Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.war Kutscher bei Napoleon, Sie sind aber Gräfin! Das ja nie vergessen! In München lebte damals ein Pferdehändler und -VerMiether Namens Im Theater stellte sich einst ein breiter Herr vor ihn, so daß er nichts Der Ruf Kränkels, der beiläufig bemerkt eine rothe Nase hatte, war Nur an einer Stelle war der König außerordentlich reizbar, in Betreff
durfte vor ihm nicht genannt werden; und ebenso hatte es der witzige Re- war Kutscher bei Napoleon, Sie sind aber Gräfin! Das ja nie vergessen! In München lebte damals ein Pferdehändler und -VerMiether Namens Im Theater stellte sich einst ein breiter Herr vor ihn, so daß er nichts Der Ruf Kränkels, der beiläufig bemerkt eine rothe Nase hatte, war Nur an einer Stelle war der König außerordentlich reizbar, in Betreff
durfte vor ihm nicht genannt werden; und ebenso hatte es der witzige Re- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0196" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/127592"/> <p xml:id="ID_638" prev="#ID_637"> war Kutscher bei Napoleon, Sie sind aber Gräfin! Das ja nie vergessen!<lb/> Kutscherenkelin darf sich nie encanailliren mit Hofschauspielerin! Adieu, liebe<lb/> Gräfin!"</p><lb/> <p xml:id="ID_639"> In München lebte damals ein Pferdehändler und -VerMiether Namens<lb/> Kränkel, berühmt durch Witz und noch mehr durch Grobheit. Man erzählte<lb/> tausend Anekdoten von diesem Kränkel. Hier nur eine: ></p><lb/> <p xml:id="ID_640"> Im Theater stellte sich einst ein breiter Herr vor ihn, so daß er nichts<lb/> sehen konnte. Kränkel suchte ihm dies bemerklich zu machen. Da drehte sich<lb/> der Mann mit bureaukratischen Uebermuth um: „Wissen Sie auch wer ich<lb/> bin?" — „Nao", sagt Kränkel. — „Ich bin der Geheime Ministerial-Referen-<lb/> dar Fuchs." — „So", meint Kränkel. „daß Sie a Vieh (Vieh) waren, dos<lb/> Hot i b'reits gemerkt, aber den Fuchs, schauen's, den hätt' i hinter Ihnen nit<lb/> g'sucht." — „Herr Sie sind ein Grobian." — „Und Sie," sagt Kränkel ruhig,<lb/> „wenn Sie so lang wären, wie Sie dumm sind, so müßten Sie sich bücken,<lb/> wenn Sie dem Mond an Schmatz (Kuß) geb'n wollten.</p><lb/> <p xml:id="ID_641"> Der Ruf Kränkels, der beiläufig bemerkt eine rothe Nase hatte, war<lb/> auch bis zu Ludwig dem Ersten gedrungen. Der König konnte dem Gelüste,<lb/> sich an Kränkel zu reiben, nicht widerstehn. Als er ihm das nächste Mal<lb/> auf der Straße begegnete, rief er ihm zu: „Sie, Kränkel, Nase zum Kupfer¬<lb/> schmied tragen, — sehr gewinnreich. — Nase ist das gediegene Kupfer!"<lb/> — »Ja, schaun's, Majestät," erwidert der witzige Roßkamm, „is bereits<lb/> g'schehn. Aber Wissen's wos der Kupferschmied g'soge hat? Kraut! — Hot<lb/> er g'soge, — wer dos glaubt, daß dos Kupfer is — hat er g'soge — dos<lb/> muß a rechter Esel sein, — Majestät, Hot er g'soge, nämlich der Kupfer¬<lb/> schmied." König Ludwig machte, daß er fortkam. Er hat mit Kränkel nicht<lb/> wieder angebunden, aber ihm auch keinen Majestätsbeleidigungs-Prozeß an<lb/> den Hals gehängt.</p><lb/> <p xml:id="ID_642"> Nur an einer Stelle war der König außerordentlich reizbar, in Betreff<lb/> seiner durch Partizipal-Constructionen und sonstige Sprach-Verrenkungen be¬<lb/> rühmten Gedichte. Als sein Gedicht „Wenn der Muth in der Brust seine<lb/> Spannkraft übt", travestirt wurde in: „Wenn der Hund mit der Wurst<lb/> über'n Eckstein springt — Und der Schlächter mit dem Knüppel kimmt"<lb/> (kommt), — wurde er wüthend. Der Name von Heinrich Heine, der ihn<lb/> angesungen hatte:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_3" type="poem"> <l> „Das ist Herr Ludwig von Bayernland — Desgleichen giebt es wenig,<lb/> Das Volk der Bavaren verehret ihn — Als angestammten König,<lb/> Am Ende cancmiflrt ihn auch — Zu Rom der heilige Vater.<lb/> Der Glorienschein um das Haupt wird ihm steh'n — Wie Manschetten unserem Kater"</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_643" next="#ID_644"> durfte vor ihm nicht genannt werden; und ebenso hatte es der witzige Re-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0196]
war Kutscher bei Napoleon, Sie sind aber Gräfin! Das ja nie vergessen!
Kutscherenkelin darf sich nie encanailliren mit Hofschauspielerin! Adieu, liebe
Gräfin!"
In München lebte damals ein Pferdehändler und -VerMiether Namens
Kränkel, berühmt durch Witz und noch mehr durch Grobheit. Man erzählte
tausend Anekdoten von diesem Kränkel. Hier nur eine: >
Im Theater stellte sich einst ein breiter Herr vor ihn, so daß er nichts
sehen konnte. Kränkel suchte ihm dies bemerklich zu machen. Da drehte sich
der Mann mit bureaukratischen Uebermuth um: „Wissen Sie auch wer ich
bin?" — „Nao", sagt Kränkel. — „Ich bin der Geheime Ministerial-Referen-
dar Fuchs." — „So", meint Kränkel. „daß Sie a Vieh (Vieh) waren, dos
Hot i b'reits gemerkt, aber den Fuchs, schauen's, den hätt' i hinter Ihnen nit
g'sucht." — „Herr Sie sind ein Grobian." — „Und Sie," sagt Kränkel ruhig,
„wenn Sie so lang wären, wie Sie dumm sind, so müßten Sie sich bücken,
wenn Sie dem Mond an Schmatz (Kuß) geb'n wollten.
Der Ruf Kränkels, der beiläufig bemerkt eine rothe Nase hatte, war
auch bis zu Ludwig dem Ersten gedrungen. Der König konnte dem Gelüste,
sich an Kränkel zu reiben, nicht widerstehn. Als er ihm das nächste Mal
auf der Straße begegnete, rief er ihm zu: „Sie, Kränkel, Nase zum Kupfer¬
schmied tragen, — sehr gewinnreich. — Nase ist das gediegene Kupfer!"
— »Ja, schaun's, Majestät," erwidert der witzige Roßkamm, „is bereits
g'schehn. Aber Wissen's wos der Kupferschmied g'soge hat? Kraut! — Hot
er g'soge, — wer dos glaubt, daß dos Kupfer is — hat er g'soge — dos
muß a rechter Esel sein, — Majestät, Hot er g'soge, nämlich der Kupfer¬
schmied." König Ludwig machte, daß er fortkam. Er hat mit Kränkel nicht
wieder angebunden, aber ihm auch keinen Majestätsbeleidigungs-Prozeß an
den Hals gehängt.
Nur an einer Stelle war der König außerordentlich reizbar, in Betreff
seiner durch Partizipal-Constructionen und sonstige Sprach-Verrenkungen be¬
rühmten Gedichte. Als sein Gedicht „Wenn der Muth in der Brust seine
Spannkraft übt", travestirt wurde in: „Wenn der Hund mit der Wurst
über'n Eckstein springt — Und der Schlächter mit dem Knüppel kimmt"
(kommt), — wurde er wüthend. Der Name von Heinrich Heine, der ihn
angesungen hatte:
„Das ist Herr Ludwig von Bayernland — Desgleichen giebt es wenig,
Das Volk der Bavaren verehret ihn — Als angestammten König,
Am Ende cancmiflrt ihn auch — Zu Rom der heilige Vater.
Der Glorienschein um das Haupt wird ihm steh'n — Wie Manschetten unserem Kater"
durfte vor ihm nicht genannt werden; und ebenso hatte es der witzige Re-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |