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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.

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über unsere Truppen übernommen, so daß diese thatsächlich ganz zur Dispo¬
sition des Bundesfeldherrn stehen, der Austausch zwischen schwäbischen und
norddeutschen Officieren und Unterofficieren hat im größten Maßstab begonnen
und das Land hat nunmehr genügende Garantie dafür, daß das schwä¬
bische Armeecorps in kürzester Zeit nicht nur äußerlich, sondern auch nach
Geist und Bildung ein harmonisches Glied der großen deutschen Armee bilden
wird. Die Abschaffung des Kriegsministeriums, für welches neben dem auch
äußerlich entsprechend ausgestatteten Corpscommando in Stuttgart kein Raum
mehr ist, wird sich ja bald hieran anreihen, indem nach den neuesten Nachrichten
der Chef desselben bereits zum Festungscommandanten in Mainz designirt ist.
Was endlich die besondere Militärverwaltung und die in Aussicht genommenen
Ersparnisse von den 22ü Thlr. betrifft, so genügt, darauf hinzuweisen, daß
der soeben veröffentlichte Finanzetat sich darauf beschränkt, die "diesmalige
Aversional-Summa von 225 Thlr. für den Kopf der Friedenspräsenzstärke" in
Rechnung zu nehmen, und die entsprechende Summe für die nächsten Jahre
einfach unter den Leistungen an das Reich rubricirt. Von Ersparnissen "als
Ergebnisse der obwaltenden besonderen Verhältnisse Württembergs unter voller
Erfüllung der Bundespflichten" ist nirgends mehr die Rede, und es wird uns
als sehr fraglich bezeichnet, ob die Beibehaltung einer eigenen Regie für die
Folgezeit nicht mit einer sehr erheblichen Mehrbelastung des Landes verbunden
wäre. Man hat sich denn auch mit der Aufgabe dieser Sonderstellung längst
vertraut gemacht, und die schwäbischen Mitglieder der national-liberalen Partei
des Reichstags handeln durchaus im Sinne ihrer Wähler, wenn sie in der
Aussicht auf jene Eventualität der Verlängerung des Pauschguantums ihre
Zustimmung ertheilen.

Im Departement der auswärtigen Angelegenheiten sah sich die Regierung
genöthigt, wenigstens einen Theil der bisherigen Gesandtschaftsposten eingehen
zu lassen, nachdem Bayern in dieser Frage wieder so unerwartet vorangegan¬
gen war; nämlich nach dem neuesten Etat die Gesandtschaften in Paris, Bern
und Karlsruhe, während diejenigen in Petersburg, München und Wien auch
fernerhin beibehalten werden sollen und neben diesen auch das auswärtige
Ministerium selbst bestehen bleibt. Zu der Aufhebung der Pariser Legation ver¬
stand man sich leichter, nachdem man von dem Grafen von Se. Ballier, in
dessen ritterliche Gesinnung man bis zum Jahre 1870 ganz besonderes Ver¬
trauen gesetzt hatte, durch die nachträglichen Enthüllungen Gramont's so
schwarzen Undank erfahren hatte. Wir glauben übrigens kaum, daß die
Stände, ohne mit ihren oft proclamirten Grundsätzen in Widerspruch zu kom¬
men, sich mit diesem Angebot begnügen können. Von dem unnützen Aufwand
abgesehen, sind die Gefahren des activen wie des passiven Gesandtschaftsrechts
zu nahe liegend. Noch sind die Zeiten in frischer Erinnerung, wo der Czechen-


über unsere Truppen übernommen, so daß diese thatsächlich ganz zur Dispo¬
sition des Bundesfeldherrn stehen, der Austausch zwischen schwäbischen und
norddeutschen Officieren und Unterofficieren hat im größten Maßstab begonnen
und das Land hat nunmehr genügende Garantie dafür, daß das schwä¬
bische Armeecorps in kürzester Zeit nicht nur äußerlich, sondern auch nach
Geist und Bildung ein harmonisches Glied der großen deutschen Armee bilden
wird. Die Abschaffung des Kriegsministeriums, für welches neben dem auch
äußerlich entsprechend ausgestatteten Corpscommando in Stuttgart kein Raum
mehr ist, wird sich ja bald hieran anreihen, indem nach den neuesten Nachrichten
der Chef desselben bereits zum Festungscommandanten in Mainz designirt ist.
Was endlich die besondere Militärverwaltung und die in Aussicht genommenen
Ersparnisse von den 22ü Thlr. betrifft, so genügt, darauf hinzuweisen, daß
der soeben veröffentlichte Finanzetat sich darauf beschränkt, die „diesmalige
Aversional-Summa von 225 Thlr. für den Kopf der Friedenspräsenzstärke" in
Rechnung zu nehmen, und die entsprechende Summe für die nächsten Jahre
einfach unter den Leistungen an das Reich rubricirt. Von Ersparnissen „als
Ergebnisse der obwaltenden besonderen Verhältnisse Württembergs unter voller
Erfüllung der Bundespflichten" ist nirgends mehr die Rede, und es wird uns
als sehr fraglich bezeichnet, ob die Beibehaltung einer eigenen Regie für die
Folgezeit nicht mit einer sehr erheblichen Mehrbelastung des Landes verbunden
wäre. Man hat sich denn auch mit der Aufgabe dieser Sonderstellung längst
vertraut gemacht, und die schwäbischen Mitglieder der national-liberalen Partei
des Reichstags handeln durchaus im Sinne ihrer Wähler, wenn sie in der
Aussicht auf jene Eventualität der Verlängerung des Pauschguantums ihre
Zustimmung ertheilen.

Im Departement der auswärtigen Angelegenheiten sah sich die Regierung
genöthigt, wenigstens einen Theil der bisherigen Gesandtschaftsposten eingehen
zu lassen, nachdem Bayern in dieser Frage wieder so unerwartet vorangegan¬
gen war; nämlich nach dem neuesten Etat die Gesandtschaften in Paris, Bern
und Karlsruhe, während diejenigen in Petersburg, München und Wien auch
fernerhin beibehalten werden sollen und neben diesen auch das auswärtige
Ministerium selbst bestehen bleibt. Zu der Aufhebung der Pariser Legation ver¬
stand man sich leichter, nachdem man von dem Grafen von Se. Ballier, in
dessen ritterliche Gesinnung man bis zum Jahre 1870 ganz besonderes Ver¬
trauen gesetzt hatte, durch die nachträglichen Enthüllungen Gramont's so
schwarzen Undank erfahren hatte. Wir glauben übrigens kaum, daß die
Stände, ohne mit ihren oft proclamirten Grundsätzen in Widerspruch zu kom¬
men, sich mit diesem Angebot begnügen können. Von dem unnützen Aufwand
abgesehen, sind die Gefahren des activen wie des passiven Gesandtschaftsrechts
zu nahe liegend. Noch sind die Zeiten in frischer Erinnerung, wo der Czechen-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_192299/392>, abgerufen am 05.02.2025.