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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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sich der Hinrichtungen derer, welche die Verwalter und Regierer der böhmischen
Autonomie gewesen waren, der Dragonaden, welche unter der Leitung von
Jesuiten Adel, Bürger und Bauern des Czechenvolkes wieder in die allein¬
seligmachende Kirche hineinzwängen, die ungeheuren Confiscationen endlich, durch
welche der kaiserliche Fiscus allein im Laufe des Jahres der Schlacht 624
Herrschaften und Landgüter gewann. Man weiß, wie der Kaiser Anwand¬
lungen von Milde hatte, wie ihn aber der Ketzerhaß seines jesuitischen Beicht¬
vaters und des päpstlichen Legaten Caraffa und ebenso sehr die Habgier hoch¬
stehender Beamten, denen dann wirklich ein sehr reichlicher Antheil an der
Güterbeute zugesprochen wurde, immer wieder zu strengen Maßregeln über¬
redeten. Selbst solche Nationale, die sich keines Vergehens schuldig gemacht
hatten, wurden unter allerlei Vorwänden ihres Besitzes beraubt, fast alle ad¬
ligen Gutsbesitzer verloren durch die Commissarien, die der Kaiser 1622 zur
Eintreibung der Kosten des Aufstandes eingesetzt hatte, die Hälfte ihres Eigen-
thums, viele das Ganze, und unter den letzteren waren die reichsten. Wie
viel davon an die Gehülfen bei dem großen Unterwerfungs- und Nacheacte
vertheilt worden ist, wie viel davon jetzt noch in den Händen der Familien
der Belohnten sich befindet, sollte einmal statistisch festgestellt werden, und
dann sollte man zum Vergleich die jetzige politische Conduite der gegenwär¬
tigen Besitzer daneben verzeichnen. Es würde einen ganz eignen Anblick ge¬
ben. Leute, die durch die Zertrümmerung der Autonomie Böhmens reich und
mächtig geworden sind, für die Wiederaufrichtung dieser Autonomie auftreten
zu sehen.

In der That, das wäre eine recht eigenthümliche Reaction. Aber man
hüte sich, an die Aufrichtigkeit der scheinbar dahin gerichteten Wünsche und
Bestrebungen derjenigen unsrer Großgrundbesitzer zu glauben, die mit den
Czechen gegen die Verfassung gemeinsame Sache machen. Ihre Reactions¬
gedanken gehen nicht so weit zurück. Ihnen genügt eine Rückkehr zu der
Zeit nach 1849, zu einem Oesterreich, wie es ihnen unter Schwarzenberg und
Bach blühte. Um dieses vorzubereiten, um den jetzigen politischen Stand des
Reichs zu unterwühlen, zu schwächen und im Schwanken zu erhalten, haben
sie und die.Ultramontanen sich mit den czechischen Föderalisten verbunden.
Wie ihre Väter von Wien aus gegen Prag, so arbeiten sie jetzt von Prag
aus gegen die politische und religiöse Entwickelung in Wien.

Unsre ultramontanen Kirchenfürsten, die jetzt mit den übrigen reactio-
nären Krethi und Plethi Sturm gegen die Verfassung laufen, waren früher
keineswegs Föderalisten und Autonomisten. Dieselben Bischöfe, die heute
fanatisch Arm in Arm mit den Czechen gehen, erklärten in den Tagen, wo
über den Abschluß des Concordats verhandelt wurde, die Sprachendifferenz
für eine aufzuhebende Folge des babylonischen Thurmbaues und betonten


sich der Hinrichtungen derer, welche die Verwalter und Regierer der böhmischen
Autonomie gewesen waren, der Dragonaden, welche unter der Leitung von
Jesuiten Adel, Bürger und Bauern des Czechenvolkes wieder in die allein¬
seligmachende Kirche hineinzwängen, die ungeheuren Confiscationen endlich, durch
welche der kaiserliche Fiscus allein im Laufe des Jahres der Schlacht 624
Herrschaften und Landgüter gewann. Man weiß, wie der Kaiser Anwand¬
lungen von Milde hatte, wie ihn aber der Ketzerhaß seines jesuitischen Beicht¬
vaters und des päpstlichen Legaten Caraffa und ebenso sehr die Habgier hoch¬
stehender Beamten, denen dann wirklich ein sehr reichlicher Antheil an der
Güterbeute zugesprochen wurde, immer wieder zu strengen Maßregeln über¬
redeten. Selbst solche Nationale, die sich keines Vergehens schuldig gemacht
hatten, wurden unter allerlei Vorwänden ihres Besitzes beraubt, fast alle ad¬
ligen Gutsbesitzer verloren durch die Commissarien, die der Kaiser 1622 zur
Eintreibung der Kosten des Aufstandes eingesetzt hatte, die Hälfte ihres Eigen-
thums, viele das Ganze, und unter den letzteren waren die reichsten. Wie
viel davon an die Gehülfen bei dem großen Unterwerfungs- und Nacheacte
vertheilt worden ist, wie viel davon jetzt noch in den Händen der Familien
der Belohnten sich befindet, sollte einmal statistisch festgestellt werden, und
dann sollte man zum Vergleich die jetzige politische Conduite der gegenwär¬
tigen Besitzer daneben verzeichnen. Es würde einen ganz eignen Anblick ge¬
ben. Leute, die durch die Zertrümmerung der Autonomie Böhmens reich und
mächtig geworden sind, für die Wiederaufrichtung dieser Autonomie auftreten
zu sehen.

In der That, das wäre eine recht eigenthümliche Reaction. Aber man
hüte sich, an die Aufrichtigkeit der scheinbar dahin gerichteten Wünsche und
Bestrebungen derjenigen unsrer Großgrundbesitzer zu glauben, die mit den
Czechen gegen die Verfassung gemeinsame Sache machen. Ihre Reactions¬
gedanken gehen nicht so weit zurück. Ihnen genügt eine Rückkehr zu der
Zeit nach 1849, zu einem Oesterreich, wie es ihnen unter Schwarzenberg und
Bach blühte. Um dieses vorzubereiten, um den jetzigen politischen Stand des
Reichs zu unterwühlen, zu schwächen und im Schwanken zu erhalten, haben
sie und die.Ultramontanen sich mit den czechischen Föderalisten verbunden.
Wie ihre Väter von Wien aus gegen Prag, so arbeiten sie jetzt von Prag
aus gegen die politische und religiöse Entwickelung in Wien.

Unsre ultramontanen Kirchenfürsten, die jetzt mit den übrigen reactio-
nären Krethi und Plethi Sturm gegen die Verfassung laufen, waren früher
keineswegs Föderalisten und Autonomisten. Dieselben Bischöfe, die heute
fanatisch Arm in Arm mit den Czechen gehen, erklärten in den Tagen, wo
über den Abschluß des Concordats verhandelt wurde, die Sprachendifferenz
für eine aufzuhebende Folge des babylonischen Thurmbaues und betonten


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[0126] sich der Hinrichtungen derer, welche die Verwalter und Regierer der böhmischen Autonomie gewesen waren, der Dragonaden, welche unter der Leitung von Jesuiten Adel, Bürger und Bauern des Czechenvolkes wieder in die allein¬ seligmachende Kirche hineinzwängen, die ungeheuren Confiscationen endlich, durch welche der kaiserliche Fiscus allein im Laufe des Jahres der Schlacht 624 Herrschaften und Landgüter gewann. Man weiß, wie der Kaiser Anwand¬ lungen von Milde hatte, wie ihn aber der Ketzerhaß seines jesuitischen Beicht¬ vaters und des päpstlichen Legaten Caraffa und ebenso sehr die Habgier hoch¬ stehender Beamten, denen dann wirklich ein sehr reichlicher Antheil an der Güterbeute zugesprochen wurde, immer wieder zu strengen Maßregeln über¬ redeten. Selbst solche Nationale, die sich keines Vergehens schuldig gemacht hatten, wurden unter allerlei Vorwänden ihres Besitzes beraubt, fast alle ad¬ ligen Gutsbesitzer verloren durch die Commissarien, die der Kaiser 1622 zur Eintreibung der Kosten des Aufstandes eingesetzt hatte, die Hälfte ihres Eigen- thums, viele das Ganze, und unter den letzteren waren die reichsten. Wie viel davon an die Gehülfen bei dem großen Unterwerfungs- und Nacheacte vertheilt worden ist, wie viel davon jetzt noch in den Händen der Familien der Belohnten sich befindet, sollte einmal statistisch festgestellt werden, und dann sollte man zum Vergleich die jetzige politische Conduite der gegenwär¬ tigen Besitzer daneben verzeichnen. Es würde einen ganz eignen Anblick ge¬ ben. Leute, die durch die Zertrümmerung der Autonomie Böhmens reich und mächtig geworden sind, für die Wiederaufrichtung dieser Autonomie auftreten zu sehen. In der That, das wäre eine recht eigenthümliche Reaction. Aber man hüte sich, an die Aufrichtigkeit der scheinbar dahin gerichteten Wünsche und Bestrebungen derjenigen unsrer Großgrundbesitzer zu glauben, die mit den Czechen gegen die Verfassung gemeinsame Sache machen. Ihre Reactions¬ gedanken gehen nicht so weit zurück. Ihnen genügt eine Rückkehr zu der Zeit nach 1849, zu einem Oesterreich, wie es ihnen unter Schwarzenberg und Bach blühte. Um dieses vorzubereiten, um den jetzigen politischen Stand des Reichs zu unterwühlen, zu schwächen und im Schwanken zu erhalten, haben sie und die.Ultramontanen sich mit den czechischen Föderalisten verbunden. Wie ihre Väter von Wien aus gegen Prag, so arbeiten sie jetzt von Prag aus gegen die politische und religiöse Entwickelung in Wien. Unsre ultramontanen Kirchenfürsten, die jetzt mit den übrigen reactio- nären Krethi und Plethi Sturm gegen die Verfassung laufen, waren früher keineswegs Föderalisten und Autonomisten. Dieselben Bischöfe, die heute fanatisch Arm in Arm mit den Czechen gehen, erklärten in den Tagen, wo über den Abschluß des Concordats verhandelt wurde, die Sprachendifferenz für eine aufzuhebende Folge des babylonischen Thurmbaues und betonten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/126>, abgerufen am 22.07.2024.