Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.befürworten nun nicht, die Vorlesung über römischen Civilprozeß wegfallen Zu den seitherigen Ausstellungen gegen unseren Rechtsunterricht müssen Für Sachsen ist das leider durchaus nicht "stark", da sich das engere Vaterland der
Grenzlwten bekanntlich noch der Erläuterten Proceßordmma, von 1,724 und anderer mittelalter¬ D. Red. licher Proceßgesche erfreut. befürworten nun nicht, die Vorlesung über römischen Civilprozeß wegfallen Zu den seitherigen Ausstellungen gegen unseren Rechtsunterricht müssen Für Sachsen ist das leider durchaus nicht „stark", da sich das engere Vaterland der
Grenzlwten bekanntlich noch der Erläuterten Proceßordmma, von 1,724 und anderer mittelalter¬ D. Red. licher Proceßgesche erfreut. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0474" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192775"/> <p xml:id="ID_1727" prev="#ID_1726"> befürworten nun nicht, die Vorlesung über römischen Civilprozeß wegfallen<lb/> zu lassen, da dieselbe für das Verständniß der Entwickelung des römischen<lb/> Privatrechts gerade in ihrer glänzendsten Periode unumgänglich nothwendig<lb/> ist, aber wir vertreten die Ansicht, daß der römische Civilprozeß am Geeig¬<lb/> netsten dann gehört wird, wenn die Vorlesung über die allgemeinen Civil¬<lb/> prozeß-Lehren vorausgegangen ist. Doch bedarf auch diese Vorlesung dringend<lb/> der Reform. Der Verfasser obiger Aufsätze fragt mit Recht, wo denn der<lb/> „gemeine deutsche Civilprozeß" eigentlich zu Hause ist? Jawohl ist er glück¬<lb/> licherweise von der fortschreitenden Zeit fast überall beseitigt, dennoch aber<lb/> wird er in unseren Hörsälen noch mit aller Breite und Behaglichkeit vorgetragen,<lb/> so als ob sich auf diesem Felde seit hundert Jahren nicht das Mindeste ge¬<lb/> ändert hätte. Es ist wahrlich stark, wenn da alljährlich den Rechtscandidaten<lb/> vordocirt wird, wie zu den „Grundsätzen" des Civilprozesses die „Schriftlich-<lb/> keit"^), die „Heimlichkeit", die „drei Instanzen" gehören, wie da mit aller<lb/> Salbung, als könnte es gar nicht anders sein, die allen gesunden Menschen¬<lb/> verstand beleidigende formelle Beweistheorie mit ihren „ganzen," „halben."<lb/> „weniger als halben" Beweisen entwickelt wird, — eine Theorie, welche den<lb/> Richter zur Rechenmaschine herabwürdigt, und welcher nichts unzulässiger er¬<lb/> scheint, als das freie menschliche Urtheilen des Richters. Für gewisse Prozehlehrer<lb/> scheinen freilich Meisterwerke, wie das von Zink, die Ermittelung des Sach¬<lb/> verhalts ze. (München 1860) nicht geschrieben zu sein. Wohl mag man die<lb/> Vorlesung über „gemeinen deutschen Civilprozeß" beibehalten, in dem betreffen¬<lb/> den Vortrage die allgemeinen Prozeßlehren behandeln, sonst aber ebenso der<lb/> Kritik wie der Vergleichung mit anderen Prozeßordnungen, deutschen und<lb/> außerdeutschen, allen Raum geben, —</p><lb/> <p xml:id="ID_1728" next="#ID_1729"> Zu den seitherigen Ausstellungen gegen unseren Rechtsunterricht müssen<lb/> wir noch die fügen: er ist zu ausschließlich theoretisch und zu wenig praktisch.<lb/> Freilich ist von vornherein die Lage eines juristischen Professors viel ungün¬<lb/> stiger wie die eines medicinischen. Der letztere genießt den ungeheuren Vor¬<lb/> theil, die von ihm zu vertretende Theorie sofort auch der schwächsten Fassungs¬<lb/> kraft greifbar demonstriren zu können, Muskeln, Bänder, Nerven ze. liegen<lb/> auf das Schönste präparirt vor dem Katheder; der juristische Professor da¬<lb/> gegen sieht sich darauf beschränkt, seinen Zuhörern nichts als Regeln, Be¬<lb/> griffe, und Consequenzen aus diesen vorzutragen; was aber mit dem Allem im<lb/> einzelnen Falle anzufangen, wie da das Verschiedenste, im „System" Auseinander¬<lb/> liegende zu combiniren ist, dies lernt der Studiosus aus dem fortlaufenden,</p><lb/> <note xml:id="FID_38" place="foot"> Für Sachsen ist das leider durchaus nicht „stark", da sich das engere Vaterland der<lb/> Grenzlwten bekanntlich noch der Erläuterten Proceßordmma, von 1,724 und anderer mittelalter¬<lb/><note type="byline"> D. Red.</note> licher Proceßgesche erfreut. </note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0474]
befürworten nun nicht, die Vorlesung über römischen Civilprozeß wegfallen
zu lassen, da dieselbe für das Verständniß der Entwickelung des römischen
Privatrechts gerade in ihrer glänzendsten Periode unumgänglich nothwendig
ist, aber wir vertreten die Ansicht, daß der römische Civilprozeß am Geeig¬
netsten dann gehört wird, wenn die Vorlesung über die allgemeinen Civil¬
prozeß-Lehren vorausgegangen ist. Doch bedarf auch diese Vorlesung dringend
der Reform. Der Verfasser obiger Aufsätze fragt mit Recht, wo denn der
„gemeine deutsche Civilprozeß" eigentlich zu Hause ist? Jawohl ist er glück¬
licherweise von der fortschreitenden Zeit fast überall beseitigt, dennoch aber
wird er in unseren Hörsälen noch mit aller Breite und Behaglichkeit vorgetragen,
so als ob sich auf diesem Felde seit hundert Jahren nicht das Mindeste ge¬
ändert hätte. Es ist wahrlich stark, wenn da alljährlich den Rechtscandidaten
vordocirt wird, wie zu den „Grundsätzen" des Civilprozesses die „Schriftlich-
keit"^), die „Heimlichkeit", die „drei Instanzen" gehören, wie da mit aller
Salbung, als könnte es gar nicht anders sein, die allen gesunden Menschen¬
verstand beleidigende formelle Beweistheorie mit ihren „ganzen," „halben."
„weniger als halben" Beweisen entwickelt wird, — eine Theorie, welche den
Richter zur Rechenmaschine herabwürdigt, und welcher nichts unzulässiger er¬
scheint, als das freie menschliche Urtheilen des Richters. Für gewisse Prozehlehrer
scheinen freilich Meisterwerke, wie das von Zink, die Ermittelung des Sach¬
verhalts ze. (München 1860) nicht geschrieben zu sein. Wohl mag man die
Vorlesung über „gemeinen deutschen Civilprozeß" beibehalten, in dem betreffen¬
den Vortrage die allgemeinen Prozeßlehren behandeln, sonst aber ebenso der
Kritik wie der Vergleichung mit anderen Prozeßordnungen, deutschen und
außerdeutschen, allen Raum geben, —
Zu den seitherigen Ausstellungen gegen unseren Rechtsunterricht müssen
wir noch die fügen: er ist zu ausschließlich theoretisch und zu wenig praktisch.
Freilich ist von vornherein die Lage eines juristischen Professors viel ungün¬
stiger wie die eines medicinischen. Der letztere genießt den ungeheuren Vor¬
theil, die von ihm zu vertretende Theorie sofort auch der schwächsten Fassungs¬
kraft greifbar demonstriren zu können, Muskeln, Bänder, Nerven ze. liegen
auf das Schönste präparirt vor dem Katheder; der juristische Professor da¬
gegen sieht sich darauf beschränkt, seinen Zuhörern nichts als Regeln, Be¬
griffe, und Consequenzen aus diesen vorzutragen; was aber mit dem Allem im
einzelnen Falle anzufangen, wie da das Verschiedenste, im „System" Auseinander¬
liegende zu combiniren ist, dies lernt der Studiosus aus dem fortlaufenden,
Für Sachsen ist das leider durchaus nicht „stark", da sich das engere Vaterland der
Grenzlwten bekanntlich noch der Erläuterten Proceßordmma, von 1,724 und anderer mittelalter¬
D. Red. licher Proceßgesche erfreut.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |