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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.

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industriellen Lande, wie Sachsen, zu bedeuten hat, nicht vorhanden ge¬
wesen ist.

Wie anders in Preußen, wo die Leitung des Erziehungs- und Unter¬
richtswesens seit langen Zeiten den Händen ausgezeichneter Schulmänner
anvertraut ist, welche nach festen und wohlgeprüften Grundsätzen verfahren.
Wir erinnern beispielsweise an die tiefgreifende und umfassende Wirksamkeit
des Dr. Johann Schulze, einer anregenden, überall die Wissenschaftlichkeit
fördernden, Geist und Leben weckenden Kraft, welcher von dem geistvollen
und kenntnißreichen Staatsminister Freiherrn von Altenstein s1817--1840)
als technischer Rath für das höhere Unterrichtswesen in das Ministerium
berufen wurde und demselben von 1818 bis 185,8 angehörte. In Preußen
nimmt man die Provinzialschulräthe, welche die höheren Schulen in den ein¬
zelnen Provinzen zu beaufsichtigen haben, aus der Reihe der Gymnasial-
directoren und der gegenwärtige Leiter des höheren Schulwesens, Geh. Ober-
Regierungsrath Dr. Wiese ist ein vormaliger Lehrer des Joachimsthalschen
Gymnasiums zu Berlin, ein Mann, der sich durch seine philologische und
pädagogische Tüchtigkeit in der Lehrerwelt einen ehrenvollen Namen erworben
hat. Was dieser Mann für die Hebung und Mehrung der preußischen
Gymnasien und Realschulen, für verbesserte Stellung der Lehrer gethan hat,
davon sind seine höchst lehrreichen Werke über die Geschichte und Statistik,
sowie über die gesetzlichen Grundlagen des preußischen höheren Schulwesens")
ein redendes Zeugniß, und ihm gehört wohl ein guter Theil der warmen
Anerkennung, welche im vorigen Jahre Kaiser Wilhelm dem Cultusminister
von Muster sür den großen Aufschwung der höheren Unterrichtsanstalten
Preußens aussprach.

Warum haben wir nicht auch in Sachsen einen solchen Fachmann im
Cultusministerium, welcher die Bedürfnisse der Schule und der Lehrer aus
eigener Erfahrung kennt; der ihre Leistungen selbständig beurtheilen kann,
der für die möglichste Förderung seines Verwaltungsgebietes das lebhafte
Interesse eines ehemaligen Mitarbeiters mitbringt? Warum haben wir nicht
auch in Sachsen solche officielle Werke über das höhere Schulwesen, welche
auch dem Laien einen gründlichen Einblick in die Verhältnisse gestatten wür¬
den? Der Minister v. Bethmann-Hollweg ließ von 1860 ab das
"Centralblatt für die gesammte Unterrichtsverwaltung in Preußen" heraus-



*) Das höhere Schulwesen in Preußen. Historisch-statistische Darstellung, im
Auftrage des Ministers der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten heraus¬
gegeben von or. L. Wiese, Berlin 18ti4. -- Desselben Werkes Fortsetzung, die Zeit
von >804 bis >8t>8 (>8(i!i, umfassend. Berlin >8<>9. -- Verordnungen und Gesetze sür
die höheren Schulen in Preuße", herausgegeben von I),-. L. Wiese. Erste Abtheilung: Die
Schule. Berlin >8">7. Zweite Abtheilung: Das Lehramt und die Lehrer. Berlin I8t>8. --

industriellen Lande, wie Sachsen, zu bedeuten hat, nicht vorhanden ge¬
wesen ist.

Wie anders in Preußen, wo die Leitung des Erziehungs- und Unter¬
richtswesens seit langen Zeiten den Händen ausgezeichneter Schulmänner
anvertraut ist, welche nach festen und wohlgeprüften Grundsätzen verfahren.
Wir erinnern beispielsweise an die tiefgreifende und umfassende Wirksamkeit
des Dr. Johann Schulze, einer anregenden, überall die Wissenschaftlichkeit
fördernden, Geist und Leben weckenden Kraft, welcher von dem geistvollen
und kenntnißreichen Staatsminister Freiherrn von Altenstein s1817—1840)
als technischer Rath für das höhere Unterrichtswesen in das Ministerium
berufen wurde und demselben von 1818 bis 185,8 angehörte. In Preußen
nimmt man die Provinzialschulräthe, welche die höheren Schulen in den ein¬
zelnen Provinzen zu beaufsichtigen haben, aus der Reihe der Gymnasial-
directoren und der gegenwärtige Leiter des höheren Schulwesens, Geh. Ober-
Regierungsrath Dr. Wiese ist ein vormaliger Lehrer des Joachimsthalschen
Gymnasiums zu Berlin, ein Mann, der sich durch seine philologische und
pädagogische Tüchtigkeit in der Lehrerwelt einen ehrenvollen Namen erworben
hat. Was dieser Mann für die Hebung und Mehrung der preußischen
Gymnasien und Realschulen, für verbesserte Stellung der Lehrer gethan hat,
davon sind seine höchst lehrreichen Werke über die Geschichte und Statistik,
sowie über die gesetzlichen Grundlagen des preußischen höheren Schulwesens")
ein redendes Zeugniß, und ihm gehört wohl ein guter Theil der warmen
Anerkennung, welche im vorigen Jahre Kaiser Wilhelm dem Cultusminister
von Muster sür den großen Aufschwung der höheren Unterrichtsanstalten
Preußens aussprach.

Warum haben wir nicht auch in Sachsen einen solchen Fachmann im
Cultusministerium, welcher die Bedürfnisse der Schule und der Lehrer aus
eigener Erfahrung kennt; der ihre Leistungen selbständig beurtheilen kann,
der für die möglichste Förderung seines Verwaltungsgebietes das lebhafte
Interesse eines ehemaligen Mitarbeiters mitbringt? Warum haben wir nicht
auch in Sachsen solche officielle Werke über das höhere Schulwesen, welche
auch dem Laien einen gründlichen Einblick in die Verhältnisse gestatten wür¬
den? Der Minister v. Bethmann-Hollweg ließ von 1860 ab das
„Centralblatt für die gesammte Unterrichtsverwaltung in Preußen" heraus-



*) Das höhere Schulwesen in Preußen. Historisch-statistische Darstellung, im
Auftrage des Ministers der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten heraus¬
gegeben von or. L. Wiese, Berlin 18ti4. — Desselben Werkes Fortsetzung, die Zeit
von >804 bis >8t>8 (>8(i!i, umfassend. Berlin >8<>9. — Verordnungen und Gesetze sür
die höheren Schulen in Preuße», herausgegeben von I),-. L. Wiese. Erste Abtheilung: Die
Schule. Berlin >8«>7. Zweite Abtheilung: Das Lehramt und die Lehrer. Berlin I8t>8. —
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[0096] industriellen Lande, wie Sachsen, zu bedeuten hat, nicht vorhanden ge¬ wesen ist. Wie anders in Preußen, wo die Leitung des Erziehungs- und Unter¬ richtswesens seit langen Zeiten den Händen ausgezeichneter Schulmänner anvertraut ist, welche nach festen und wohlgeprüften Grundsätzen verfahren. Wir erinnern beispielsweise an die tiefgreifende und umfassende Wirksamkeit des Dr. Johann Schulze, einer anregenden, überall die Wissenschaftlichkeit fördernden, Geist und Leben weckenden Kraft, welcher von dem geistvollen und kenntnißreichen Staatsminister Freiherrn von Altenstein s1817—1840) als technischer Rath für das höhere Unterrichtswesen in das Ministerium berufen wurde und demselben von 1818 bis 185,8 angehörte. In Preußen nimmt man die Provinzialschulräthe, welche die höheren Schulen in den ein¬ zelnen Provinzen zu beaufsichtigen haben, aus der Reihe der Gymnasial- directoren und der gegenwärtige Leiter des höheren Schulwesens, Geh. Ober- Regierungsrath Dr. Wiese ist ein vormaliger Lehrer des Joachimsthalschen Gymnasiums zu Berlin, ein Mann, der sich durch seine philologische und pädagogische Tüchtigkeit in der Lehrerwelt einen ehrenvollen Namen erworben hat. Was dieser Mann für die Hebung und Mehrung der preußischen Gymnasien und Realschulen, für verbesserte Stellung der Lehrer gethan hat, davon sind seine höchst lehrreichen Werke über die Geschichte und Statistik, sowie über die gesetzlichen Grundlagen des preußischen höheren Schulwesens") ein redendes Zeugniß, und ihm gehört wohl ein guter Theil der warmen Anerkennung, welche im vorigen Jahre Kaiser Wilhelm dem Cultusminister von Muster sür den großen Aufschwung der höheren Unterrichtsanstalten Preußens aussprach. Warum haben wir nicht auch in Sachsen einen solchen Fachmann im Cultusministerium, welcher die Bedürfnisse der Schule und der Lehrer aus eigener Erfahrung kennt; der ihre Leistungen selbständig beurtheilen kann, der für die möglichste Förderung seines Verwaltungsgebietes das lebhafte Interesse eines ehemaligen Mitarbeiters mitbringt? Warum haben wir nicht auch in Sachsen solche officielle Werke über das höhere Schulwesen, welche auch dem Laien einen gründlichen Einblick in die Verhältnisse gestatten wür¬ den? Der Minister v. Bethmann-Hollweg ließ von 1860 ab das „Centralblatt für die gesammte Unterrichtsverwaltung in Preußen" heraus- *) Das höhere Schulwesen in Preußen. Historisch-statistische Darstellung, im Auftrage des Ministers der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten heraus¬ gegeben von or. L. Wiese, Berlin 18ti4. — Desselben Werkes Fortsetzung, die Zeit von >804 bis >8t>8 (>8(i!i, umfassend. Berlin >8<>9. — Verordnungen und Gesetze sür die höheren Schulen in Preuße», herausgegeben von I),-. L. Wiese. Erste Abtheilung: Die Schule. Berlin >8«>7. Zweite Abtheilung: Das Lehramt und die Lehrer. Berlin I8t>8. —

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_192299/96>, abgerufen am 05.02.2025.