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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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wegen Sabathschändung Buße zahlen solle; daß Weltliche wider Geistliche
nicht das nämliche Recht wie diese wider jene genießen; daß die Geistlichen
viel Eigenthum der Krone durch Trug inne haben und sich den Antheil des
Königs an Strafgeldern zueignen u. s. w. So legte er den Bauern seine
Bestrebungen aus, klüglich leugnend, daß er die Luther'sche Lehre bei ihnen
einzuführen gedenke. -- Der Adel war nach ganz andern Gesichtspunkten
zu behandeln. Wie bereits erwähnt, war es schon den Sturm gelungen,
diesen Stand in seinen Interessen zu trennen, indem der jüngere Adel von
der Hierarchie abgezogen und durch Vergabungen dem König anhänglich ge¬
macht worden war; ein Theil des alten Adels verhielt sich indifferent, ein
anderer war mit der Hierarchie und den dänischen Machinationen eng ver¬
bunden; an der Spitze des letzteren stand der Reichshofmeister Thüre Jönssen,
aus dem Hause Roos. Bei diesem hatte sich so recht die Wahrheit des Mac-
chiavellischen Satzes erwiesen: "Wer glaubt, daß bei großen Herrn neue Wohl¬
thaten die alten Beleidigungen vergessen machen, der täuscht sich." Das hat
Gustav an Thüre Jönssen erlebt, denn der hat ihm Hernachmals einen sehr
gefährlichen Aufstand erregt zum Dank für die königlichen Vergabungen. Im
übrigen aber hat Gustav den richtigen Punkt getroffen, wo der Adel zu fassen
war und zu fassen bleibt. Er bestätigte alle Privilegien der Ritterschaft und
des Adels; den Domcapiteln dagegen gab er auf, aus dem neuen Testament
die Berechtigung ihrer Privilegien und weltlichen Besitzungen zu erweisen, und
zeigte dem Adel, wie er durch die Einziehung der geistlichen Güter seinen
Besitz in ungeahnter Weise vergrößern könne. Zugleich begann er Klöster
und die weltlichen Belehrungen der Bischöfe einzuziehen, die Strafgelder für
sich erheben zu lassen, die geistliche Gerichtsbarkeit nicht zu beachten, den Bann
gegen einen ostgothischen Edelmann für ungültig zu erklären, und was der¬
gleichen Maßregeln mehr waren. -- Die Bürger waren den in Aussicht ge¬
stellten materiellen Erwerbungen ebenso zugänglich wie den reformatorischen
Bestrebungen des Königs günstig. -- Die Geistlichkeit versäumte mittlerweile
nicht, Hungersnoth, Mißwachs und die furchtbare Seuche, den sogenann¬
ten englischen Schweiß, der damals ganz Europa erschreckte, jedem der es
hören wollte, als Strafen des Himmels zu verkündigen für die Frevel des
Königs an der römischen Kirche. --

Es nahte die Zeit, wo der König den entscheidenden Schlag führen
wollte; auf den sechszehnten Juni 1S27 wurde der Reichstag nach
West er as berufen: 4 Bischöfe, 4 Domherrn, 13 Reichsrathe, 129 Edel¬
leute, 32 Bürger außer den Abgeordneten Stockholms, die von großem
Einfluß waren, 14 Bergleute und 103 Bauern. Schon bei dem Er¬
öffnungsdiner, das der König gab, merkten die Bischöfe, daß ein schlechter
Wind für sie wehe, denn sie erhielten an der Tafel ihre Plätze unter dem


wegen Sabathschändung Buße zahlen solle; daß Weltliche wider Geistliche
nicht das nämliche Recht wie diese wider jene genießen; daß die Geistlichen
viel Eigenthum der Krone durch Trug inne haben und sich den Antheil des
Königs an Strafgeldern zueignen u. s. w. So legte er den Bauern seine
Bestrebungen aus, klüglich leugnend, daß er die Luther'sche Lehre bei ihnen
einzuführen gedenke. — Der Adel war nach ganz andern Gesichtspunkten
zu behandeln. Wie bereits erwähnt, war es schon den Sturm gelungen,
diesen Stand in seinen Interessen zu trennen, indem der jüngere Adel von
der Hierarchie abgezogen und durch Vergabungen dem König anhänglich ge¬
macht worden war; ein Theil des alten Adels verhielt sich indifferent, ein
anderer war mit der Hierarchie und den dänischen Machinationen eng ver¬
bunden; an der Spitze des letzteren stand der Reichshofmeister Thüre Jönssen,
aus dem Hause Roos. Bei diesem hatte sich so recht die Wahrheit des Mac-
chiavellischen Satzes erwiesen: „Wer glaubt, daß bei großen Herrn neue Wohl¬
thaten die alten Beleidigungen vergessen machen, der täuscht sich." Das hat
Gustav an Thüre Jönssen erlebt, denn der hat ihm Hernachmals einen sehr
gefährlichen Aufstand erregt zum Dank für die königlichen Vergabungen. Im
übrigen aber hat Gustav den richtigen Punkt getroffen, wo der Adel zu fassen
war und zu fassen bleibt. Er bestätigte alle Privilegien der Ritterschaft und
des Adels; den Domcapiteln dagegen gab er auf, aus dem neuen Testament
die Berechtigung ihrer Privilegien und weltlichen Besitzungen zu erweisen, und
zeigte dem Adel, wie er durch die Einziehung der geistlichen Güter seinen
Besitz in ungeahnter Weise vergrößern könne. Zugleich begann er Klöster
und die weltlichen Belehrungen der Bischöfe einzuziehen, die Strafgelder für
sich erheben zu lassen, die geistliche Gerichtsbarkeit nicht zu beachten, den Bann
gegen einen ostgothischen Edelmann für ungültig zu erklären, und was der¬
gleichen Maßregeln mehr waren. — Die Bürger waren den in Aussicht ge¬
stellten materiellen Erwerbungen ebenso zugänglich wie den reformatorischen
Bestrebungen des Königs günstig. — Die Geistlichkeit versäumte mittlerweile
nicht, Hungersnoth, Mißwachs und die furchtbare Seuche, den sogenann¬
ten englischen Schweiß, der damals ganz Europa erschreckte, jedem der es
hören wollte, als Strafen des Himmels zu verkündigen für die Frevel des
Königs an der römischen Kirche. —

Es nahte die Zeit, wo der König den entscheidenden Schlag führen
wollte; auf den sechszehnten Juni 1S27 wurde der Reichstag nach
West er as berufen: 4 Bischöfe, 4 Domherrn, 13 Reichsrathe, 129 Edel¬
leute, 32 Bürger außer den Abgeordneten Stockholms, die von großem
Einfluß waren, 14 Bergleute und 103 Bauern. Schon bei dem Er¬
öffnungsdiner, das der König gab, merkten die Bischöfe, daß ein schlechter
Wind für sie wehe, denn sie erhielten an der Tafel ihre Plätze unter dem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/173>, abgerufen am 24.08.2024.