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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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Pfälzer Erhebung" (Literarische Anstalt, Frankfurt). Aber diese Memoiren
unterscheiden sich sehr vortheilhaft von den übrigen gleichartigen Leistungen.
Sie sind schonungslos offen. Sie enthüllen ohne alle Reserve die schwache
und starke Seite dieser Vorgänge, und haben infolge dessen Bamberger man¬
chen Vorwurf der Kampfgenossen von ehedem zugezogen. Aber er hat die
Veröffentlichung nie bereut.

Der Betheiligung Bambergers am Aufstande der Pfalz folgte übrigens
die Strafe auf dem Fuße. Der Assisenhof zu Zweibrücken verurtheilte ihn
in e"nwmaeig.in zum Tode. Das heimathliche Hessen begnügte sich damit,
sechs bis acht Jahre Zuchthaus hinter ihm drein zu erkennen, und zwei
Jahre Gefängniß wegen einer bei der Todtenfeier Robert Blums in Mainz
im November 1848 von ihm gehaltenen Rede, von welcher Bamberger die
Möglichkeit, den Kaiser von Oesterreich beleidigt zu haben, heutzutage nicht
in Abrede stellt. "Da ich mich mit diesen beiden befreundeten Regierungen
niemals darüber einigen konnte, welche dieser Strafen, und wann sie voll¬
streckt werden sollte," erzählte Bamberger zwanzig Jahre später seinen Colle¬
ge" vom Zollparlament bei einem Berliner Fractionsdiner, "so wählte ich
eine Mittelstrafe und verurtheilte mich selbst zu 14 Jahren Bankhaus." Aber
soweit war er jetzt noch lange nicht. Vom Juli bis Oktober 1849 führte er
ein unstetes Flüchtlingswanderleben in Zürich, Bern und Genf; dann ging
er nach London, um dort den entscheidenden Entschluß für seine Zukunft zu
fassen. Heroisch war dieser Entschluß zu nennen, aber entscheidend sollte er
dennoch nicht sein. Bamberger ging nämlich jetzt allen Ernstes daran, sich
zum Eintritt in die englische Rechtsprc.xis vorzubereiten, und studirte zu dem
Ende einige Monate lang auf der Juristenbibliothek des inner templs eng¬
lische Jurisprudenz und besuchte die Gerichtshöfe. Allein auch auf dieser
Bahn kehrte er bald wieder um; weniger deßhalb, weil lange Jahre mühseli¬
ger genußloser Arbeit zu durchlaufen waren, ehe er ans Ziel gelangen konnte,
als vielmehr in der richtigen Ueberzeugung, daß ihm die Möglichkeit, zu einer
unabhängigen Lebensstellung zu gelangen, auf diesem Wege immer im weiten
Felde bleiben werde. "Nach manchen schweren Tagen und Bedenken" --
schreibt er uns -- "entschloß ich mich, ein rascher zum Ziele führendes Hand¬
werk zu erlernen, schnitt eines Morgens meinen Flüchtlingsbart ab, und ging
auf ein Bankcomptoir der City, wo mir verwandtschaftliche Verhältnisse das
anfangs und lange noch recht harte Lehrlingsleben leichter zu machen geeignet
waren. Es ist schwer, mit 26 Jahren noch einmal von vorn anzufangen,
namentlich wenn man den Stolz des deutschen Studirten gegenüber dem
Handlungsdiener hat. Wenn etwas gut war an der Schule ,des Lebens, die
ich durchmachte, so war es die Erfahrung, daß in einem wohlorganisirten
Kaufmannsgehirn nicht unedlere Thätigkeiten vor sich gehen und nicht unde-


Pfälzer Erhebung" (Literarische Anstalt, Frankfurt). Aber diese Memoiren
unterscheiden sich sehr vortheilhaft von den übrigen gleichartigen Leistungen.
Sie sind schonungslos offen. Sie enthüllen ohne alle Reserve die schwache
und starke Seite dieser Vorgänge, und haben infolge dessen Bamberger man¬
chen Vorwurf der Kampfgenossen von ehedem zugezogen. Aber er hat die
Veröffentlichung nie bereut.

Der Betheiligung Bambergers am Aufstande der Pfalz folgte übrigens
die Strafe auf dem Fuße. Der Assisenhof zu Zweibrücken verurtheilte ihn
in e»nwmaeig.in zum Tode. Das heimathliche Hessen begnügte sich damit,
sechs bis acht Jahre Zuchthaus hinter ihm drein zu erkennen, und zwei
Jahre Gefängniß wegen einer bei der Todtenfeier Robert Blums in Mainz
im November 1848 von ihm gehaltenen Rede, von welcher Bamberger die
Möglichkeit, den Kaiser von Oesterreich beleidigt zu haben, heutzutage nicht
in Abrede stellt. „Da ich mich mit diesen beiden befreundeten Regierungen
niemals darüber einigen konnte, welche dieser Strafen, und wann sie voll¬
streckt werden sollte," erzählte Bamberger zwanzig Jahre später seinen Colle¬
ge» vom Zollparlament bei einem Berliner Fractionsdiner, „so wählte ich
eine Mittelstrafe und verurtheilte mich selbst zu 14 Jahren Bankhaus." Aber
soweit war er jetzt noch lange nicht. Vom Juli bis Oktober 1849 führte er
ein unstetes Flüchtlingswanderleben in Zürich, Bern und Genf; dann ging
er nach London, um dort den entscheidenden Entschluß für seine Zukunft zu
fassen. Heroisch war dieser Entschluß zu nennen, aber entscheidend sollte er
dennoch nicht sein. Bamberger ging nämlich jetzt allen Ernstes daran, sich
zum Eintritt in die englische Rechtsprc.xis vorzubereiten, und studirte zu dem
Ende einige Monate lang auf der Juristenbibliothek des inner templs eng¬
lische Jurisprudenz und besuchte die Gerichtshöfe. Allein auch auf dieser
Bahn kehrte er bald wieder um; weniger deßhalb, weil lange Jahre mühseli¬
ger genußloser Arbeit zu durchlaufen waren, ehe er ans Ziel gelangen konnte,
als vielmehr in der richtigen Ueberzeugung, daß ihm die Möglichkeit, zu einer
unabhängigen Lebensstellung zu gelangen, auf diesem Wege immer im weiten
Felde bleiben werde. „Nach manchen schweren Tagen und Bedenken" —
schreibt er uns — „entschloß ich mich, ein rascher zum Ziele führendes Hand¬
werk zu erlernen, schnitt eines Morgens meinen Flüchtlingsbart ab, und ging
auf ein Bankcomptoir der City, wo mir verwandtschaftliche Verhältnisse das
anfangs und lange noch recht harte Lehrlingsleben leichter zu machen geeignet
waren. Es ist schwer, mit 26 Jahren noch einmal von vorn anzufangen,
namentlich wenn man den Stolz des deutschen Studirten gegenüber dem
Handlungsdiener hat. Wenn etwas gut war an der Schule ,des Lebens, die
ich durchmachte, so war es die Erfahrung, daß in einem wohlorganisirten
Kaufmannsgehirn nicht unedlere Thätigkeiten vor sich gehen und nicht unde-


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[0101] Pfälzer Erhebung" (Literarische Anstalt, Frankfurt). Aber diese Memoiren unterscheiden sich sehr vortheilhaft von den übrigen gleichartigen Leistungen. Sie sind schonungslos offen. Sie enthüllen ohne alle Reserve die schwache und starke Seite dieser Vorgänge, und haben infolge dessen Bamberger man¬ chen Vorwurf der Kampfgenossen von ehedem zugezogen. Aber er hat die Veröffentlichung nie bereut. Der Betheiligung Bambergers am Aufstande der Pfalz folgte übrigens die Strafe auf dem Fuße. Der Assisenhof zu Zweibrücken verurtheilte ihn in e»nwmaeig.in zum Tode. Das heimathliche Hessen begnügte sich damit, sechs bis acht Jahre Zuchthaus hinter ihm drein zu erkennen, und zwei Jahre Gefängniß wegen einer bei der Todtenfeier Robert Blums in Mainz im November 1848 von ihm gehaltenen Rede, von welcher Bamberger die Möglichkeit, den Kaiser von Oesterreich beleidigt zu haben, heutzutage nicht in Abrede stellt. „Da ich mich mit diesen beiden befreundeten Regierungen niemals darüber einigen konnte, welche dieser Strafen, und wann sie voll¬ streckt werden sollte," erzählte Bamberger zwanzig Jahre später seinen Colle¬ ge» vom Zollparlament bei einem Berliner Fractionsdiner, „so wählte ich eine Mittelstrafe und verurtheilte mich selbst zu 14 Jahren Bankhaus." Aber soweit war er jetzt noch lange nicht. Vom Juli bis Oktober 1849 führte er ein unstetes Flüchtlingswanderleben in Zürich, Bern und Genf; dann ging er nach London, um dort den entscheidenden Entschluß für seine Zukunft zu fassen. Heroisch war dieser Entschluß zu nennen, aber entscheidend sollte er dennoch nicht sein. Bamberger ging nämlich jetzt allen Ernstes daran, sich zum Eintritt in die englische Rechtsprc.xis vorzubereiten, und studirte zu dem Ende einige Monate lang auf der Juristenbibliothek des inner templs eng¬ lische Jurisprudenz und besuchte die Gerichtshöfe. Allein auch auf dieser Bahn kehrte er bald wieder um; weniger deßhalb, weil lange Jahre mühseli¬ ger genußloser Arbeit zu durchlaufen waren, ehe er ans Ziel gelangen konnte, als vielmehr in der richtigen Ueberzeugung, daß ihm die Möglichkeit, zu einer unabhängigen Lebensstellung zu gelangen, auf diesem Wege immer im weiten Felde bleiben werde. „Nach manchen schweren Tagen und Bedenken" — schreibt er uns — „entschloß ich mich, ein rascher zum Ziele führendes Hand¬ werk zu erlernen, schnitt eines Morgens meinen Flüchtlingsbart ab, und ging auf ein Bankcomptoir der City, wo mir verwandtschaftliche Verhältnisse das anfangs und lange noch recht harte Lehrlingsleben leichter zu machen geeignet waren. Es ist schwer, mit 26 Jahren noch einmal von vorn anzufangen, namentlich wenn man den Stolz des deutschen Studirten gegenüber dem Handlungsdiener hat. Wenn etwas gut war an der Schule ,des Lebens, die ich durchmachte, so war es die Erfahrung, daß in einem wohlorganisirten Kaufmannsgehirn nicht unedlere Thätigkeiten vor sich gehen und nicht unde-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/101>, abgerufen am 22.07.2024.