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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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Menschen, welche sich vor acht Jahren zusammenthaten, um durch Arbeits¬
einstellungen die Erhöhung der Löhne zu erzwingen, erst dahin gelangten, zu
glauben, daß ihnen die Herrschaft über die Welt zufallen müsse, dann dazu
fortgerissen wurden, an dem Tage, wo sie ihre Einbildungen zerrinnen sahen,
sich mit den verabscheuenswerthesten Unthaten zu beflecken. Unsere Aufgabe
würde damit zu Ende sein, wenn wir nicht noch nachzuweisen hätten, daß die
Internationale nicht nur verantwortlich ist für die Verbrechen der Commune,
sondern daß sie diese Verantwortlichkeit ausdrücklich anerkannt, ja als ein
Ehrenrecht ganz energisch in Anspruch genommen hat.

Alle Welt nahm an, daß die politischen Freunde jener Menschen, die in
Fluthen von Blut und Wolken von Rauch einer brennenden Großstadt ver¬
schwunden waren, das Gedächtniß derselben von den ihnen schuldgegebenen
Verbrechen reinzuwaschen streben oder, falls dies unmöglich, sich von ihnen
lossagen und ihnen allein die Verantwortlichkeit für so arge Greuel über¬
lassen würden. Aber man sah bald, daß man sich darin getäuscht. Wir
übergehen die bezüglichen Kundgebungen der Internationale in Deutschland
und beschränken uns auf Belgien, die Schweiz, England und Italien.

Die Flammen züngelten noch aus den Schutt- und Trümmerhaufen des
Hotel de Ville und der Tuilerien, als eine ganze Anzahl von Sectionen des
Bundes und fast alle seine Preßorgane offen und ungescheut ihre dankbare
Bewunderung der Mordbrenner äußerten.

In Zürich erklärte am 4. Juni eine Versammlung von Mitgliedern der
Internationale einstimmig, daß "der von der Commune von Paris durchge-
kämpfte Kampf gerecht und würdig,-daß er in .Uebereinstimmung stehe mit
den Ideen einer zukünftigen bessern Zeit, und daß alle nachdenkenden Menschen
mit ihr kämpfen müßten."

In Brüssel nahm die belgische Section der Internationale in einer Ver¬
sammlung am S. Juni ebenfalls einstimmig einen Protest gegen die von Du-
mortier kundgegebene Absicht an, die Mörder und Brandstifter von Paris
als Uebelthäter nach dem Völkerrecht auszuliefern. In diesem Actenstücke
hieß es:

"In Betracht dessen, daß Herr Dumortier es für passend gesunden hat,
in der Kammersitzung vom 25. Mai eine äußerste und über das Gesetz hin¬
ausgehende Maßregel gegen die Vertheidiger der von der Commune procla-
mirten Grundsätze vorzuschlagen, daß in offenbar herausfordernder und für
die Belgier, welche die Anschauungsweise und das Verfahren der Pariser
Commune billigen, verletzender Absicht der gedachte Herr Dumortier diese
glorwürdigen Vertheidiger der Freiheit und der Menschenrechte mit Meuchel¬
mördern, mit Dieben, kurz mit Menschen verglichen hat, die außer dem Ge¬
setze stehen und nicht als Politiker angesehen zu werden würdig sind, in Be-


Menschen, welche sich vor acht Jahren zusammenthaten, um durch Arbeits¬
einstellungen die Erhöhung der Löhne zu erzwingen, erst dahin gelangten, zu
glauben, daß ihnen die Herrschaft über die Welt zufallen müsse, dann dazu
fortgerissen wurden, an dem Tage, wo sie ihre Einbildungen zerrinnen sahen,
sich mit den verabscheuenswerthesten Unthaten zu beflecken. Unsere Aufgabe
würde damit zu Ende sein, wenn wir nicht noch nachzuweisen hätten, daß die
Internationale nicht nur verantwortlich ist für die Verbrechen der Commune,
sondern daß sie diese Verantwortlichkeit ausdrücklich anerkannt, ja als ein
Ehrenrecht ganz energisch in Anspruch genommen hat.

Alle Welt nahm an, daß die politischen Freunde jener Menschen, die in
Fluthen von Blut und Wolken von Rauch einer brennenden Großstadt ver¬
schwunden waren, das Gedächtniß derselben von den ihnen schuldgegebenen
Verbrechen reinzuwaschen streben oder, falls dies unmöglich, sich von ihnen
lossagen und ihnen allein die Verantwortlichkeit für so arge Greuel über¬
lassen würden. Aber man sah bald, daß man sich darin getäuscht. Wir
übergehen die bezüglichen Kundgebungen der Internationale in Deutschland
und beschränken uns auf Belgien, die Schweiz, England und Italien.

Die Flammen züngelten noch aus den Schutt- und Trümmerhaufen des
Hotel de Ville und der Tuilerien, als eine ganze Anzahl von Sectionen des
Bundes und fast alle seine Preßorgane offen und ungescheut ihre dankbare
Bewunderung der Mordbrenner äußerten.

In Zürich erklärte am 4. Juni eine Versammlung von Mitgliedern der
Internationale einstimmig, daß „der von der Commune von Paris durchge-
kämpfte Kampf gerecht und würdig,-daß er in .Uebereinstimmung stehe mit
den Ideen einer zukünftigen bessern Zeit, und daß alle nachdenkenden Menschen
mit ihr kämpfen müßten."

In Brüssel nahm die belgische Section der Internationale in einer Ver¬
sammlung am S. Juni ebenfalls einstimmig einen Protest gegen die von Du-
mortier kundgegebene Absicht an, die Mörder und Brandstifter von Paris
als Uebelthäter nach dem Völkerrecht auszuliefern. In diesem Actenstücke
hieß es:

„In Betracht dessen, daß Herr Dumortier es für passend gesunden hat,
in der Kammersitzung vom 25. Mai eine äußerste und über das Gesetz hin¬
ausgehende Maßregel gegen die Vertheidiger der von der Commune procla-
mirten Grundsätze vorzuschlagen, daß in offenbar herausfordernder und für
die Belgier, welche die Anschauungsweise und das Verfahren der Pariser
Commune billigen, verletzender Absicht der gedachte Herr Dumortier diese
glorwürdigen Vertheidiger der Freiheit und der Menschenrechte mit Meuchel¬
mördern, mit Dieben, kurz mit Menschen verglichen hat, die außer dem Ge¬
setze stehen und nicht als Politiker angesehen zu werden würdig sind, in Be-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/221>, abgerufen am 02.10.2024.