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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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Wenn der Generalrcith den Congreß organisirt, so geht von ihm nicht
dessen Berufung aus, wenigstens unter gewöhnlichen Umständen nicht. Jeder
Congreß nämlich zeigt, bevor er sich trennt, Ort und Zeit des Zusammentritts
des nächsten Kongresses an. Zur festgesetzten Zelt vereinigen sich an dem
festgesetzten Orte alle Delegirten, ohne daß eine besondere Zusammenberufung
nöthig wäre. Der Generalrats hat das Recht, in dringenden Fällen den
Zusammentritt des Kongresses vor der angegebenen Zeit zu veranlassen, und
er kann ebenso, wenn ein nicht vorausgesehener Umstand eine solche Maßregel
nothwendig macht, den für das Stelldichein festgesetzten Ort mit einem andern
vertauschen. Aber er darf auf keinen Fall den Zusammentritt über die be¬
schlossene Zeit hinausschieben. So will es wenigstens der Buchstabe der
Statuten. Aber die Ereignisse von 1870 schon zwangen die Mitglieder des
Bundes, sich eine Verletzung derselben gefallen zu lassen, und eine Notiz der
"Egalite", des Organs der Internationale in der romanischen Schweiz, belehrte
uns, daß der Generalrats selbst e>s gewesen, der "beschlossen, die Berufung
des Congresses auf eine der Vereinigung der Arbeiterabgeordneten aus allen
Ländern günstigere Zeit zu verschieben," ein Beschluß, der auch im Jahre 1871
noch keiner Zusammenberufung Platz machen durfte.

Wieder Bund so können auch die verschiedenen Föderationen ihre be¬
sonderen Statuten haben, nur dürfen dieselben nichts enthalten, was den vom
ganzen Bunde angenommenen Bestimmungen widerspricht. Die Mehrzahl
der Föderationen bedient sich dieses Rechtes. Testut hat eine Anzahl dieser
besonderen Statuten veröffentlicht. Sie enthalten meist nichts von größerem
Interesse und gleichen einander sehr in ihren Bestimmungen sowie in dem
Geiste, der sie durchweht. Diejenigen der Pariser Föderation haben die Eigen¬
thümlichkeit, daß sie zufällig sich an ein Datum knüpfen, welches ein Jahr
später eine traurige Berühmtheit erlangen sollte. Es war am 18. März
1870, wo der Text des Entwurfes, der sie enthielt, von einer Versammlung
definitiv gutgeheißen wurde, welcher neben andern Persönlichkeiten, welche bei
der Commune eine Rolle spielen sollten, auch die Herren Malon, Combcmlt
und Avrial beiwohnten. Einen Monat später, am 19. April wurden sie
in einer Generalversammlung der Pariser Sectionen, bei welcher Varlin den
Vorsitz führte, besprochen und angenommen.

Wir finden hier auf jeder Zeile die Spur jenes unheilbaren'Mißtrauens,
jenes argwöhnischen Wesens, welches das Laster der Demokratie überhaupt,
namentlich aber der Pariser Demokraten ist.

"Jede Section," so heißt es da unter Anderen, "ernennt und wechselt
ihre Abgeordneten, wie es ihr gutdünkt." -- "In den ersten Sitzungen des
April und des October hat der Föderalrath sein Bureau zu ernennen . . .
Die Mitglieder des Bureau können zu jeder Zeit von dem Rathe abgesetzt


Wenn der Generalrcith den Congreß organisirt, so geht von ihm nicht
dessen Berufung aus, wenigstens unter gewöhnlichen Umständen nicht. Jeder
Congreß nämlich zeigt, bevor er sich trennt, Ort und Zeit des Zusammentritts
des nächsten Kongresses an. Zur festgesetzten Zelt vereinigen sich an dem
festgesetzten Orte alle Delegirten, ohne daß eine besondere Zusammenberufung
nöthig wäre. Der Generalrats hat das Recht, in dringenden Fällen den
Zusammentritt des Kongresses vor der angegebenen Zeit zu veranlassen, und
er kann ebenso, wenn ein nicht vorausgesehener Umstand eine solche Maßregel
nothwendig macht, den für das Stelldichein festgesetzten Ort mit einem andern
vertauschen. Aber er darf auf keinen Fall den Zusammentritt über die be¬
schlossene Zeit hinausschieben. So will es wenigstens der Buchstabe der
Statuten. Aber die Ereignisse von 1870 schon zwangen die Mitglieder des
Bundes, sich eine Verletzung derselben gefallen zu lassen, und eine Notiz der
„Egalite", des Organs der Internationale in der romanischen Schweiz, belehrte
uns, daß der Generalrats selbst e>s gewesen, der „beschlossen, die Berufung
des Congresses auf eine der Vereinigung der Arbeiterabgeordneten aus allen
Ländern günstigere Zeit zu verschieben," ein Beschluß, der auch im Jahre 1871
noch keiner Zusammenberufung Platz machen durfte.

Wieder Bund so können auch die verschiedenen Föderationen ihre be¬
sonderen Statuten haben, nur dürfen dieselben nichts enthalten, was den vom
ganzen Bunde angenommenen Bestimmungen widerspricht. Die Mehrzahl
der Föderationen bedient sich dieses Rechtes. Testut hat eine Anzahl dieser
besonderen Statuten veröffentlicht. Sie enthalten meist nichts von größerem
Interesse und gleichen einander sehr in ihren Bestimmungen sowie in dem
Geiste, der sie durchweht. Diejenigen der Pariser Föderation haben die Eigen¬
thümlichkeit, daß sie zufällig sich an ein Datum knüpfen, welches ein Jahr
später eine traurige Berühmtheit erlangen sollte. Es war am 18. März
1870, wo der Text des Entwurfes, der sie enthielt, von einer Versammlung
definitiv gutgeheißen wurde, welcher neben andern Persönlichkeiten, welche bei
der Commune eine Rolle spielen sollten, auch die Herren Malon, Combcmlt
und Avrial beiwohnten. Einen Monat später, am 19. April wurden sie
in einer Generalversammlung der Pariser Sectionen, bei welcher Varlin den
Vorsitz führte, besprochen und angenommen.

Wir finden hier auf jeder Zeile die Spur jenes unheilbaren'Mißtrauens,
jenes argwöhnischen Wesens, welches das Laster der Demokratie überhaupt,
namentlich aber der Pariser Demokraten ist.

„Jede Section," so heißt es da unter Anderen, „ernennt und wechselt
ihre Abgeordneten, wie es ihr gutdünkt." — „In den ersten Sitzungen des
April und des October hat der Föderalrath sein Bureau zu ernennen . . .
Die Mitglieder des Bureau können zu jeder Zeit von dem Rathe abgesetzt


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[0029] Wenn der Generalrcith den Congreß organisirt, so geht von ihm nicht dessen Berufung aus, wenigstens unter gewöhnlichen Umständen nicht. Jeder Congreß nämlich zeigt, bevor er sich trennt, Ort und Zeit des Zusammentritts des nächsten Kongresses an. Zur festgesetzten Zelt vereinigen sich an dem festgesetzten Orte alle Delegirten, ohne daß eine besondere Zusammenberufung nöthig wäre. Der Generalrats hat das Recht, in dringenden Fällen den Zusammentritt des Kongresses vor der angegebenen Zeit zu veranlassen, und er kann ebenso, wenn ein nicht vorausgesehener Umstand eine solche Maßregel nothwendig macht, den für das Stelldichein festgesetzten Ort mit einem andern vertauschen. Aber er darf auf keinen Fall den Zusammentritt über die be¬ schlossene Zeit hinausschieben. So will es wenigstens der Buchstabe der Statuten. Aber die Ereignisse von 1870 schon zwangen die Mitglieder des Bundes, sich eine Verletzung derselben gefallen zu lassen, und eine Notiz der „Egalite", des Organs der Internationale in der romanischen Schweiz, belehrte uns, daß der Generalrats selbst e>s gewesen, der „beschlossen, die Berufung des Congresses auf eine der Vereinigung der Arbeiterabgeordneten aus allen Ländern günstigere Zeit zu verschieben," ein Beschluß, der auch im Jahre 1871 noch keiner Zusammenberufung Platz machen durfte. Wieder Bund so können auch die verschiedenen Föderationen ihre be¬ sonderen Statuten haben, nur dürfen dieselben nichts enthalten, was den vom ganzen Bunde angenommenen Bestimmungen widerspricht. Die Mehrzahl der Föderationen bedient sich dieses Rechtes. Testut hat eine Anzahl dieser besonderen Statuten veröffentlicht. Sie enthalten meist nichts von größerem Interesse und gleichen einander sehr in ihren Bestimmungen sowie in dem Geiste, der sie durchweht. Diejenigen der Pariser Föderation haben die Eigen¬ thümlichkeit, daß sie zufällig sich an ein Datum knüpfen, welches ein Jahr später eine traurige Berühmtheit erlangen sollte. Es war am 18. März 1870, wo der Text des Entwurfes, der sie enthielt, von einer Versammlung definitiv gutgeheißen wurde, welcher neben andern Persönlichkeiten, welche bei der Commune eine Rolle spielen sollten, auch die Herren Malon, Combcmlt und Avrial beiwohnten. Einen Monat später, am 19. April wurden sie in einer Generalversammlung der Pariser Sectionen, bei welcher Varlin den Vorsitz führte, besprochen und angenommen. Wir finden hier auf jeder Zeile die Spur jenes unheilbaren'Mißtrauens, jenes argwöhnischen Wesens, welches das Laster der Demokratie überhaupt, namentlich aber der Pariser Demokraten ist. „Jede Section," so heißt es da unter Anderen, „ernennt und wechselt ihre Abgeordneten, wie es ihr gutdünkt." — „In den ersten Sitzungen des April und des October hat der Föderalrath sein Bureau zu ernennen . . . Die Mitglieder des Bureau können zu jeder Zeit von dem Rathe abgesetzt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/29>, abgerufen am 22.12.2024.