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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.

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sonnenbestrahlten Gebirge mit ihren Schneehörnern und ihren dunkeln Schluch¬
ten herab.

Die Bevölkerung der Stadt lebt in der That vorwiegend von der Vieh¬
zucht, dann vom Ackerbau. Das Handwerk ist natürlich unter ihr auch ver¬
treten ; wenn die Mormonen selbst oder ihnen gewogene Touristen aber auch
von Fabriken reden, die hier blühen sollen, so ist das mit Vorsicht aufzuneh¬
men. Allerdings giebt es in der Salzsee-Stadt und in ein Paar anderen
Orten Utahs ein halb Dutzend Geschäfte, welche die Anfertigung von Woll¬
waaren und Nägeln einigermaßen fabrikmäßig betreiben. Das ist aber auch
Alles, und wenn man in den Mormonenblättern von den großen Werkstätten
liest, in welchen "die Kirche" jeden neueintreffenden Arbeiter so lange beschäf¬
tigt, bis er sich selbständig machen kann, so hat man sich etliche
Bretterschuppen vorzustellen, in denen sich einige Hobelbänke und
Schraubstocke befinden und im Ganzen höchstens einige zwanzig Leute zu
thun haben.

Ganz ebenso, oder noch kläglicher verhält es sich mit den höheren Bil¬
dungsanstalten, welche die Latterday-Saints in den Berichten über ihre heilige
Stadt besitzen wollen, und die. wenn man ihnen glauben dürfte, mindestens
ein vortrefflicher Anfang wären. Diese Berichte sind Flunkereien. Brigham
Noung kann für seine Kirche nur ungebildete Leute brauchen, keine Wissen¬
schaft oder nur mormonisirte Wissenschaft, und was das heißt, werden wir
sogleich sehen.

Wie es jetzt mit dem steht, was man als Universität von Deseret be¬
zeichnet hat. mag uns der Reisende Schiel erzählen: "In einem Dachzimmer
des Statehouse bewahren die Mormonen einige kostbare Instrumente, deren
Gebrauch sie mir für die Zeit unseres Aufenthaltes in Saltlake-City anboten,
da sie doch Niemand unter sich hätten, der mit denselben umzugehen ver¬
stände. Es war ein vortreffliches Roß'sches Mikroskop neuester Construction
darunter, und das Erstaunen einiger ihrer Schriftgelehrten über die Wunder,
die ihnen das kleine Instrument offenbarte, als ich ihnen einige Objecte unter
^e Augen brachte, war nicht gering. Sie besaßen nicht weniger als 6 Baro¬
meter für Höhenmessungen von dem bekannten englischen Mechaniker Trough-
ton, aber alle hatten Luft in die Leere bekommen oder waren durch unver¬
ständigen Transport sonst schadhaft geworden, nicht ein einziges war brauch¬
bar. Ein chemischer Apparat in Form eines großen Neagenskastens war
ebenfalls vorhanden, ebenso ein Teleskop und kleinere Meßinstrumente. Ein
Theil der Bibliothek, zu deren Anschaffung der Congreß dem Delegaten der
Mormonen v. Bernhisel fünf Tausend Dollars bewilligt hatte, und in welcher
"eben den großen englischen Encyclopädien die Rechtswissenschaft ziemlich gut
^epräsentirt war, ging 1852 in Feuer auf. und zwar, wie man behauptet,


sonnenbestrahlten Gebirge mit ihren Schneehörnern und ihren dunkeln Schluch¬
ten herab.

Die Bevölkerung der Stadt lebt in der That vorwiegend von der Vieh¬
zucht, dann vom Ackerbau. Das Handwerk ist natürlich unter ihr auch ver¬
treten ; wenn die Mormonen selbst oder ihnen gewogene Touristen aber auch
von Fabriken reden, die hier blühen sollen, so ist das mit Vorsicht aufzuneh¬
men. Allerdings giebt es in der Salzsee-Stadt und in ein Paar anderen
Orten Utahs ein halb Dutzend Geschäfte, welche die Anfertigung von Woll¬
waaren und Nägeln einigermaßen fabrikmäßig betreiben. Das ist aber auch
Alles, und wenn man in den Mormonenblättern von den großen Werkstätten
liest, in welchen „die Kirche" jeden neueintreffenden Arbeiter so lange beschäf¬
tigt, bis er sich selbständig machen kann, so hat man sich etliche
Bretterschuppen vorzustellen, in denen sich einige Hobelbänke und
Schraubstocke befinden und im Ganzen höchstens einige zwanzig Leute zu
thun haben.

Ganz ebenso, oder noch kläglicher verhält es sich mit den höheren Bil¬
dungsanstalten, welche die Latterday-Saints in den Berichten über ihre heilige
Stadt besitzen wollen, und die. wenn man ihnen glauben dürfte, mindestens
ein vortrefflicher Anfang wären. Diese Berichte sind Flunkereien. Brigham
Noung kann für seine Kirche nur ungebildete Leute brauchen, keine Wissen¬
schaft oder nur mormonisirte Wissenschaft, und was das heißt, werden wir
sogleich sehen.

Wie es jetzt mit dem steht, was man als Universität von Deseret be¬
zeichnet hat. mag uns der Reisende Schiel erzählen: „In einem Dachzimmer
des Statehouse bewahren die Mormonen einige kostbare Instrumente, deren
Gebrauch sie mir für die Zeit unseres Aufenthaltes in Saltlake-City anboten,
da sie doch Niemand unter sich hätten, der mit denselben umzugehen ver¬
stände. Es war ein vortreffliches Roß'sches Mikroskop neuester Construction
darunter, und das Erstaunen einiger ihrer Schriftgelehrten über die Wunder,
die ihnen das kleine Instrument offenbarte, als ich ihnen einige Objecte unter
^e Augen brachte, war nicht gering. Sie besaßen nicht weniger als 6 Baro¬
meter für Höhenmessungen von dem bekannten englischen Mechaniker Trough-
ton, aber alle hatten Luft in die Leere bekommen oder waren durch unver¬
ständigen Transport sonst schadhaft geworden, nicht ein einziges war brauch¬
bar. Ein chemischer Apparat in Form eines großen Neagenskastens war
ebenfalls vorhanden, ebenso ein Teleskop und kleinere Meßinstrumente. Ein
Theil der Bibliothek, zu deren Anschaffung der Congreß dem Delegaten der
Mormonen v. Bernhisel fünf Tausend Dollars bewilligt hatte, und in welcher
"eben den großen englischen Encyclopädien die Rechtswissenschaft ziemlich gut
^epräsentirt war, ging 1852 in Feuer auf. und zwar, wie man behauptet,


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[0375] sonnenbestrahlten Gebirge mit ihren Schneehörnern und ihren dunkeln Schluch¬ ten herab. Die Bevölkerung der Stadt lebt in der That vorwiegend von der Vieh¬ zucht, dann vom Ackerbau. Das Handwerk ist natürlich unter ihr auch ver¬ treten ; wenn die Mormonen selbst oder ihnen gewogene Touristen aber auch von Fabriken reden, die hier blühen sollen, so ist das mit Vorsicht aufzuneh¬ men. Allerdings giebt es in der Salzsee-Stadt und in ein Paar anderen Orten Utahs ein halb Dutzend Geschäfte, welche die Anfertigung von Woll¬ waaren und Nägeln einigermaßen fabrikmäßig betreiben. Das ist aber auch Alles, und wenn man in den Mormonenblättern von den großen Werkstätten liest, in welchen „die Kirche" jeden neueintreffenden Arbeiter so lange beschäf¬ tigt, bis er sich selbständig machen kann, so hat man sich etliche Bretterschuppen vorzustellen, in denen sich einige Hobelbänke und Schraubstocke befinden und im Ganzen höchstens einige zwanzig Leute zu thun haben. Ganz ebenso, oder noch kläglicher verhält es sich mit den höheren Bil¬ dungsanstalten, welche die Latterday-Saints in den Berichten über ihre heilige Stadt besitzen wollen, und die. wenn man ihnen glauben dürfte, mindestens ein vortrefflicher Anfang wären. Diese Berichte sind Flunkereien. Brigham Noung kann für seine Kirche nur ungebildete Leute brauchen, keine Wissen¬ schaft oder nur mormonisirte Wissenschaft, und was das heißt, werden wir sogleich sehen. Wie es jetzt mit dem steht, was man als Universität von Deseret be¬ zeichnet hat. mag uns der Reisende Schiel erzählen: „In einem Dachzimmer des Statehouse bewahren die Mormonen einige kostbare Instrumente, deren Gebrauch sie mir für die Zeit unseres Aufenthaltes in Saltlake-City anboten, da sie doch Niemand unter sich hätten, der mit denselben umzugehen ver¬ stände. Es war ein vortreffliches Roß'sches Mikroskop neuester Construction darunter, und das Erstaunen einiger ihrer Schriftgelehrten über die Wunder, die ihnen das kleine Instrument offenbarte, als ich ihnen einige Objecte unter ^e Augen brachte, war nicht gering. Sie besaßen nicht weniger als 6 Baro¬ meter für Höhenmessungen von dem bekannten englischen Mechaniker Trough- ton, aber alle hatten Luft in die Leere bekommen oder waren durch unver¬ ständigen Transport sonst schadhaft geworden, nicht ein einziges war brauch¬ bar. Ein chemischer Apparat in Form eines großen Neagenskastens war ebenfalls vorhanden, ebenso ein Teleskop und kleinere Meßinstrumente. Ein Theil der Bibliothek, zu deren Anschaffung der Congreß dem Delegaten der Mormonen v. Bernhisel fünf Tausend Dollars bewilligt hatte, und in welcher "eben den großen englischen Encyclopädien die Rechtswissenschaft ziemlich gut ^epräsentirt war, ging 1852 in Feuer auf. und zwar, wie man behauptet,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_192299/375>, abgerufen am 05.02.2025.