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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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eingeführt war. erst im November nach Bayern, die für Belebung des
literarischen Verkehrs sehr förderliche Einrichtung der extraordinären Zeitungs¬
beilagen (im Reichs-Postgebiete vom Is. October 1871 ab zugelassen) wurde
erst im Januar 1872 in Württemberg eingeführt. Aehnlich war es mit den
Correspondenzkarten. Zahlreiche andere Belege zur Beleuchtung dieses Ver¬
fahrens stehen zu Gebote. Welches Bleigewicht ein solcher moäus vivendi
dem Verkehr anhängt, bedarf keiner Ausführung. Die deutsche Nation hat
eben keine Zeit, mehr als ein Postreglement zu studiren! Nichts aber er¬
innert schneidender an die alte deutsche Postmisere, als die Thatsache, daß man
in Stuttgart oder München mit Reichs-Postfreimarken keinen Brief
nach dem "Reiche" frankiren kann! Stuttgart und München gehören
"postalisch genommen" eben nicht ohne Weiteres zum Reiche!

Vielleicht aber, wird man einwenden, ist die Verwaltung der Territorial-
Postinstitute billiger, als die Reichspost. In dieser Hinsicht mögen
Zahlen sprechen. Bayern mit seinen 4,825,000 Einwohnern auf 1378 Oua-
dratmeilen mit 1086 Postanstalten hatte im letzten Finanzjahre 3,377,280
Gulden Brutto-Einnahme vom Postwesen, der Reinertrag belief sich auf etwa
300,000 Gulden -- 8,3 pCt. der Einnahme. Befördert wurden circa 52
Millionen Briefe. Für das Gebiet der Reichspost sind die entsprechenden
Zahlen wie folgt anzunehmen: Einwohnerzahl circa 33,500,000. Flächen¬
raum 8240 Quadratmeilen mit 5400 Postanstalten. Brutto-Einnahme der
Post: 26,479,670 Thaler, Reinertrag 3,016,439 Thaler 11,4 pCt. der
Einnahme. Briefzahl: jährlich 400 Millionen. Erwägt man, daß die Central-
Verwaltung der bayrischen Post in München beim Uebergange der Geschäfte
derselben aus das Reichs-Generalpostamt entbehrlich wird, daß sich, um
ein Beispiel für viele hervorzuheben, weitere Ersparnisse bei den Bezirks-
Administrationsbehörden (Oberpost- und Bahnämtern) durch Verminderung
derselben von neun auf vier erzielen lassen, und daß der Verkehr durch Ein¬
führung zweckmäßiger Verbesserungen wächst, so läßt sich mit Bestimmtheit er¬
warten, daß der Ueberschuß zu Gunsten Bayerns nicht blos um 30--40 Pro¬
cent sich vermehren, sondern auf mindestens 500,000 Gulden (60 Procent)
steigen wird.

Was die württembergische Post betrifft, so haben nach dem Berichte,
welchen das auswärtige Ministerium, Abtheilung für Verkehrsanstalten, am
24. Juli 1871 an den König von Württemberg erstattet hat, die Einnahmen
pro 1869--70 4,886,067 Gulden 35 Kreuzer betragen; der Reinertrag belief
sich auf 152,184 Gulden, die Briefzahl auf 22 Millionen (bei 354 Quadrat¬
meilen Flächenraum mit 1,778,396 Einwohnern und 420 Postanstalten).
Hier beträgt der Reingewinn nur 3,1 Procent der Posteinnahme, ist also
höchst geringfügig und würde bei der Uebernahme des württembergischen Post-


eingeführt war. erst im November nach Bayern, die für Belebung des
literarischen Verkehrs sehr förderliche Einrichtung der extraordinären Zeitungs¬
beilagen (im Reichs-Postgebiete vom Is. October 1871 ab zugelassen) wurde
erst im Januar 1872 in Württemberg eingeführt. Aehnlich war es mit den
Correspondenzkarten. Zahlreiche andere Belege zur Beleuchtung dieses Ver¬
fahrens stehen zu Gebote. Welches Bleigewicht ein solcher moäus vivendi
dem Verkehr anhängt, bedarf keiner Ausführung. Die deutsche Nation hat
eben keine Zeit, mehr als ein Postreglement zu studiren! Nichts aber er¬
innert schneidender an die alte deutsche Postmisere, als die Thatsache, daß man
in Stuttgart oder München mit Reichs-Postfreimarken keinen Brief
nach dem „Reiche" frankiren kann! Stuttgart und München gehören
„postalisch genommen" eben nicht ohne Weiteres zum Reiche!

Vielleicht aber, wird man einwenden, ist die Verwaltung der Territorial-
Postinstitute billiger, als die Reichspost. In dieser Hinsicht mögen
Zahlen sprechen. Bayern mit seinen 4,825,000 Einwohnern auf 1378 Oua-
dratmeilen mit 1086 Postanstalten hatte im letzten Finanzjahre 3,377,280
Gulden Brutto-Einnahme vom Postwesen, der Reinertrag belief sich auf etwa
300,000 Gulden — 8,3 pCt. der Einnahme. Befördert wurden circa 52
Millionen Briefe. Für das Gebiet der Reichspost sind die entsprechenden
Zahlen wie folgt anzunehmen: Einwohnerzahl circa 33,500,000. Flächen¬
raum 8240 Quadratmeilen mit 5400 Postanstalten. Brutto-Einnahme der
Post: 26,479,670 Thaler, Reinertrag 3,016,439 Thaler 11,4 pCt. der
Einnahme. Briefzahl: jährlich 400 Millionen. Erwägt man, daß die Central-
Verwaltung der bayrischen Post in München beim Uebergange der Geschäfte
derselben aus das Reichs-Generalpostamt entbehrlich wird, daß sich, um
ein Beispiel für viele hervorzuheben, weitere Ersparnisse bei den Bezirks-
Administrationsbehörden (Oberpost- und Bahnämtern) durch Verminderung
derselben von neun auf vier erzielen lassen, und daß der Verkehr durch Ein¬
führung zweckmäßiger Verbesserungen wächst, so läßt sich mit Bestimmtheit er¬
warten, daß der Ueberschuß zu Gunsten Bayerns nicht blos um 30—40 Pro¬
cent sich vermehren, sondern auf mindestens 500,000 Gulden (60 Procent)
steigen wird.

Was die württembergische Post betrifft, so haben nach dem Berichte,
welchen das auswärtige Ministerium, Abtheilung für Verkehrsanstalten, am
24. Juli 1871 an den König von Württemberg erstattet hat, die Einnahmen
pro 1869—70 4,886,067 Gulden 35 Kreuzer betragen; der Reinertrag belief
sich auf 152,184 Gulden, die Briefzahl auf 22 Millionen (bei 354 Quadrat¬
meilen Flächenraum mit 1,778,396 Einwohnern und 420 Postanstalten).
Hier beträgt der Reingewinn nur 3,1 Procent der Posteinnahme, ist also
höchst geringfügig und würde bei der Uebernahme des württembergischen Post-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/240>, abgerufen am 02.10.2024.