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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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Die Geldstrafe ist gegen Preßvergehen die allein wirksame und allein ange¬
messene: das wird die Erfahrung der künftigen Zeiten lehren. Die Geldstrafe
ist ohne Cautivnsbestellung nicht durchzuführen. Auch die Absicht, den indi¬
viduellen Urheber strafbarer Preßerzeugnisse ermitteln zu wollen, beweist nur,
wie sehr das Wesen der Presse heute noch verkannt wird, Die Preßinstitute
und sie allein sind für die von der Presse angerichteten Schäden Haftbar zu
machen. Auch dies führt aber wieder zu Cautionen.*)

Es gibt nur zwei Wege der Preßbehandlung. Der erste ist die völlige
Straflosigkeit der Presse: einerlei ob sie gesetzlich ausgesprochen oder ^urch
wirkungslose Gesetze herbeigeführt wird. Von diesem Wege ist unzertrennlich
die Selbsthülfe gegen die Presse, wie sie in Amerika üblich ist, und die Ver¬
achtung der Presse, wie sie ebendaselbst üblich ist. Der andere Weg ist die
Bewahrung der Presse in der Selbstachtung und die Bewahrung des Publi-
cums in der Achtung der Presse durch das einzig wirksame Repressivsystem
mittelst der ausschließlichen Haftbarmachung der Preßinstitute im Wege der
Caution. --

Den Rechenschaftsbericht über die Verwaltung Elsaß.Lothringens über¬
gehen wir, weil der erfreuliche Inhalt desselben auf anderem Wege genügend
verbreitet worden, und weil die Discussion desselben im Reichstag nach einigen
durch die Mitglieder des Centrums veranlaßten Hin- und Herreden ergebni߬
los verlief.

Am 23. April gelangte der Reichstag zur zweiten oder Specialberathung
des Gesetzentwurfes über die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten d. h. des
ersten Theiles dieses Entwurfes; denn der zweite Theil war einer Commission
zur Vorberathung überwiesen worden. Wir können aus der Verhandlung,
in der viel Unerhebliches vorgebracht wurde, nur einzelne Punkte namhaft
machen. So lautete § 11 nach der Regierungsvorlage: "Ueber die vermöge
seines Amtes ihm bekannt gewordenen Angelegenheiten hat der Beamte Ver¬
schwiegenheit zu beobachten, auch nachdem das Dienstverhältniß aufgelöst ist."
Das ist altpreußischer Geschäftsstyl und, dürfen wir hinzusetzen, die Behand¬
lung der Geschäfte, wie sie kein wahrer Staat entbehren kann und wie sie
setzen wir abermals hinzu -- jeder männlichen Natur selbstverständlich ist.
Sind es etwa Männer, die beim "Stammseidel" mit den Gevattern, Nachbarn
oder sonstigen Stammgästen aus der Nähe und Ferne sich über die Dienst¬
vorkommnisse unterhalten? schenkt man etwa dem Arzt Vertrauen, der aus
den Erlebnissen seiner Praxis zu solcher Unterhaltung beiträgt, oder dem Rechts¬
anwalt, der solches thut? Und Beide sind doch keine Staatsbeamten. Aber
allerdings erfahren sie wie die Staatsbeamten viele Dinge auf Grund einer



") Wir können uns mit diesen Ansichten unseres Herrn Korrespondenten keineswegs voll¬
D. Und. ständig einverstanden erklären.

Die Geldstrafe ist gegen Preßvergehen die allein wirksame und allein ange¬
messene: das wird die Erfahrung der künftigen Zeiten lehren. Die Geldstrafe
ist ohne Cautivnsbestellung nicht durchzuführen. Auch die Absicht, den indi¬
viduellen Urheber strafbarer Preßerzeugnisse ermitteln zu wollen, beweist nur,
wie sehr das Wesen der Presse heute noch verkannt wird, Die Preßinstitute
und sie allein sind für die von der Presse angerichteten Schäden Haftbar zu
machen. Auch dies führt aber wieder zu Cautionen.*)

Es gibt nur zwei Wege der Preßbehandlung. Der erste ist die völlige
Straflosigkeit der Presse: einerlei ob sie gesetzlich ausgesprochen oder ^urch
wirkungslose Gesetze herbeigeführt wird. Von diesem Wege ist unzertrennlich
die Selbsthülfe gegen die Presse, wie sie in Amerika üblich ist, und die Ver¬
achtung der Presse, wie sie ebendaselbst üblich ist. Der andere Weg ist die
Bewahrung der Presse in der Selbstachtung und die Bewahrung des Publi-
cums in der Achtung der Presse durch das einzig wirksame Repressivsystem
mittelst der ausschließlichen Haftbarmachung der Preßinstitute im Wege der
Caution. —

Den Rechenschaftsbericht über die Verwaltung Elsaß.Lothringens über¬
gehen wir, weil der erfreuliche Inhalt desselben auf anderem Wege genügend
verbreitet worden, und weil die Discussion desselben im Reichstag nach einigen
durch die Mitglieder des Centrums veranlaßten Hin- und Herreden ergebni߬
los verlief.

Am 23. April gelangte der Reichstag zur zweiten oder Specialberathung
des Gesetzentwurfes über die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten d. h. des
ersten Theiles dieses Entwurfes; denn der zweite Theil war einer Commission
zur Vorberathung überwiesen worden. Wir können aus der Verhandlung,
in der viel Unerhebliches vorgebracht wurde, nur einzelne Punkte namhaft
machen. So lautete § 11 nach der Regierungsvorlage: „Ueber die vermöge
seines Amtes ihm bekannt gewordenen Angelegenheiten hat der Beamte Ver¬
schwiegenheit zu beobachten, auch nachdem das Dienstverhältniß aufgelöst ist."
Das ist altpreußischer Geschäftsstyl und, dürfen wir hinzusetzen, die Behand¬
lung der Geschäfte, wie sie kein wahrer Staat entbehren kann und wie sie
setzen wir abermals hinzu — jeder männlichen Natur selbstverständlich ist.
Sind es etwa Männer, die beim „Stammseidel" mit den Gevattern, Nachbarn
oder sonstigen Stammgästen aus der Nähe und Ferne sich über die Dienst¬
vorkommnisse unterhalten? schenkt man etwa dem Arzt Vertrauen, der aus
den Erlebnissen seiner Praxis zu solcher Unterhaltung beiträgt, oder dem Rechts¬
anwalt, der solches thut? Und Beide sind doch keine Staatsbeamten. Aber
allerdings erfahren sie wie die Staatsbeamten viele Dinge auf Grund einer



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D. Und. ständig einverstanden erklären.
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[0246] Die Geldstrafe ist gegen Preßvergehen die allein wirksame und allein ange¬ messene: das wird die Erfahrung der künftigen Zeiten lehren. Die Geldstrafe ist ohne Cautivnsbestellung nicht durchzuführen. Auch die Absicht, den indi¬ viduellen Urheber strafbarer Preßerzeugnisse ermitteln zu wollen, beweist nur, wie sehr das Wesen der Presse heute noch verkannt wird, Die Preßinstitute und sie allein sind für die von der Presse angerichteten Schäden Haftbar zu machen. Auch dies führt aber wieder zu Cautionen.*) Es gibt nur zwei Wege der Preßbehandlung. Der erste ist die völlige Straflosigkeit der Presse: einerlei ob sie gesetzlich ausgesprochen oder ^urch wirkungslose Gesetze herbeigeführt wird. Von diesem Wege ist unzertrennlich die Selbsthülfe gegen die Presse, wie sie in Amerika üblich ist, und die Ver¬ achtung der Presse, wie sie ebendaselbst üblich ist. Der andere Weg ist die Bewahrung der Presse in der Selbstachtung und die Bewahrung des Publi- cums in der Achtung der Presse durch das einzig wirksame Repressivsystem mittelst der ausschließlichen Haftbarmachung der Preßinstitute im Wege der Caution. — Den Rechenschaftsbericht über die Verwaltung Elsaß.Lothringens über¬ gehen wir, weil der erfreuliche Inhalt desselben auf anderem Wege genügend verbreitet worden, und weil die Discussion desselben im Reichstag nach einigen durch die Mitglieder des Centrums veranlaßten Hin- und Herreden ergebni߬ los verlief. Am 23. April gelangte der Reichstag zur zweiten oder Specialberathung des Gesetzentwurfes über die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten d. h. des ersten Theiles dieses Entwurfes; denn der zweite Theil war einer Commission zur Vorberathung überwiesen worden. Wir können aus der Verhandlung, in der viel Unerhebliches vorgebracht wurde, nur einzelne Punkte namhaft machen. So lautete § 11 nach der Regierungsvorlage: „Ueber die vermöge seines Amtes ihm bekannt gewordenen Angelegenheiten hat der Beamte Ver¬ schwiegenheit zu beobachten, auch nachdem das Dienstverhältniß aufgelöst ist." Das ist altpreußischer Geschäftsstyl und, dürfen wir hinzusetzen, die Behand¬ lung der Geschäfte, wie sie kein wahrer Staat entbehren kann und wie sie setzen wir abermals hinzu — jeder männlichen Natur selbstverständlich ist. Sind es etwa Männer, die beim „Stammseidel" mit den Gevattern, Nachbarn oder sonstigen Stammgästen aus der Nähe und Ferne sich über die Dienst¬ vorkommnisse unterhalten? schenkt man etwa dem Arzt Vertrauen, der aus den Erlebnissen seiner Praxis zu solcher Unterhaltung beiträgt, oder dem Rechts¬ anwalt, der solches thut? Und Beide sind doch keine Staatsbeamten. Aber allerdings erfahren sie wie die Staatsbeamten viele Dinge auf Grund einer ") Wir können uns mit diesen Ansichten unseres Herrn Korrespondenten keineswegs voll¬ D. Und. ständig einverstanden erklären.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/246>, abgerufen am 22.07.2024.