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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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füttert" sein. Der Stadtgraben soll zum wenigstens 200 Fuß breit und 55
Fuß tief sein. Auf dem Grund desselben nächst dem inneren Rande befindet
sich ein kleiner, gleichfalls gefütterter Graben von 11 und 12 Fuß, "auf daß,
so man in den Graben siel, nit sobald zu den Schießlöchern käme." Dürer
setzt also trockene Gräben voraus.

Der Grundriß der Stadtbefestigungen bildet wie noch heute bei den
meisten Festungen ein unregelmäßiges, je nach Bedürfniß gebildetes Vieleck.
An diesen Ecken befanden sich nach der alten Art Wallthürme, nach Dürers
Vorschlägen starke Basteien von bogenförmiger Gestalt. Bei der Anlage der¬
selben hat man auf die Vortheile des Terrains und darauf zu achten, "daß
man mit dem Geschütz zusammenreichen möge." Jede der Basteien ist so zu
construiren, daß man aus einem Winkel der Stadtmauer ein 300 Fuß langes
Stück abschneidet und auf dieser einen Kreisbogen beschreibt, dessen Mittel¬
punkt 90 Fuß von der Mitte dieser Linie rückwärts liegen würde. An den
so gewonnenen Kreisabschnitt legt er nach rückwärts ein Rechteck von 60
Fuß Breite an. Auf diesem Grundriß erhebt sich die Bastei zu bedeutender
Höhe. Sie hat im Innern bis zur Grabensohle fünf Stockwerke, wovon noch
nicht die Hälfte über die Erdoberfläche emporragt. Die Außenmauern
neigen sich nach rückwärts um die aufschlagende Kugel leichter abgleiten zu
lassen; aus gleichem Grunde ist wohl auch der Halbkreis beibehalten und der
obere Rand der Mauer nach außen abgeschrägt. "Die Bastey", so motivirt
Dürer seine Anlage, "ward so gesetzt, daß man sich zu beiden Seiten sowohl
wehren möge, als für (vor) sich; kann man auch machen, hinter sich daraus
zu wehren, ist des Besser." Er vertritt also dasselbe Princip, nach dem man
neuester Zeit die umlaufenden Wälle gänzlich aufgiebt und die Vertheidigung
in selbstständige Forts verlegt. Um die Bastei noch zu verstärken, ist sie im
Innern mit einem System von Pfeilern und Mauern gefüllt, welche die Fort¬
setzung der Vertheidigung noch ermöglichen, auch wenn in die äußere Mauer
Bresche gelegt sein sollte. Sie hat übrigens eine doppelte Aufgabe zu erfüllen.
Einmal soll sie "in die Weiten dienen", d. h. das Vorterrain soll von ihr
aus möglichst wirksam bestrichen werden. Dazu besteht sie oben aus einer
Plattform, von wo aus die Geschütze besser über Bank als aus Schießscharten
feuern, "wie den freien Leuten am wohlsten ist." Die Plattform besteht aus
Balkenlagen, ohne daß sich darunter Gewölbe befinden. Dies erklärt sich
daraus, daß damals nur direct, nicht im Bogen geschossen wurde, also von
oben nichts zu befürchten war. Die zweite Aufgabe der Bastei ist die der
Grabenvertheidigung und hierin ist Dürer durchaus originell. Er bringt
unter dem Niveau der Erde "Streichwehren", das heißt Batterien an, mit wel¬
chen durch Schießscharten aus dem Innern geschossen wird. Die seitwärts
gerichteten Geschütze decken natürlich die ganze Mauerlänge bis zur nächsten


füttert" sein. Der Stadtgraben soll zum wenigstens 200 Fuß breit und 55
Fuß tief sein. Auf dem Grund desselben nächst dem inneren Rande befindet
sich ein kleiner, gleichfalls gefütterter Graben von 11 und 12 Fuß, „auf daß,
so man in den Graben siel, nit sobald zu den Schießlöchern käme." Dürer
setzt also trockene Gräben voraus.

Der Grundriß der Stadtbefestigungen bildet wie noch heute bei den
meisten Festungen ein unregelmäßiges, je nach Bedürfniß gebildetes Vieleck.
An diesen Ecken befanden sich nach der alten Art Wallthürme, nach Dürers
Vorschlägen starke Basteien von bogenförmiger Gestalt. Bei der Anlage der¬
selben hat man auf die Vortheile des Terrains und darauf zu achten, „daß
man mit dem Geschütz zusammenreichen möge." Jede der Basteien ist so zu
construiren, daß man aus einem Winkel der Stadtmauer ein 300 Fuß langes
Stück abschneidet und auf dieser einen Kreisbogen beschreibt, dessen Mittel¬
punkt 90 Fuß von der Mitte dieser Linie rückwärts liegen würde. An den
so gewonnenen Kreisabschnitt legt er nach rückwärts ein Rechteck von 60
Fuß Breite an. Auf diesem Grundriß erhebt sich die Bastei zu bedeutender
Höhe. Sie hat im Innern bis zur Grabensohle fünf Stockwerke, wovon noch
nicht die Hälfte über die Erdoberfläche emporragt. Die Außenmauern
neigen sich nach rückwärts um die aufschlagende Kugel leichter abgleiten zu
lassen; aus gleichem Grunde ist wohl auch der Halbkreis beibehalten und der
obere Rand der Mauer nach außen abgeschrägt. „Die Bastey", so motivirt
Dürer seine Anlage, „ward so gesetzt, daß man sich zu beiden Seiten sowohl
wehren möge, als für (vor) sich; kann man auch machen, hinter sich daraus
zu wehren, ist des Besser." Er vertritt also dasselbe Princip, nach dem man
neuester Zeit die umlaufenden Wälle gänzlich aufgiebt und die Vertheidigung
in selbstständige Forts verlegt. Um die Bastei noch zu verstärken, ist sie im
Innern mit einem System von Pfeilern und Mauern gefüllt, welche die Fort¬
setzung der Vertheidigung noch ermöglichen, auch wenn in die äußere Mauer
Bresche gelegt sein sollte. Sie hat übrigens eine doppelte Aufgabe zu erfüllen.
Einmal soll sie „in die Weiten dienen", d. h. das Vorterrain soll von ihr
aus möglichst wirksam bestrichen werden. Dazu besteht sie oben aus einer
Plattform, von wo aus die Geschütze besser über Bank als aus Schießscharten
feuern, „wie den freien Leuten am wohlsten ist." Die Plattform besteht aus
Balkenlagen, ohne daß sich darunter Gewölbe befinden. Dies erklärt sich
daraus, daß damals nur direct, nicht im Bogen geschossen wurde, also von
oben nichts zu befürchten war. Die zweite Aufgabe der Bastei ist die der
Grabenvertheidigung und hierin ist Dürer durchaus originell. Er bringt
unter dem Niveau der Erde „Streichwehren", das heißt Batterien an, mit wel¬
chen durch Schießscharten aus dem Innern geschossen wird. Die seitwärts
gerichteten Geschütze decken natürlich die ganze Mauerlänge bis zur nächsten


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[0154] füttert" sein. Der Stadtgraben soll zum wenigstens 200 Fuß breit und 55 Fuß tief sein. Auf dem Grund desselben nächst dem inneren Rande befindet sich ein kleiner, gleichfalls gefütterter Graben von 11 und 12 Fuß, „auf daß, so man in den Graben siel, nit sobald zu den Schießlöchern käme." Dürer setzt also trockene Gräben voraus. Der Grundriß der Stadtbefestigungen bildet wie noch heute bei den meisten Festungen ein unregelmäßiges, je nach Bedürfniß gebildetes Vieleck. An diesen Ecken befanden sich nach der alten Art Wallthürme, nach Dürers Vorschlägen starke Basteien von bogenförmiger Gestalt. Bei der Anlage der¬ selben hat man auf die Vortheile des Terrains und darauf zu achten, „daß man mit dem Geschütz zusammenreichen möge." Jede der Basteien ist so zu construiren, daß man aus einem Winkel der Stadtmauer ein 300 Fuß langes Stück abschneidet und auf dieser einen Kreisbogen beschreibt, dessen Mittel¬ punkt 90 Fuß von der Mitte dieser Linie rückwärts liegen würde. An den so gewonnenen Kreisabschnitt legt er nach rückwärts ein Rechteck von 60 Fuß Breite an. Auf diesem Grundriß erhebt sich die Bastei zu bedeutender Höhe. Sie hat im Innern bis zur Grabensohle fünf Stockwerke, wovon noch nicht die Hälfte über die Erdoberfläche emporragt. Die Außenmauern neigen sich nach rückwärts um die aufschlagende Kugel leichter abgleiten zu lassen; aus gleichem Grunde ist wohl auch der Halbkreis beibehalten und der obere Rand der Mauer nach außen abgeschrägt. „Die Bastey", so motivirt Dürer seine Anlage, „ward so gesetzt, daß man sich zu beiden Seiten sowohl wehren möge, als für (vor) sich; kann man auch machen, hinter sich daraus zu wehren, ist des Besser." Er vertritt also dasselbe Princip, nach dem man neuester Zeit die umlaufenden Wälle gänzlich aufgiebt und die Vertheidigung in selbstständige Forts verlegt. Um die Bastei noch zu verstärken, ist sie im Innern mit einem System von Pfeilern und Mauern gefüllt, welche die Fort¬ setzung der Vertheidigung noch ermöglichen, auch wenn in die äußere Mauer Bresche gelegt sein sollte. Sie hat übrigens eine doppelte Aufgabe zu erfüllen. Einmal soll sie „in die Weiten dienen", d. h. das Vorterrain soll von ihr aus möglichst wirksam bestrichen werden. Dazu besteht sie oben aus einer Plattform, von wo aus die Geschütze besser über Bank als aus Schießscharten feuern, „wie den freien Leuten am wohlsten ist." Die Plattform besteht aus Balkenlagen, ohne daß sich darunter Gewölbe befinden. Dies erklärt sich daraus, daß damals nur direct, nicht im Bogen geschossen wurde, also von oben nichts zu befürchten war. Die zweite Aufgabe der Bastei ist die der Grabenvertheidigung und hierin ist Dürer durchaus originell. Er bringt unter dem Niveau der Erde „Streichwehren", das heißt Batterien an, mit wel¬ chen durch Schießscharten aus dem Innern geschossen wird. Die seitwärts gerichteten Geschütze decken natürlich die ganze Mauerlänge bis zur nächsten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/154>, abgerufen am 26.06.2024.