Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.Ms während der Wiener October-Revolution der deutsch-demokratische Solche Verdienste durften Seiten des "Volkes" nicht unbelohnt bleiben. Ms während der Wiener October-Revolution der deutsch-demokratische Solche Verdienste durften Seiten des „Volkes" nicht unbelohnt bleiben. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0100" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/127496"/> <p xml:id="ID_318"> Ms während der Wiener October-Revolution der deutsch-demokratische<lb/> Congreß in Berlin tagte, wurde Bamberger, nach G. Feins Rücktritt,<lb/> zum Präsidenten desselben gewählt. Natürlich war er während der Jubel¬<lb/> wochen der Revolution ein sehr geübter und beliebter Volksredner geworden,<lb/> und hatte namentlich im Organisiren von Vereinen und Beleben des politi¬<lb/> schen Sinns der ganzen Mainzer Gegend das Seinige redlich gethan. Wirk¬<lb/> lich datirt aus jener Zeit der rege Geist für politisches Leben in der Landbe¬<lb/> völkerung Rheinhessens, der sich trotz der schweren Reactionsjahre und aller<lb/> Wühlereien des katholischen Klerus bis heute so unverdorben national erhalten<lb/> hat, daß aus der Bischofsstadt des Herrn von Ketteler immer nationale Ab¬<lb/> geordnete nach Berlin entsandt werden, und der Herr Erzbischof schon bis<lb/> auf Tauberbischofsheim greifen muß, um einen Sitz im deutschen Parlamente<lb/> zu erhalten.</p><lb/> <p xml:id="ID_319" next="#ID_320"> Solche Verdienste durften Seiten des „Volkes" nicht unbelohnt bleiben.<lb/> Der Abg. Zitz hatte bekanntlich schon vor Übersiedelung des Parlamentes<lb/> nach Stuttgart sein Mandat niedergelegt. Die hessische Regierung war weit<lb/> entfernt, deßhalb etwa eine Nachwahl zu veranstalten; und das Parlament<lb/> war bereits „gesperrt", als das souveräne Volk von Mainz Bamberger an Zitz'<lb/> Stelle wählte. Die Acten dieser sehr zweifelhaften Wahl, zu deren Prüfung es<lb/> infolge der Ungunst der Verhältnisse glücklicherweise nie kam, lagen mit in dem<lb/> Archiv, das der letzte Präsident des Rumpfparlaments, Löwe, als Reichs¬<lb/> kleinod in xartidus inkäelium mit sich herumführte. Indessen waren es we¬<lb/> niger juristische Scrupel, welche den neuen Abgeordneten für Mainz abhielten,<lb/> seinen Sitz in Stuttgart einzunehmen. Er war vielmehr bereits mit Zitz un¬<lb/> ter die Häuptlinge des pfälzischen Aufstandes gegangen, dem er ein organisir-<lb/> tes Hilfscorps zuführte; ohne Hoffnung, nur um das zu thun, was ihm da¬<lb/> mals als Schuldigkeit bei einem letzten Versuch erschien. Diesen Posten im<lb/> Felde mit dem parlamentarischen Sitze zu Stuttgart zu vertauschen, däuchte<lb/> ihm weniger muthvoll, und so harrte er aus bis zuletzt. Der Verlauf des<lb/> pfälzer und badischen Aufstandes ist ja bekannt; wir besitzen von allen Seiten<lb/> interessante Schilderungen darüber. Diejenigen der aufständischen Führer sind<lb/> natürlich mit den herkömmlichen Ausfällen gegen alle übrigen „Generale" der<lb/> Revolutionsarmee gewürzt, gerade wie die verschiedenen „Kriegsgeschichten"<lb/> der französischen Generale der Republik von 1870 und 1871. Am Ende<lb/> aller dieser Darstellungen wird dann dem staunenden Leser der Kriegsplan<lb/> enthüllt, welcher unfehlbar zum Siege geDhrt hätte, wenn nicht die Thorheit<lb/> der Zeitgenossen die Verblendung besessen' hätte, der Weltgeschichte einen an¬<lb/> dern Gang zu geben. Auch Ludwig Bamberger hat seine kurze kriegerische<lb/> Laufbahn geschildert (im Sommer 1849) unter dem Titel: „Erlebnisse aus der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0100]
Ms während der Wiener October-Revolution der deutsch-demokratische
Congreß in Berlin tagte, wurde Bamberger, nach G. Feins Rücktritt,
zum Präsidenten desselben gewählt. Natürlich war er während der Jubel¬
wochen der Revolution ein sehr geübter und beliebter Volksredner geworden,
und hatte namentlich im Organisiren von Vereinen und Beleben des politi¬
schen Sinns der ganzen Mainzer Gegend das Seinige redlich gethan. Wirk¬
lich datirt aus jener Zeit der rege Geist für politisches Leben in der Landbe¬
völkerung Rheinhessens, der sich trotz der schweren Reactionsjahre und aller
Wühlereien des katholischen Klerus bis heute so unverdorben national erhalten
hat, daß aus der Bischofsstadt des Herrn von Ketteler immer nationale Ab¬
geordnete nach Berlin entsandt werden, und der Herr Erzbischof schon bis
auf Tauberbischofsheim greifen muß, um einen Sitz im deutschen Parlamente
zu erhalten.
Solche Verdienste durften Seiten des „Volkes" nicht unbelohnt bleiben.
Der Abg. Zitz hatte bekanntlich schon vor Übersiedelung des Parlamentes
nach Stuttgart sein Mandat niedergelegt. Die hessische Regierung war weit
entfernt, deßhalb etwa eine Nachwahl zu veranstalten; und das Parlament
war bereits „gesperrt", als das souveräne Volk von Mainz Bamberger an Zitz'
Stelle wählte. Die Acten dieser sehr zweifelhaften Wahl, zu deren Prüfung es
infolge der Ungunst der Verhältnisse glücklicherweise nie kam, lagen mit in dem
Archiv, das der letzte Präsident des Rumpfparlaments, Löwe, als Reichs¬
kleinod in xartidus inkäelium mit sich herumführte. Indessen waren es we¬
niger juristische Scrupel, welche den neuen Abgeordneten für Mainz abhielten,
seinen Sitz in Stuttgart einzunehmen. Er war vielmehr bereits mit Zitz un¬
ter die Häuptlinge des pfälzischen Aufstandes gegangen, dem er ein organisir-
tes Hilfscorps zuführte; ohne Hoffnung, nur um das zu thun, was ihm da¬
mals als Schuldigkeit bei einem letzten Versuch erschien. Diesen Posten im
Felde mit dem parlamentarischen Sitze zu Stuttgart zu vertauschen, däuchte
ihm weniger muthvoll, und so harrte er aus bis zuletzt. Der Verlauf des
pfälzer und badischen Aufstandes ist ja bekannt; wir besitzen von allen Seiten
interessante Schilderungen darüber. Diejenigen der aufständischen Führer sind
natürlich mit den herkömmlichen Ausfällen gegen alle übrigen „Generale" der
Revolutionsarmee gewürzt, gerade wie die verschiedenen „Kriegsgeschichten"
der französischen Generale der Republik von 1870 und 1871. Am Ende
aller dieser Darstellungen wird dann dem staunenden Leser der Kriegsplan
enthüllt, welcher unfehlbar zum Siege geDhrt hätte, wenn nicht die Thorheit
der Zeitgenossen die Verblendung besessen' hätte, der Weltgeschichte einen an¬
dern Gang zu geben. Auch Ludwig Bamberger hat seine kurze kriegerische
Laufbahn geschildert (im Sommer 1849) unter dem Titel: „Erlebnisse aus der
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