Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.Nation frei zu machen, das wurde sein Schlachtruf. In den Ereignissen und Hütten ist in den Schriften dieser Periode für uns der glücklichste und Strauß hat Inhalt und Tragweite dieser Schriften gut entwickelt und Ueberhaupt, aus keiner der vielen Darstellungen jener Jahre 1519 bis Nation frei zu machen, das wurde sein Schlachtruf. In den Ereignissen und Hütten ist in den Schriften dieser Periode für uns der glücklichste und Strauß hat Inhalt und Tragweite dieser Schriften gut entwickelt und Ueberhaupt, aus keiner der vielen Darstellungen jener Jahre 1519 bis <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0459" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192760"/> <p xml:id="ID_1668" prev="#ID_1667"> Nation frei zu machen, das wurde sein Schlachtruf. In den Ereignissen und<lb/> in den Schriften der Jahre 1516, 1617, 1518 hatte sich dies Programm<lb/> Hutten's ausgebildet und entwickelt: es zu verwirklichen, versuchte er auf<lb/> mächtige Persönlichkeiten der officiellen Welt sich Einfluß zu verschaffen. Nicht<lb/> selbst zur Leitung einer politischen und nationalen Action hielt Hütten in<lb/> erster Linie sich für geeignet: seine Aufgabe schien vielmehr, einmal die öf¬<lb/> fentliche Meinung zu bearbeiten oder erst zu schaffen, und dann geeignete<lb/> Persönlichkeiten zur nationalen That aufzufinden, anzuspornen, vielleicht auch<lb/> zu leiten: auf den Erzbischof-Kurfürst Albrecht von Mainz, und nachher auf<lb/> den Ritter Franz von Sickingen hatte er es dabei abgesehen: ja durch sie<lb/> hoffte er endlich zu dem Träger der Kaiserkrone sich einen Zugang zu eröff¬<lb/> nen. Konnte er in dieser indirecten Weise die höchste Vertretung der deut¬<lb/> schen Nation mit seinem nationalen Gedanken inspiriren, — dann in der<lb/> That wäre sein kühnstes Hoffen erfüllt, und seines Lebens Inhalt einer der<lb/> ehrenvollsten Ausschnitte unserer Nationalgeschichte geworden!</p><lb/> <p xml:id="ID_1669"> Hütten ist in den Schriften dieser Periode für uns der glücklichste und<lb/> der vollste Ausdruck derjenigen Tendenzen, welche in den weitesten Kreisen des<lb/> damaligen Deutschland verbreitet waren. Seine Schriften können uns dje<lb/> nationalen und humanistischen Wünsche jener Zeit, die Anschauungen einer<lb/> großen Partei darstellen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1670"> Strauß hat Inhalt und Tragweite dieser Schriften gut entwickelt und<lb/> uns deutlich gezeigt, wie Hutten's Auffassung und Formung derselben gewesen.<lb/> In wie weit Hutten's literarische Thätigkeit den Tendenzen weiter ausgedehn¬<lb/> ter Kreise gedient, das allerdings kommt bei Strauß nicht zu genügendem<lb/> Ausdruck. Wir erfahren lange nicht genug von dem Zusammenhange Hut¬<lb/> ten's mit den Anderen: seine Persönlichkeit und seine Produkte sind doch noch<lb/> viel zu sehr als isolirte Erscheinungen behandelt. Daß Hütten mitten in<lb/> einer politischen und socialen, kirchlichen und geistigen Revolutionsbewegung<lb/> gestanden, wird dem Leser nicht nachdrücklich genug in's Bewußtsein ge¬<lb/> rufen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1671" next="#ID_1672"> Ueberhaupt, aus keiner der vielen Darstellungen jener Jahre 1519 bis<lb/> 1525, die unsere Literatur schon besitzt und wenigstens theilweise auch zu ihren<lb/> Zierden rechnen darf, läßt sich ein vollständiges Bild von der ungeheuerm<lb/> Erregung gewinnen, die damals alle Lebensverhältnisse ergriffen hatte. Der<lb/> ganze Boden, auf dem das Leben der damaligen Menschen ruhte, erzitterte in<lb/> seinen Tiefen von neuem Geiste erfaßt. Die ganze Atmosphäre der damaligen<lb/> Welt war mit neuen Strebungen und neuen Ideen geladen: hin und her<lb/> kochte und wogte und gährte es im damaligen Deutschland. Immer lauter<lb/> erhob man den Ruf nach Reform von Kirche und Staat, einer Reform an<lb/> Haupt und Gliedern: und immer besorglicher mußte den Vertretern des</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0459]
Nation frei zu machen, das wurde sein Schlachtruf. In den Ereignissen und
in den Schriften der Jahre 1516, 1617, 1518 hatte sich dies Programm
Hutten's ausgebildet und entwickelt: es zu verwirklichen, versuchte er auf
mächtige Persönlichkeiten der officiellen Welt sich Einfluß zu verschaffen. Nicht
selbst zur Leitung einer politischen und nationalen Action hielt Hütten in
erster Linie sich für geeignet: seine Aufgabe schien vielmehr, einmal die öf¬
fentliche Meinung zu bearbeiten oder erst zu schaffen, und dann geeignete
Persönlichkeiten zur nationalen That aufzufinden, anzuspornen, vielleicht auch
zu leiten: auf den Erzbischof-Kurfürst Albrecht von Mainz, und nachher auf
den Ritter Franz von Sickingen hatte er es dabei abgesehen: ja durch sie
hoffte er endlich zu dem Träger der Kaiserkrone sich einen Zugang zu eröff¬
nen. Konnte er in dieser indirecten Weise die höchste Vertretung der deut¬
schen Nation mit seinem nationalen Gedanken inspiriren, — dann in der
That wäre sein kühnstes Hoffen erfüllt, und seines Lebens Inhalt einer der
ehrenvollsten Ausschnitte unserer Nationalgeschichte geworden!
Hütten ist in den Schriften dieser Periode für uns der glücklichste und
der vollste Ausdruck derjenigen Tendenzen, welche in den weitesten Kreisen des
damaligen Deutschland verbreitet waren. Seine Schriften können uns dje
nationalen und humanistischen Wünsche jener Zeit, die Anschauungen einer
großen Partei darstellen.
Strauß hat Inhalt und Tragweite dieser Schriften gut entwickelt und
uns deutlich gezeigt, wie Hutten's Auffassung und Formung derselben gewesen.
In wie weit Hutten's literarische Thätigkeit den Tendenzen weiter ausgedehn¬
ter Kreise gedient, das allerdings kommt bei Strauß nicht zu genügendem
Ausdruck. Wir erfahren lange nicht genug von dem Zusammenhange Hut¬
ten's mit den Anderen: seine Persönlichkeit und seine Produkte sind doch noch
viel zu sehr als isolirte Erscheinungen behandelt. Daß Hütten mitten in
einer politischen und socialen, kirchlichen und geistigen Revolutionsbewegung
gestanden, wird dem Leser nicht nachdrücklich genug in's Bewußtsein ge¬
rufen.
Ueberhaupt, aus keiner der vielen Darstellungen jener Jahre 1519 bis
1525, die unsere Literatur schon besitzt und wenigstens theilweise auch zu ihren
Zierden rechnen darf, läßt sich ein vollständiges Bild von der ungeheuerm
Erregung gewinnen, die damals alle Lebensverhältnisse ergriffen hatte. Der
ganze Boden, auf dem das Leben der damaligen Menschen ruhte, erzitterte in
seinen Tiefen von neuem Geiste erfaßt. Die ganze Atmosphäre der damaligen
Welt war mit neuen Strebungen und neuen Ideen geladen: hin und her
kochte und wogte und gährte es im damaligen Deutschland. Immer lauter
erhob man den Ruf nach Reform von Kirche und Staat, einer Reform an
Haupt und Gliedern: und immer besorglicher mußte den Vertretern des
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