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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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im Begriff stehen: daß die Einzellandtage vom October bis Januar, wenn
nöthig bis Februar und März arbeiten, während der Reichstag von Ostern
bis Ende Juni versammelt wird. Der Zusammentritt des Reichstags kann
früher erfolgen, wenn es einmal vorkommt, daß alle Landtage ihre Arbeiten
erheblich vor Ostern beendigt haben. Wenn solches dem preußischen Landtag
wie dem bayrischen diesmal nicht gelungen ist, so liegt es daran, daß I87l
eine Herbstsession des Reichstags nothwendig war, was hoffentlich sobald nicht
wieder vorkommen wird. ^

In derselben Sitzung vom 17. April lag ein vom Abgeordneten Schulze
schon in früheren Versammlungen wiederholt eingebrachter Antrag zur ersten
Berathung vor: allen Vereinen, die gesetzlich nicht verbotenen Zwecken gewid¬
met sind, unter gewissen Normativbedingungen Corporationsrechte zu ertheilen.
Der Abgeordnete v. Keudell beleuchtete in schlagender Weise die Ueberflüssig¬
keit, um nicht zu sagen die Thorheit einer solchen Gesetzvorschrift. In Bezug
auf religiöse Vereine bestimmt die preußische Verfassung, daß solche Vereine
nur auf dem Wege der Gesetzgebung Corporationsrechte erlangen können. In
anderen Fällen werden diese Rechte von der Verwaltung nach Prüfung des
einzelnen Gesundes verliehen. Der Abgeordnete Schulze will jedem Verein den
gesetzlichen Anspruch auf die Corporationsrechte sichern, der ein leeres Schema
von Normativbedingungen ausfüllt. Der genannte Abgeordnete hofft davon
eine wunderbare Blüthe des Vereinswesens. Wir unsererseits sind geneigt zu
glauben, daß Vereine mit schädlichen oder thörichten Zwecken, die sich natür¬
lich nicht in den Statuten finden, auch mit dem Corporationsrecht in der
Regel nicht zu dauerhaften Bildungen heranwachsen werden, und daß der
Staat nöthigenfalls noch immer Mittel finden wird, einen schädlichen Verein
unschädlich zu machen, auch wenn ihm der Schutz des Corporationsrechtes zur
Seite steht. Die Wohlthätigkeit eines Gesetzes aber, das bestenfalls keinen
übergroßen Schaden stiften wird, ist schwer einzusehen. Der Schulze'sche An¬
trag wurde schließlich an eine besondere Commission verwiesen.

Am 18. April lag das Militärstrafgesetzbuch zur ersten Berathung vor
und wurde an eine besondere Commission von 21 Mitgliedern verwiesen. Bis
jetzt existiren noch vier Militärstrafrechte im deutschen Heer, nämlich das preu¬
ßische, sächsische, bayrische, württembergische. Die vorläufige Kritik des neuen
Entwurfes, in der sich namentlich der Abgeordnete Laster hervorthat, über-
gehen wir bis zur Specialberathung.


L -- r.


Verantwortlicher Redacteur: or. Haus Blum.
Verlag von F. L. Hervia. -- Druck von Hiithel" Legler in Leipzig.

im Begriff stehen: daß die Einzellandtage vom October bis Januar, wenn
nöthig bis Februar und März arbeiten, während der Reichstag von Ostern
bis Ende Juni versammelt wird. Der Zusammentritt des Reichstags kann
früher erfolgen, wenn es einmal vorkommt, daß alle Landtage ihre Arbeiten
erheblich vor Ostern beendigt haben. Wenn solches dem preußischen Landtag
wie dem bayrischen diesmal nicht gelungen ist, so liegt es daran, daß I87l
eine Herbstsession des Reichstags nothwendig war, was hoffentlich sobald nicht
wieder vorkommen wird. ^

In derselben Sitzung vom 17. April lag ein vom Abgeordneten Schulze
schon in früheren Versammlungen wiederholt eingebrachter Antrag zur ersten
Berathung vor: allen Vereinen, die gesetzlich nicht verbotenen Zwecken gewid¬
met sind, unter gewissen Normativbedingungen Corporationsrechte zu ertheilen.
Der Abgeordnete v. Keudell beleuchtete in schlagender Weise die Ueberflüssig¬
keit, um nicht zu sagen die Thorheit einer solchen Gesetzvorschrift. In Bezug
auf religiöse Vereine bestimmt die preußische Verfassung, daß solche Vereine
nur auf dem Wege der Gesetzgebung Corporationsrechte erlangen können. In
anderen Fällen werden diese Rechte von der Verwaltung nach Prüfung des
einzelnen Gesundes verliehen. Der Abgeordnete Schulze will jedem Verein den
gesetzlichen Anspruch auf die Corporationsrechte sichern, der ein leeres Schema
von Normativbedingungen ausfüllt. Der genannte Abgeordnete hofft davon
eine wunderbare Blüthe des Vereinswesens. Wir unsererseits sind geneigt zu
glauben, daß Vereine mit schädlichen oder thörichten Zwecken, die sich natür¬
lich nicht in den Statuten finden, auch mit dem Corporationsrecht in der
Regel nicht zu dauerhaften Bildungen heranwachsen werden, und daß der
Staat nöthigenfalls noch immer Mittel finden wird, einen schädlichen Verein
unschädlich zu machen, auch wenn ihm der Schutz des Corporationsrechtes zur
Seite steht. Die Wohlthätigkeit eines Gesetzes aber, das bestenfalls keinen
übergroßen Schaden stiften wird, ist schwer einzusehen. Der Schulze'sche An¬
trag wurde schließlich an eine besondere Commission verwiesen.

Am 18. April lag das Militärstrafgesetzbuch zur ersten Berathung vor
und wurde an eine besondere Commission von 21 Mitgliedern verwiesen. Bis
jetzt existiren noch vier Militärstrafrechte im deutschen Heer, nämlich das preu¬
ßische, sächsische, bayrische, württembergische. Die vorläufige Kritik des neuen
Entwurfes, in der sich namentlich der Abgeordnete Laster hervorthat, über-
gehen wir bis zur Specialberathung.


L — r.


Verantwortlicher Redacteur: or. Haus Blum.
Verlag von F. L. Hervia. — Druck von Hiithel« Legler in Leipzig.
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[0208] im Begriff stehen: daß die Einzellandtage vom October bis Januar, wenn nöthig bis Februar und März arbeiten, während der Reichstag von Ostern bis Ende Juni versammelt wird. Der Zusammentritt des Reichstags kann früher erfolgen, wenn es einmal vorkommt, daß alle Landtage ihre Arbeiten erheblich vor Ostern beendigt haben. Wenn solches dem preußischen Landtag wie dem bayrischen diesmal nicht gelungen ist, so liegt es daran, daß I87l eine Herbstsession des Reichstags nothwendig war, was hoffentlich sobald nicht wieder vorkommen wird. ^ In derselben Sitzung vom 17. April lag ein vom Abgeordneten Schulze schon in früheren Versammlungen wiederholt eingebrachter Antrag zur ersten Berathung vor: allen Vereinen, die gesetzlich nicht verbotenen Zwecken gewid¬ met sind, unter gewissen Normativbedingungen Corporationsrechte zu ertheilen. Der Abgeordnete v. Keudell beleuchtete in schlagender Weise die Ueberflüssig¬ keit, um nicht zu sagen die Thorheit einer solchen Gesetzvorschrift. In Bezug auf religiöse Vereine bestimmt die preußische Verfassung, daß solche Vereine nur auf dem Wege der Gesetzgebung Corporationsrechte erlangen können. In anderen Fällen werden diese Rechte von der Verwaltung nach Prüfung des einzelnen Gesundes verliehen. Der Abgeordnete Schulze will jedem Verein den gesetzlichen Anspruch auf die Corporationsrechte sichern, der ein leeres Schema von Normativbedingungen ausfüllt. Der genannte Abgeordnete hofft davon eine wunderbare Blüthe des Vereinswesens. Wir unsererseits sind geneigt zu glauben, daß Vereine mit schädlichen oder thörichten Zwecken, die sich natür¬ lich nicht in den Statuten finden, auch mit dem Corporationsrecht in der Regel nicht zu dauerhaften Bildungen heranwachsen werden, und daß der Staat nöthigenfalls noch immer Mittel finden wird, einen schädlichen Verein unschädlich zu machen, auch wenn ihm der Schutz des Corporationsrechtes zur Seite steht. Die Wohlthätigkeit eines Gesetzes aber, das bestenfalls keinen übergroßen Schaden stiften wird, ist schwer einzusehen. Der Schulze'sche An¬ trag wurde schließlich an eine besondere Commission verwiesen. Am 18. April lag das Militärstrafgesetzbuch zur ersten Berathung vor und wurde an eine besondere Commission von 21 Mitgliedern verwiesen. Bis jetzt existiren noch vier Militärstrafrechte im deutschen Heer, nämlich das preu¬ ßische, sächsische, bayrische, württembergische. Die vorläufige Kritik des neuen Entwurfes, in der sich namentlich der Abgeordnete Laster hervorthat, über- gehen wir bis zur Specialberathung. L — r. Verantwortlicher Redacteur: or. Haus Blum. Verlag von F. L. Hervia. — Druck von Hiithel« Legler in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/208>, abgerufen am 02.10.2024.