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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.

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ein solches beschrieben worden war, das "uns empreintö as bonnvmmio
militiure" hätte, sah sehr finster unter dem Helm hervor, und der schneeweiße
Bart war "llLeläkinvot nei-issve."

Der Weg zurück durch Biedres, Palaiseau, Longjumeau und Morangis
war sehr lang; doch die starken kleinen Pferde legten ihn in vier Stunden
zurück. So kamen wir am Abend vor acht Uhr in Bellegarde an. Der
Waffenstillstand lief erst am Sonntag den sechs und zwanzigsten Februar
Abends ab; aber schon gingen Gerüchte, daß der Einzug der Deutschen in
Paris die Klippe gewesen, an der der Friede gescheitert sei. Man glaubte
fest, daß von Montag Morgen an die Feindseligkeiten wieder beginnen würden.
Unser Spital in Bruyeres war schon aufgehoben worden und unsere eigenen
Patienten hatten sich auf eine sehr kleine Zahl reducirt: und diese sollten
auch in einigen Tagen fortgeschickt werden. Unser Stabsarzt wollte auch
noch am selben Tage abreisen. Ich aber, solle mit Herrn Müller und unseren
drei "Freiwilligen" noch eine Woche hier bleiben, damit ich dafür sorge,
daß wenn das Schloß aufgegeben würde, es so ordentlich und rein zurückge¬
lassen würde wie möglich. -- "Wenn der Friede nicht unterzeichnet wird",
setzte er hinzu, und die Feindseligkeiten wieder beginnen, werde ich natürlich
wieder die Direction eines anderen Spitals übernehmen. Sind Sie nun Ihrer
Arbeit müde? oder darf ich Sie dann wieder auffordern, dort dieselbe Stelle,
wie hier, bei mir einzunehmen?" -- "Gewiß." antwortete ich. "Sie können
auf mich rechnen. Denn so lange ich nützlich sein kann, habe ich nicht im
geringsten den Wunsch, meine Arbeit aufzugeben."

Der erste Zug, welcher am Montag Morgen unser Haus passirte, war
mit Lorbeerzweigen bekränzt und die Soldaten streckten ihre Hände aus den
Wagen und riefen: "Friede! Friede!" Jetzt, wußten wir, hatte sich der Sturm
gelegt, wenn vielleicht auch durch das Opfer der "imwur propre" der Pariser.
Jetzt wurden auch Borbereitungen zu der Beförderung der letzten Kranken
gemacht, die Alle kamen mir Adieu- zu sagen. Aber den Ulanen, meinen
Freund, sah ich nicht unter ihnen. Dieser kann nachher allein, und nachdem
er sich für die Güte und Aufmerksamkeit, die ich ihm während seiner Krank-
heit hatte zu Theil werden lassen, bedankt hatte, fragte er: -- "Fräulein,
Sie haben einen Bruder in der (englischen) Armee, nicht wahr?" -- "Ja,"
erwiederte ich, "warum?" -- "Weil ich Ihnen ein kleines Zeichen meiner
Dankbarkeit geben will; da es aber nicht für eine Dame ist, dachte ich. Sie
würden es vielleicht Ihrem Bruder als "Erinnerung aus dem Feldzuge"
geben;" dann zog er eine hölzerne Pfeife hervor, die er geschickt gemacht und
aus einer Wurzel geschnitzt hatte.

"Danke Ihnen." sprach ich. "Es paßt allerdings nicht für eine Dame; aber
ich werde es stolz als eine Erinnerung an einen meiner Lieblingspatienten aufheben."




(Schluß folgt.)


ein solches beschrieben worden war, das „uns empreintö as bonnvmmio
militiure" hätte, sah sehr finster unter dem Helm hervor, und der schneeweiße
Bart war „llLeläkinvot nei-issve."

Der Weg zurück durch Biedres, Palaiseau, Longjumeau und Morangis
war sehr lang; doch die starken kleinen Pferde legten ihn in vier Stunden
zurück. So kamen wir am Abend vor acht Uhr in Bellegarde an. Der
Waffenstillstand lief erst am Sonntag den sechs und zwanzigsten Februar
Abends ab; aber schon gingen Gerüchte, daß der Einzug der Deutschen in
Paris die Klippe gewesen, an der der Friede gescheitert sei. Man glaubte
fest, daß von Montag Morgen an die Feindseligkeiten wieder beginnen würden.
Unser Spital in Bruyeres war schon aufgehoben worden und unsere eigenen
Patienten hatten sich auf eine sehr kleine Zahl reducirt: und diese sollten
auch in einigen Tagen fortgeschickt werden. Unser Stabsarzt wollte auch
noch am selben Tage abreisen. Ich aber, solle mit Herrn Müller und unseren
drei „Freiwilligen" noch eine Woche hier bleiben, damit ich dafür sorge,
daß wenn das Schloß aufgegeben würde, es so ordentlich und rein zurückge¬
lassen würde wie möglich. — „Wenn der Friede nicht unterzeichnet wird",
setzte er hinzu, und die Feindseligkeiten wieder beginnen, werde ich natürlich
wieder die Direction eines anderen Spitals übernehmen. Sind Sie nun Ihrer
Arbeit müde? oder darf ich Sie dann wieder auffordern, dort dieselbe Stelle,
wie hier, bei mir einzunehmen?" — „Gewiß." antwortete ich. „Sie können
auf mich rechnen. Denn so lange ich nützlich sein kann, habe ich nicht im
geringsten den Wunsch, meine Arbeit aufzugeben."

Der erste Zug, welcher am Montag Morgen unser Haus passirte, war
mit Lorbeerzweigen bekränzt und die Soldaten streckten ihre Hände aus den
Wagen und riefen: „Friede! Friede!" Jetzt, wußten wir, hatte sich der Sturm
gelegt, wenn vielleicht auch durch das Opfer der „imwur propre" der Pariser.
Jetzt wurden auch Borbereitungen zu der Beförderung der letzten Kranken
gemacht, die Alle kamen mir Adieu- zu sagen. Aber den Ulanen, meinen
Freund, sah ich nicht unter ihnen. Dieser kann nachher allein, und nachdem
er sich für die Güte und Aufmerksamkeit, die ich ihm während seiner Krank-
heit hatte zu Theil werden lassen, bedankt hatte, fragte er: — „Fräulein,
Sie haben einen Bruder in der (englischen) Armee, nicht wahr?" — „Ja,"
erwiederte ich, „warum?" — „Weil ich Ihnen ein kleines Zeichen meiner
Dankbarkeit geben will; da es aber nicht für eine Dame ist, dachte ich. Sie
würden es vielleicht Ihrem Bruder als „Erinnerung aus dem Feldzuge"
geben;" dann zog er eine hölzerne Pfeife hervor, die er geschickt gemacht und
aus einer Wurzel geschnitzt hatte.

„Danke Ihnen." sprach ich. „Es paßt allerdings nicht für eine Dame; aber
ich werde es stolz als eine Erinnerung an einen meiner Lieblingspatienten aufheben."




(Schluß folgt.)


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[0360] ein solches beschrieben worden war, das „uns empreintö as bonnvmmio militiure" hätte, sah sehr finster unter dem Helm hervor, und der schneeweiße Bart war „llLeläkinvot nei-issve." Der Weg zurück durch Biedres, Palaiseau, Longjumeau und Morangis war sehr lang; doch die starken kleinen Pferde legten ihn in vier Stunden zurück. So kamen wir am Abend vor acht Uhr in Bellegarde an. Der Waffenstillstand lief erst am Sonntag den sechs und zwanzigsten Februar Abends ab; aber schon gingen Gerüchte, daß der Einzug der Deutschen in Paris die Klippe gewesen, an der der Friede gescheitert sei. Man glaubte fest, daß von Montag Morgen an die Feindseligkeiten wieder beginnen würden. Unser Spital in Bruyeres war schon aufgehoben worden und unsere eigenen Patienten hatten sich auf eine sehr kleine Zahl reducirt: und diese sollten auch in einigen Tagen fortgeschickt werden. Unser Stabsarzt wollte auch noch am selben Tage abreisen. Ich aber, solle mit Herrn Müller und unseren drei „Freiwilligen" noch eine Woche hier bleiben, damit ich dafür sorge, daß wenn das Schloß aufgegeben würde, es so ordentlich und rein zurückge¬ lassen würde wie möglich. — „Wenn der Friede nicht unterzeichnet wird", setzte er hinzu, und die Feindseligkeiten wieder beginnen, werde ich natürlich wieder die Direction eines anderen Spitals übernehmen. Sind Sie nun Ihrer Arbeit müde? oder darf ich Sie dann wieder auffordern, dort dieselbe Stelle, wie hier, bei mir einzunehmen?" — „Gewiß." antwortete ich. „Sie können auf mich rechnen. Denn so lange ich nützlich sein kann, habe ich nicht im geringsten den Wunsch, meine Arbeit aufzugeben." Der erste Zug, welcher am Montag Morgen unser Haus passirte, war mit Lorbeerzweigen bekränzt und die Soldaten streckten ihre Hände aus den Wagen und riefen: „Friede! Friede!" Jetzt, wußten wir, hatte sich der Sturm gelegt, wenn vielleicht auch durch das Opfer der „imwur propre" der Pariser. Jetzt wurden auch Borbereitungen zu der Beförderung der letzten Kranken gemacht, die Alle kamen mir Adieu- zu sagen. Aber den Ulanen, meinen Freund, sah ich nicht unter ihnen. Dieser kann nachher allein, und nachdem er sich für die Güte und Aufmerksamkeit, die ich ihm während seiner Krank- heit hatte zu Theil werden lassen, bedankt hatte, fragte er: — „Fräulein, Sie haben einen Bruder in der (englischen) Armee, nicht wahr?" — „Ja," erwiederte ich, „warum?" — „Weil ich Ihnen ein kleines Zeichen meiner Dankbarkeit geben will; da es aber nicht für eine Dame ist, dachte ich. Sie würden es vielleicht Ihrem Bruder als „Erinnerung aus dem Feldzuge" geben;" dann zog er eine hölzerne Pfeife hervor, die er geschickt gemacht und aus einer Wurzel geschnitzt hatte. „Danke Ihnen." sprach ich. „Es paßt allerdings nicht für eine Dame; aber ich werde es stolz als eine Erinnerung an einen meiner Lieblingspatienten aufheben." (Schluß folgt.)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_192299/360>, abgerufen am 10.02.2025.