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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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bewog. Jeder glaubte in harmloser Unschuld, daß die Wahlen vor seiner
Einschreibung stattgefunden hätten, daß er aber endgültig nur Officieren ge¬
horche, die von seinen Kameraden gewählt worden seien. In Wahrheit aber
sah er sich in ein von der revolutionären Partei geschaffenes und geführtes
Corps eingereiht, welches nicht sowohl dem Kriege gegen die Deutschen als
dem Kampfe gegen die bürgerliche Gesellschaft dienen sollte. War die auf
solche Weise zusammengebrachte Masse unwissend in der Politik, gleichgültig,
und leicht zu leiten, so war das Bataillon bald für die sociale Revolution
gewonnen. Bestand die Mehrzahl aber zufällig aus wohlgesinnten und in¬
telligenten Leuten, so entledigten sich dieselben schließlich, wenn auch mit
einiger Mühe, der traurigen Persönlichkeiten, welche das Bataillon organisirr
hatten. Ein Beispiel davon war jener Sappia, der in den ersten Tagen des
October 1870 von seinem Bataillon verhaftet wurde, als er es gegen das
Stadthaus führen wollte, und der später bei dem Aufstand des 23. Januar
umkam. Ein anderes Beispiel war Narlin, der sich des Kommandos des
193. Bataillons bemächtigt hatte, aber während der Belagerung abgesetzt
wurde, indem die Majorität seiner Leute keinen Chef wollte, dessen Vergan¬
genheit und dessen antisociale Ideen sie empörten.

In der Internationale sind solche Borfälle nicht zu befürchten, und die
Führer, welche dazu gelangt sind, eine Section oder Föderation zu gründen,
sind bis jetzt, soviel wir wissen, immer ziemlich sicher gewesen, die Delegirten
derselben zu werden und zu bleiben. Officiell kommt ihnen ihre Autorität
von der Section oder Föderation, in Wirklichkeit haben diese ihre Existenz
nur von ihnen. Die wackern arglosen Leute, welche sich von diesen Führern
narren lassen, bilden sich ein, daß sie durch ihre Abstimmung eins der größten
Heere in Bewegung setzen, welche in diesem Augenblicke in Europa eristiren.
In Wahrheit gibt es hier Hunderttausende, Millionen von armen Teufeln,
die nur ebenso viel Drahtpuppen sind, die an den Fäden der Führer sich be¬
wegen, und der nur zu wahrscheinliche Verdacht, welcher auf gewisse Beziehun¬
gen des Communemitgliedes Asfi zu den Chefs des Bonapartismus fiel, be¬
weist hinreichend, daß diese ungeheure Armee sich im gegebenen Augenblicke
Mann für Mann nicht blos für einen Zweck, welchen sie nicht kennt, sondern
sogar im Interesse von Leuten, welche sie auf das Heftigste haßt, in den
Kampf geführt sehen kann.

Um nun wieder zur Organisation der Internationale zurückzukehren, bil¬
den zunächst die für den Bund Gewordenen Gruppen, welche man Sektionen
nennt. Gewisse Sectionen bleiben in Folge besonderer Umstände isolirt-, aber
gewöhnlich schließen sich die Sectionen einer Gegend in eine Föderation zu¬
sammen. Obgleich das Princip der Internationale die Vernichtung der Na¬
tionalitäten will, hat doch die Gewalt der Dinge dahin geführt, daß man


bewog. Jeder glaubte in harmloser Unschuld, daß die Wahlen vor seiner
Einschreibung stattgefunden hätten, daß er aber endgültig nur Officieren ge¬
horche, die von seinen Kameraden gewählt worden seien. In Wahrheit aber
sah er sich in ein von der revolutionären Partei geschaffenes und geführtes
Corps eingereiht, welches nicht sowohl dem Kriege gegen die Deutschen als
dem Kampfe gegen die bürgerliche Gesellschaft dienen sollte. War die auf
solche Weise zusammengebrachte Masse unwissend in der Politik, gleichgültig,
und leicht zu leiten, so war das Bataillon bald für die sociale Revolution
gewonnen. Bestand die Mehrzahl aber zufällig aus wohlgesinnten und in¬
telligenten Leuten, so entledigten sich dieselben schließlich, wenn auch mit
einiger Mühe, der traurigen Persönlichkeiten, welche das Bataillon organisirr
hatten. Ein Beispiel davon war jener Sappia, der in den ersten Tagen des
October 1870 von seinem Bataillon verhaftet wurde, als er es gegen das
Stadthaus führen wollte, und der später bei dem Aufstand des 23. Januar
umkam. Ein anderes Beispiel war Narlin, der sich des Kommandos des
193. Bataillons bemächtigt hatte, aber während der Belagerung abgesetzt
wurde, indem die Majorität seiner Leute keinen Chef wollte, dessen Vergan¬
genheit und dessen antisociale Ideen sie empörten.

In der Internationale sind solche Borfälle nicht zu befürchten, und die
Führer, welche dazu gelangt sind, eine Section oder Föderation zu gründen,
sind bis jetzt, soviel wir wissen, immer ziemlich sicher gewesen, die Delegirten
derselben zu werden und zu bleiben. Officiell kommt ihnen ihre Autorität
von der Section oder Föderation, in Wirklichkeit haben diese ihre Existenz
nur von ihnen. Die wackern arglosen Leute, welche sich von diesen Führern
narren lassen, bilden sich ein, daß sie durch ihre Abstimmung eins der größten
Heere in Bewegung setzen, welche in diesem Augenblicke in Europa eristiren.
In Wahrheit gibt es hier Hunderttausende, Millionen von armen Teufeln,
die nur ebenso viel Drahtpuppen sind, die an den Fäden der Führer sich be¬
wegen, und der nur zu wahrscheinliche Verdacht, welcher auf gewisse Beziehun¬
gen des Communemitgliedes Asfi zu den Chefs des Bonapartismus fiel, be¬
weist hinreichend, daß diese ungeheure Armee sich im gegebenen Augenblicke
Mann für Mann nicht blos für einen Zweck, welchen sie nicht kennt, sondern
sogar im Interesse von Leuten, welche sie auf das Heftigste haßt, in den
Kampf geführt sehen kann.

Um nun wieder zur Organisation der Internationale zurückzukehren, bil¬
den zunächst die für den Bund Gewordenen Gruppen, welche man Sektionen
nennt. Gewisse Sectionen bleiben in Folge besonderer Umstände isolirt-, aber
gewöhnlich schließen sich die Sectionen einer Gegend in eine Föderation zu¬
sammen. Obgleich das Princip der Internationale die Vernichtung der Na¬
tionalitäten will, hat doch die Gewalt der Dinge dahin geführt, daß man


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/24>, abgerufen am 22.12.2024.