Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.ihrem Fache die Frage abliegt, und dann wird das Resultat meistens aus S) Auf ihrem Lehrerkörper beruht die ganze Universität. Gedeihen oder ihrem Fache die Frage abliegt, und dann wird das Resultat meistens aus S) Auf ihrem Lehrerkörper beruht die ganze Universität. Gedeihen oder <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0053" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192353"/> <p xml:id="ID_189" prev="#ID_188"> ihrem Fache die Frage abliegt, und dann wird das Resultat meistens aus<lb/> persönlichen Rücksichten gebildet, oder aber der vielleicht einzige Vertreter einer<lb/> Wissenschaft herrscht in seinem Gebiete souverän und die Facultät ist nur das<lb/> Sprachrohr dieses Einzelnen. Gerade dies letztere pflegt bei Facultäten, die<lb/> wenig Veränderungen in ihrem Bestände erleiden, allmälig usus zu werden.<lb/> Uns ergibt sich, daß rationell und empfehlenswert!) nur diejenige Verbindung<lb/> von Wissenschaften ist, bei welcher alle einzelnen Disciplinen in einem solchen<lb/> Ganzen irgend welche Verwandtschaft oder Beziehung zu einander haben. Die<lb/> einzelnen Glieder einer Facultät müssen für die Fragen, in denen sie oft<lb/> wichtige Entscheidungen zu treffen haben, irgend ein Verständniß besitzen<lb/> und dürfen nicht täglich in die Lage gebracht werden, in Dingen zu urtheilen,<lb/> von denen sie nichts oder so gut wie nichts verstehen. Gegen diese an dem<lb/> wissenschaftlichen Gewissen einzelner Universitätslehrer fortwährend ausgeübte<lb/> Nothzucht kann die Tradition der Universitäten kaum ein Gewicht ausüben.<lb/> Tief würden wir beklagen, wenn eine philosophische Facultät in der Zu¬<lb/> sammensetzung der preußischen Universitäten in Straßburg neu geschaffen wer¬<lb/> den sollte. Was wir positiv empfehlen würden, ist dies: die sogenannten<lb/> cameral istischen Fächer reihe man in die juristische Facultät ein. Die<lb/> cameralistischen Studenten sind doch grösztentheils, fast ausschließlich Juristen:<lb/> den Lehrern der Staatswissenschaften wird es nichts schaden, wenn sie ge¬<lb/> nöthigt sind, die Beziehungen zur Jurisprudenz zu pflegen und ebenso wenig<lb/> den Juristen das Einströmen staatswissenschaftlicher Dinge in ihre mit be¬<lb/> sonderem Behagen festgehaltene civilrechtliche Anschauungsweise Schaden brin¬<lb/> gen. Man bilde sodann eine naturwissenschaftliche und eine philoso¬<lb/> phische Facultät im engeren Sinne, in welcher die verschiedenen Zweige der<lb/> Sprachwissenschaften und der Philologie, Geschichte und Philosophie zu ver¬<lb/> bleiben haben. Erfahrungen liegen für eine solche Scheidung heute schon vor<lb/> von Tübingen, Dorpat und in eingeschränkterem Sinne auch von Zürich.<lb/> Die Bildung besonderer staatswissenschaftlicher Facultäten erscheint uns über¬<lb/> flüssig. Wir hoffen, daß es nicht allzu lange dauern wird, bis auf sämmt¬<lb/> lichen deutschen Hochschulen nach der angedeuteten Richtung die philosophische<lb/> Facultät aus einander gesprengt ist. Wir reden nicht einer gewaltsamen Maßregel<lb/> das Wort, wir wünschen auch diese Gestaltung unseren Universitäten selbst<lb/> zu überlassen, — nur das möchten wir erbitten, daß offenbar unzweckmäßige<lb/> Einrichtungen in Straßburg nicht erst neu eingeführt werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_190" next="#ID_191"> S) Auf ihrem Lehrerkörper beruht die ganze Universität. Gedeihen oder<lb/> Stillstand oder Verfall hängt davon ab, daß fortwährend und ohne Unter¬<lb/> brechung ungeschwächt die Tüchtigkeit des Lehrerpersonales aufrecht erhalten<lb/> werde. Die Persönlichkeiten der Professoren entscheiden über die Universität.<lb/> Und gerade die Frage, auf welchem Wege verschafft man einer Universität</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0053]
ihrem Fache die Frage abliegt, und dann wird das Resultat meistens aus
persönlichen Rücksichten gebildet, oder aber der vielleicht einzige Vertreter einer
Wissenschaft herrscht in seinem Gebiete souverän und die Facultät ist nur das
Sprachrohr dieses Einzelnen. Gerade dies letztere pflegt bei Facultäten, die
wenig Veränderungen in ihrem Bestände erleiden, allmälig usus zu werden.
Uns ergibt sich, daß rationell und empfehlenswert!) nur diejenige Verbindung
von Wissenschaften ist, bei welcher alle einzelnen Disciplinen in einem solchen
Ganzen irgend welche Verwandtschaft oder Beziehung zu einander haben. Die
einzelnen Glieder einer Facultät müssen für die Fragen, in denen sie oft
wichtige Entscheidungen zu treffen haben, irgend ein Verständniß besitzen
und dürfen nicht täglich in die Lage gebracht werden, in Dingen zu urtheilen,
von denen sie nichts oder so gut wie nichts verstehen. Gegen diese an dem
wissenschaftlichen Gewissen einzelner Universitätslehrer fortwährend ausgeübte
Nothzucht kann die Tradition der Universitäten kaum ein Gewicht ausüben.
Tief würden wir beklagen, wenn eine philosophische Facultät in der Zu¬
sammensetzung der preußischen Universitäten in Straßburg neu geschaffen wer¬
den sollte. Was wir positiv empfehlen würden, ist dies: die sogenannten
cameral istischen Fächer reihe man in die juristische Facultät ein. Die
cameralistischen Studenten sind doch grösztentheils, fast ausschließlich Juristen:
den Lehrern der Staatswissenschaften wird es nichts schaden, wenn sie ge¬
nöthigt sind, die Beziehungen zur Jurisprudenz zu pflegen und ebenso wenig
den Juristen das Einströmen staatswissenschaftlicher Dinge in ihre mit be¬
sonderem Behagen festgehaltene civilrechtliche Anschauungsweise Schaden brin¬
gen. Man bilde sodann eine naturwissenschaftliche und eine philoso¬
phische Facultät im engeren Sinne, in welcher die verschiedenen Zweige der
Sprachwissenschaften und der Philologie, Geschichte und Philosophie zu ver¬
bleiben haben. Erfahrungen liegen für eine solche Scheidung heute schon vor
von Tübingen, Dorpat und in eingeschränkterem Sinne auch von Zürich.
Die Bildung besonderer staatswissenschaftlicher Facultäten erscheint uns über¬
flüssig. Wir hoffen, daß es nicht allzu lange dauern wird, bis auf sämmt¬
lichen deutschen Hochschulen nach der angedeuteten Richtung die philosophische
Facultät aus einander gesprengt ist. Wir reden nicht einer gewaltsamen Maßregel
das Wort, wir wünschen auch diese Gestaltung unseren Universitäten selbst
zu überlassen, — nur das möchten wir erbitten, daß offenbar unzweckmäßige
Einrichtungen in Straßburg nicht erst neu eingeführt werden.
S) Auf ihrem Lehrerkörper beruht die ganze Universität. Gedeihen oder
Stillstand oder Verfall hängt davon ab, daß fortwährend und ohne Unter¬
brechung ungeschwächt die Tüchtigkeit des Lehrerpersonales aufrecht erhalten
werde. Die Persönlichkeiten der Professoren entscheiden über die Universität.
Und gerade die Frage, auf welchem Wege verschafft man einer Universität
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |