Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.Seite: wiederum war Hütten einer der ersten und entschlossensten der Huma¬ So war man 1520 am Vorabende einer großen nationalen Entscheidung Allerdings lagen schon einzelne Anzeichen dafür vor, daß Karl in der Grcnzl'oder II. 1871. 127
Seite: wiederum war Hütten einer der ersten und entschlossensten der Huma¬ So war man 1520 am Vorabende einer großen nationalen Entscheidung Allerdings lagen schon einzelne Anzeichen dafür vor, daß Karl in der Grcnzl'oder II. 1871. 127
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Seite: wiederum war Hütten einer der ersten und entschlossensten der Huma¬
nisten, die sich neben Luther stellten. Vom Herbste 1319 bis ins Frühjahr
1521 entfaltete jetzt Hütten eine fast unglaubliche Rührigkeit und Thätigkeit.
Schlagfertig und geschickt verwerthete er die alten und die neuen Waffen im
Streite wider Rom: Niemand war besser und schneller im Stande, das neue
Evangelium in praktische Sätze zu kleiden, es den Massen mundgereckt zu
machen und die religiöse Bewegung für die Sache der allgemeinen Revolution
zu benutzen. Die weltlichen oder nationalen Momente der Opposition gegen
das Bestehende fügte er recht erfolgreich hinzu zu dem religiösen Gefühlsim¬
pulse, dem Luther in einer niemals übertroffenen Weise Ausdruck gegeben, Und
auch Luther lernte von Hütten. Daß der radicale Ton in Luthers Schriften
aus dem Jahre 1520 vielfach auf Huttens Borbild und Hultens Einwirkung
zurückgeführt werden muß, das kann heute keinem Zweifel mehr unterliegen.
Und auch das dürfte nicht in Frage gestellt werden, daß gerade damit Luther
auf das deutsche Volk seine große Wirkung erzielt, daß er gerade durch die
Verbindung des oppositionellen und nationalen Zuges mit dem religiösen
Elemente, wie sie in den Schriften dieses Jahres 1520 zu Tage kommt, seine
Popularität sich errungen und seinen Anhang allenthalben durch die deutschen
Lande vermehrt hat.
So war man 1520 am Vorabende einer großen nationalen Entscheidung
angelangt. Ein Mann wie Hütten konnte im Vollgefühle so großer Dinge
schwelgen, er durfte jubeln: „es ist eine-Freude zu leben!" Mächtig war die
Bewegung, der er diente, angewachsen; stets neue Zuflüsse schwellten ihren
Strom, — und an Hoffnungen mangelte es nicht, daß der deutsche Kaiser
selbst sich und sein Schifflein diesen Fluthen anvertrauen werde. Welch ein
Moment! Auf den neuen Herrscher, Karl V., setzte man noch die Erwartung,
daß er die Sache der allgemeinen Reform der deutschen Angelegenheiten in die
Hand nehmen wolle. Zu seiner Erhebung auf den Thron von Deutschland,
in! Juni 1519, hatte ja gerade der populäre Trieb nicht unwesentlich mitge¬
wirkt; wer und welche Richtung sein junges Leben führen werde, war damals
"och nicht ausgemacht; und gerade weil seiner auswärtigen Politik große und
schwierige Aufgaben gestellt zu sein schienen, gerade deshalb konnte man den-
^'n, er würde den nationalen Parteiwünschen sich fügen. Auf dem ersten
NmlMag, der in den ersten Monaten des Jahres 1521 in Worms zusam¬
menkam, mußte die Situation sich klären.
Allerdings lagen schon einzelne Anzeichen dafür vor, daß Karl in der
Religiösen Angelegenheit nicht Luther's Programm von 1520 realisiren wolle,
^le officielle Kirche und das Papstthum hatten Luther natürlich schon ver¬
worfen: von dieser Seite drohte Luther sowohl als seinen Anhängern und
Grossen das Schlimmste. Aber nach dieser Seite neigte sich auch, soviel man
Grcnzl'oder II. 1871. 127
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