche Abwesenheit einiger nationalen Abgeordneten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1031"> Die alte Verbindung mit den Klerikalen und Großdeutschen trat auch<lb/> bei der Debatte über die Geislinger Wahlagitation zu Tage, bei welcher der<lb/> inzwischen verstorbene Minister des Innern (von Scheurlen) so unbefangen<lb/> war, zu erklären, daß die Wahlbeeinflussung in sein Ressort gehöre, und<lb/> daß er allerdings seine Freude an der klerikalen Candidatur offen ausge¬<lb/> sprochen habe, weil er sich der Hoffnung hingegeben, durch den Sieg derselben<lb/> einen seit langen Jahren durch unheilvolle Gegensätze gespaltenen Bezirk zu<lb/> versöhnen. So mußte derjenige Bezirk, welcher — allein im Lande in den<lb/> Jahren der Schmach der nationalen Sache ununterbrochen treu geblieben war,<lb/> im Jahre 1872 sich deshalb von einem Manne den Vorwurf der Friedens¬<lb/> störung machen lassen, der, so lang er gelebt, kaum einem andern politischen<lb/> Grundsatz gehuldigt hatte, als dem Ehrgeiz. Hölder sah sich hierdurch ge¬<lb/> nöthigt, Namens der nationalen Partei die Versöhnung durch einen Hand¬<lb/> langer der Ultramontanen energisch zurückzuweisen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1032" next="#ID_1033"> Unter solchen Umständen kann übrigens nicht auffallen, daß im Laufe<lb/> des letzten Jahres ein Wahlbezirk um den andern, selbst in ganz protestanti¬<lb/> schen Landestheilen mit Hülfe der Regierung den Ultramontanen in die Hände<lb/> fiel und auch die neueste Reichstagswahl mit einem eclatanten Sieg dieser<lb/> Partei endigte, welche an die Stelle des deutschgesinnten Fürsten Zeit den</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0319]
Reiche zu suchen. Das Ministerium war sichtlich betroffen. Und Herr v. Mitt¬
nacht wußte seinem früheren Collegen nichts weiter zu erwidern, als daß Hr.
v, Varnbüler vordem anders über die Bedeutung der schwäbischen Diploma¬
tie geurtheilt habe.
Die Verdrießlichkeit des Ministeriums über diese mehr als mangelhafte
Unterstützung durch den früheren württembergischen Premier trat denn auch
unzweideutig in einem nachträglich eingebrachten und von der Regierungs¬
partei unterstützten Antrag zu Tage, welcher der k. Staatsregierung die Ver¬
einigung des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten mit einem an¬
dern Departement durch Personalunion nahe legte. Allgemein wurde dieser
Antrag in dem Sinne gedeutet, daß Herr v. Mittnacht selbst einer Succession
in diese Stellung nicht abgeneigt wäre.
Wie bekannt, gelang es der Regierung mit Hülfe der Ultramontanen
und einiger „Streber" aus der Demokratie die Gesandtschaften noch einmal
zu retten: aber gerade diese Debatte mochte dem Ministerium neuerdings den
Beweis liefern, daß es für die Zukunft eine ehrliche Auseinandersetzung mit
der nationalen Partei suchen muß, wenn es, wie wir glauben, dauernd daraus
verzichten will, sich jemals wieder in die Arme der reichsfeindlichen Parteien
zu werfen. Denn der Sieg in der Hauptfrage (dem Wiener Gesandtschafts¬
posten) erfolgte nur mit einer Majorität von zwei Stimmen durch die glück¬
liche Abwesenheit einiger nationalen Abgeordneten.
Die alte Verbindung mit den Klerikalen und Großdeutschen trat auch
bei der Debatte über die Geislinger Wahlagitation zu Tage, bei welcher der
inzwischen verstorbene Minister des Innern (von Scheurlen) so unbefangen
war, zu erklären, daß die Wahlbeeinflussung in sein Ressort gehöre, und
daß er allerdings seine Freude an der klerikalen Candidatur offen ausge¬
sprochen habe, weil er sich der Hoffnung hingegeben, durch den Sieg derselben
einen seit langen Jahren durch unheilvolle Gegensätze gespaltenen Bezirk zu
versöhnen. So mußte derjenige Bezirk, welcher — allein im Lande in den
Jahren der Schmach der nationalen Sache ununterbrochen treu geblieben war,
im Jahre 1872 sich deshalb von einem Manne den Vorwurf der Friedens¬
störung machen lassen, der, so lang er gelebt, kaum einem andern politischen
Grundsatz gehuldigt hatte, als dem Ehrgeiz. Hölder sah sich hierdurch ge¬
nöthigt, Namens der nationalen Partei die Versöhnung durch einen Hand¬
langer der Ultramontanen energisch zurückzuweisen.
Unter solchen Umständen kann übrigens nicht auffallen, daß im Laufe
des letzten Jahres ein Wahlbezirk um den andern, selbst in ganz protestanti¬
schen Landestheilen mit Hülfe der Regierung den Ultramontanen in die Hände
fiel und auch die neueste Reichstagswahl mit einem eclatanten Sieg dieser
Partei endigte, welche an die Stelle des deutschgesinnten Fürsten Zeit den
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