Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.die politische Nothwendigkeit seiner Lage sich gefügt und eine an Deutschland Man sollte in Deutschland sich den inneren Wirren Oestreichs gegenüber Wir wiederholen, die Parteiungen in Oestreich gehen uns Deutsche gar die politische Nothwendigkeit seiner Lage sich gefügt und eine an Deutschland Man sollte in Deutschland sich den inneren Wirren Oestreichs gegenüber Wir wiederholen, die Parteiungen in Oestreich gehen uns Deutsche gar <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0046" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192346"/> <p xml:id="ID_170" prev="#ID_169"> die politische Nothwendigkeit seiner Lage sich gefügt und eine an Deutschland<lb/> sich anschließende Friedenspolitik sich erwählt/— weßhalb sollte Gras Hohen-<lb/> wart zur Befriedigung czechischer und polnischer Frondeurs mit uns Händel<lb/> suchen müssen? Die Wiener Parteipresse mag dies behaupten; — für uns<lb/> ist dies kein Grund es zu glauben, — Ja, aber die ultramontanen Ten¬<lb/> denzen Hohenwart's? Gewiß, daran zweifeln wir keine Secunde, das steht<lb/> auch für uns fest: heute sind die Feinde Deutschlands, nachdem die Schwarz-<lb/> Gelben zur Zeit nichts wider uns unternehmen können, vornehmlich in den<lb/> Schwarzen und in den Rothen zu sehen. In ganz Europa werden die Re¬<lb/> publikaner und die Ultramontanen bei jeder Schwierigkeit, die uns in den<lb/> Weg tritt, aufjubeln und ihre Gesinnungsgenossen im Inneren Deutschlands<lb/> so viel als möglich unterstützen. Wir geben auch das Weitere zu: Die Ultra¬<lb/> montanen sind uns weit gefährlicher als die Republikaner. Aber aus allen<lb/> diesen Voraussetzungen ziehen wir doch nicht den Schluß, daß das Ministe¬<lb/> rium Hohenwart mit seinen ultramontanen Verbündeten einen Feldzug gegen<lb/> uns in nächster Zeit zu unternehmen beabsichtige oder in diesem Sinne die<lb/> auswärtige Politik des Gesammtreiches zu beeinflussen Lust hätte. Auch in<lb/> dieser Beziehung halten wir an dem Satze fest — den wir aus der Betrach¬<lb/> tung der Geschichte als Erfahrungssatz gewonnen haben — daß nicht die<lb/> Sympathien, sondern die Interessen über die auswärtige Politik eines Staa¬<lb/> tes entscheiden. Die Lage, welche so mächtig war, selbst den Grafen Beust<lb/> uns gegenüber zum Friedensapostel zu bekehren, dieselbe Lage wird auch den<lb/> Grafen Hohenwart trotz aller ultramontanen Allianzen seiner inneren Politik<lb/> zur Ruhe nach außen zwingen.</p><lb/> <p xml:id="ID_171"> Man sollte in Deutschland sich den inneren Wirren Oestreichs gegenüber<lb/> eine Lehre ziehen aus dem Verhalten der Ungarn. Freilich nicht einzig aus<lb/> den erlogenen und gefärbten Berichten der Wiener Presse darf man hier die<lb/> Aufklärung über den Thatbestand schöpfen wollen. Vor uns liegt ein Be¬<lb/> richt, welcher der Kölnischen Zeitung darüber zugegangen ist (Ur. 270<lb/> vom 29. September, 2tes Blatt). Wir haben allen Grund, ihn als unbe¬<lb/> fangen und richtig anzusehen. Darnach behalten die Ungarn vor der Hand<lb/> sich eine zuwartende Stellung vor; sie glauben sich nicht berechtigt, die Action<lb/> des Grasen Hohenwart zu hindern, so lange er sich in dem Nahmen des<lb/> dualistischen Ausgleiches von 1866 bewege. Für die Ungarn sind nicht ihre<lb/> Sympathien, con'stitutionelle oder absolutistische, sondern ihre ungarischen In¬<lb/> teressen allein maßgebend. Und werden diese nicht berührt (wir sahen bis<lb/> jetzt keinen Beweis für die Wiener Insinuationen, daß daran gerüttelt wer¬<lb/> den sollte; wir können uns sehr wohl vorstellen, daß dieselben aufrecht bleiben),<lb/> so liegt für die Ungarn kein Grund zu irgend welcher Parteinahme bei den<lb/> cisleithanischen Kämpfen vor. Das ist praktische Politik. Wir verstehen,<lb/> wie den Ungarn möglich geworden, ihre Wünsche in solchem Umfange<lb/> 1867 durchzusetzen. Unsere deutsche Presse könnte viel, sehr viel von dieser<lb/> kühlen realistischen Behandlung schwebender Fragen lernen.</p><lb/> <p xml:id="ID_172"> Wir wiederholen, die Parteiungen in Oestreich gehen uns Deutsche gar<lb/> nichts an. Unser Interesse ist völlig zufriedengestellt, wenn Oestreich als<lb/> Ganzes in den Bahnen ausharrt, die in Gastein'und Salzburg eingeschlagen<lb/> sind. Wie im Innern die Oestreicher sich einrichten, ist ihre Sache: mögen<lb/> sie sehen, wie sie mit einander fertig werden. Und wenn unsere Tagespresse<lb/> die Politik des deutschen Reiches fördern und die öffentliche Meinung auf¬<lb/> klären und leiten will, so möge sie dem hier ausgesprochenen Gedanken auch<lb/> bisweilen Ausdruck verleihen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0046]
die politische Nothwendigkeit seiner Lage sich gefügt und eine an Deutschland
sich anschließende Friedenspolitik sich erwählt/— weßhalb sollte Gras Hohen-
wart zur Befriedigung czechischer und polnischer Frondeurs mit uns Händel
suchen müssen? Die Wiener Parteipresse mag dies behaupten; — für uns
ist dies kein Grund es zu glauben, — Ja, aber die ultramontanen Ten¬
denzen Hohenwart's? Gewiß, daran zweifeln wir keine Secunde, das steht
auch für uns fest: heute sind die Feinde Deutschlands, nachdem die Schwarz-
Gelben zur Zeit nichts wider uns unternehmen können, vornehmlich in den
Schwarzen und in den Rothen zu sehen. In ganz Europa werden die Re¬
publikaner und die Ultramontanen bei jeder Schwierigkeit, die uns in den
Weg tritt, aufjubeln und ihre Gesinnungsgenossen im Inneren Deutschlands
so viel als möglich unterstützen. Wir geben auch das Weitere zu: Die Ultra¬
montanen sind uns weit gefährlicher als die Republikaner. Aber aus allen
diesen Voraussetzungen ziehen wir doch nicht den Schluß, daß das Ministe¬
rium Hohenwart mit seinen ultramontanen Verbündeten einen Feldzug gegen
uns in nächster Zeit zu unternehmen beabsichtige oder in diesem Sinne die
auswärtige Politik des Gesammtreiches zu beeinflussen Lust hätte. Auch in
dieser Beziehung halten wir an dem Satze fest — den wir aus der Betrach¬
tung der Geschichte als Erfahrungssatz gewonnen haben — daß nicht die
Sympathien, sondern die Interessen über die auswärtige Politik eines Staa¬
tes entscheiden. Die Lage, welche so mächtig war, selbst den Grafen Beust
uns gegenüber zum Friedensapostel zu bekehren, dieselbe Lage wird auch den
Grafen Hohenwart trotz aller ultramontanen Allianzen seiner inneren Politik
zur Ruhe nach außen zwingen.
Man sollte in Deutschland sich den inneren Wirren Oestreichs gegenüber
eine Lehre ziehen aus dem Verhalten der Ungarn. Freilich nicht einzig aus
den erlogenen und gefärbten Berichten der Wiener Presse darf man hier die
Aufklärung über den Thatbestand schöpfen wollen. Vor uns liegt ein Be¬
richt, welcher der Kölnischen Zeitung darüber zugegangen ist (Ur. 270
vom 29. September, 2tes Blatt). Wir haben allen Grund, ihn als unbe¬
fangen und richtig anzusehen. Darnach behalten die Ungarn vor der Hand
sich eine zuwartende Stellung vor; sie glauben sich nicht berechtigt, die Action
des Grasen Hohenwart zu hindern, so lange er sich in dem Nahmen des
dualistischen Ausgleiches von 1866 bewege. Für die Ungarn sind nicht ihre
Sympathien, con'stitutionelle oder absolutistische, sondern ihre ungarischen In¬
teressen allein maßgebend. Und werden diese nicht berührt (wir sahen bis
jetzt keinen Beweis für die Wiener Insinuationen, daß daran gerüttelt wer¬
den sollte; wir können uns sehr wohl vorstellen, daß dieselben aufrecht bleiben),
so liegt für die Ungarn kein Grund zu irgend welcher Parteinahme bei den
cisleithanischen Kämpfen vor. Das ist praktische Politik. Wir verstehen,
wie den Ungarn möglich geworden, ihre Wünsche in solchem Umfange
1867 durchzusetzen. Unsere deutsche Presse könnte viel, sehr viel von dieser
kühlen realistischen Behandlung schwebender Fragen lernen.
Wir wiederholen, die Parteiungen in Oestreich gehen uns Deutsche gar
nichts an. Unser Interesse ist völlig zufriedengestellt, wenn Oestreich als
Ganzes in den Bahnen ausharrt, die in Gastein'und Salzburg eingeschlagen
sind. Wie im Innern die Oestreicher sich einrichten, ist ihre Sache: mögen
sie sehen, wie sie mit einander fertig werden. Und wenn unsere Tagespresse
die Politik des deutschen Reiches fördern und die öffentliche Meinung auf¬
klären und leiten will, so möge sie dem hier ausgesprochenen Gedanken auch
bisweilen Ausdruck verleihen.
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