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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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Bastion. So ist also Dürers Bastion zugleich Käsematte, eine Manier, die
erst später große Verbreitung finden sollte. Die Mauern und ebenso die Ge¬
wölbe, welche theils als Niederlagen, theils als Fundament der Geschütze
dienen, sind auf eine colossale Stärke berechnet.

Es leuchtet ein, daß diese Basteien eine große Vertheidigungskraft haben
müssen; nur ist eins dabei übersehen: die Kosten. Zwar sagt Dürer ganz
richtig: "Und ob man sagen wollt, es würde viel kosten, so gedenk man an
die Kunig von Egypten, welche große Kosten an die Pyramides gelegt haben,
der doch nicht Nutz gewest ist, so doch dieser Kosten sehr nutz ist ... denn es ist
besser ein Herr verbau ein groß geld, auf daß er bleiben möge, denn daß er
aus seinem Land vertrieben werde, wie das ein jeglicher geringes Verstandes
leichtlich abzunehmen hat." Woher aber nehmen und nicht stehlen? Die
Fürsten, welche nach damaliger Anschauung nicht als Vertreter des Landes,
sondern auf eigene Rechnung und Gefahr Krieg führten, hatten Noth und
Mühe, nur den dringendsten Sold für ihre Landsknechte zu schaffen, wer also
sollte starke Festungen bauen, und wenn's noch so nothwendig gewesen wäre?
Aus dem Grunde sind auch Dürers Vorschläge in der ursprünglichen Form
nie in Anwendung gekommen.

Um die Sache zu erleichtern schlägt Dürer vor, den Kern der Bastei
ganz mit Erde auszufüllen. Dann muß aber eine niedrigere Galerie mit
Streichwehren außen herum führen, die entweder oben offen oder eingewölbt
und mit Eide beworfen ist, welche nach dem Kerne der Bastei zu eine auf¬
steigende Fläche bildet. Das erspart viel. Gleichfalls billiger stellt sich eine
nach der ersten Art nur in kleineren Dimensionen (auf fünf Geschützstände
berechnet) gebaute Bastion.

Damit noch nicht zufrieden, richtet Dürer sein Augenmerk auf die Con-
struction von Kastellen, welche zur Paßvertheidigung dienen und den Zweck
einer selbstständigen Festung haben sollen. Der erste dieser Pläne legt die
Kreisform zu Grunde. Ein kreisrunder Platz von 400 Fuß Durchmesser ist
von einem kasemattirten Walle umgeben, dann folgt der Wallgraben, dann
ein Erdwall nebst zweitem Graben. Die Grabenvertheidigung wird von selbst-
ständigen Werken besorgt, welche gleich Radien von dem inneren nach dem
äußeren Grabenrande führen und rechts und links Schießscharten haben. In
der modernen Befestigungskunst heißen solche Werke Caponieren; sie sind in
diesem Jahrhundert vielfach in Gebrauch gekommen. Ebenso ist der Gedanke,
das Mauerwerk durch eine vorliegende Erdschütte zu decken, und den äußeren
Wall durch den inneren zu überhoben, ein ganz moderner Gedanke.

Das andere Kastell ist vierseitig (mit abgestumpften Ecken) und noch weit
großartiger angelegt. Beide Pläne mußten natürlich am Kostenpunkte
scheitern.


Bastion. So ist also Dürers Bastion zugleich Käsematte, eine Manier, die
erst später große Verbreitung finden sollte. Die Mauern und ebenso die Ge¬
wölbe, welche theils als Niederlagen, theils als Fundament der Geschütze
dienen, sind auf eine colossale Stärke berechnet.

Es leuchtet ein, daß diese Basteien eine große Vertheidigungskraft haben
müssen; nur ist eins dabei übersehen: die Kosten. Zwar sagt Dürer ganz
richtig: „Und ob man sagen wollt, es würde viel kosten, so gedenk man an
die Kunig von Egypten, welche große Kosten an die Pyramides gelegt haben,
der doch nicht Nutz gewest ist, so doch dieser Kosten sehr nutz ist ... denn es ist
besser ein Herr verbau ein groß geld, auf daß er bleiben möge, denn daß er
aus seinem Land vertrieben werde, wie das ein jeglicher geringes Verstandes
leichtlich abzunehmen hat." Woher aber nehmen und nicht stehlen? Die
Fürsten, welche nach damaliger Anschauung nicht als Vertreter des Landes,
sondern auf eigene Rechnung und Gefahr Krieg führten, hatten Noth und
Mühe, nur den dringendsten Sold für ihre Landsknechte zu schaffen, wer also
sollte starke Festungen bauen, und wenn's noch so nothwendig gewesen wäre?
Aus dem Grunde sind auch Dürers Vorschläge in der ursprünglichen Form
nie in Anwendung gekommen.

Um die Sache zu erleichtern schlägt Dürer vor, den Kern der Bastei
ganz mit Erde auszufüllen. Dann muß aber eine niedrigere Galerie mit
Streichwehren außen herum führen, die entweder oben offen oder eingewölbt
und mit Eide beworfen ist, welche nach dem Kerne der Bastei zu eine auf¬
steigende Fläche bildet. Das erspart viel. Gleichfalls billiger stellt sich eine
nach der ersten Art nur in kleineren Dimensionen (auf fünf Geschützstände
berechnet) gebaute Bastion.

Damit noch nicht zufrieden, richtet Dürer sein Augenmerk auf die Con-
struction von Kastellen, welche zur Paßvertheidigung dienen und den Zweck
einer selbstständigen Festung haben sollen. Der erste dieser Pläne legt die
Kreisform zu Grunde. Ein kreisrunder Platz von 400 Fuß Durchmesser ist
von einem kasemattirten Walle umgeben, dann folgt der Wallgraben, dann
ein Erdwall nebst zweitem Graben. Die Grabenvertheidigung wird von selbst-
ständigen Werken besorgt, welche gleich Radien von dem inneren nach dem
äußeren Grabenrande führen und rechts und links Schießscharten haben. In
der modernen Befestigungskunst heißen solche Werke Caponieren; sie sind in
diesem Jahrhundert vielfach in Gebrauch gekommen. Ebenso ist der Gedanke,
das Mauerwerk durch eine vorliegende Erdschütte zu decken, und den äußeren
Wall durch den inneren zu überhoben, ein ganz moderner Gedanke.

Das andere Kastell ist vierseitig (mit abgestumpften Ecken) und noch weit
großartiger angelegt. Beide Pläne mußten natürlich am Kostenpunkte
scheitern.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/155>, abgerufen am 22.12.2024.