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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.

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fort vorstellen zu können, da derselbe bei seinem kaiserlichen Vater auf der
Präfectur wäre. In der Unterredung fragte ich den Grafen, ob Versailles
so ein Luxus-Möbel wie einen englischen Banquier führe. Wenn ich mich dar¬
über genau unterrichten wolle, sagte er, so rathe er mir, mich an unseren
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wie der Korrespondent der "Times" wohne, Ur. 6 ?I".LL Iloelie. Ich
richtete meine Schritte zunächst also zu unserem "röpr^senkend" und
fand ihn glücklicherweise auch zu Hause. Ich weiß nicht ob es wahr ist,
daß Mr. Odo Russell wegen seiner außerordentlichen und vorzüglichen
Verdienste zu dieser Gesandtschaft gekommen ist -- aber das ist gewiß
-- über solche Dinge ist ja vielleicht auch einer Frau, die sonst ohne
jegliches "Recht" ist, vergönnt zu sprechen -- daß er jene glatte, geläufige
Diction, die auf höhere geistige Macht deutet, und die tiefe, wohlanstehende
Höflichkeit besitzt, welche für einen Staatsmann, der unsere gnädige Herrscherin
an einem fremden Hofe repräsentirt, erforderlich ist. Er sagte mir, daß Herr
Thiers soeben eine Unterredung mit dem Kaiser über die Friedenspräliminarien
hätte, und nachher Seine Majestät wahrscheinlich die gewöhnliche Ausfahrt
Machen würde. Da ich sehr gerne einmal die königliche Persönlichkeit, die zu
einem solchen "Mut- 6" mir"" für Alle geworden war, sehen wollte, eilte ich
rasch nach unserem Hotel, um dem Stabsarzt das in Aussicht stehende Glück
mitzutheilen; und sobald wir gegessen hatten, gingen wir nach der Präfectur.
Hier sagte uns die Wache, daß der Wagen des Kaisers schon unten warte
und er gleich ausfahren werde. In einigen Minuten entstand auf dem Hofe
^ne kleine Bewegung, und wir traten dicht an das Thor; da plötzlich kam
Feldgendarm (der aus einer Versenkung emporgesprungen zu sein schien,
denn so plötzlich erschien er) und bat uns, einige Schritte zurückzutreten. Hielt
^ mich für einen weiblichen Königsmörder, oder dachte er, ich verberge in
den Falten meiner Schürze Revolver oder Orsini - Bomben? Diese Frage
konnte ich nicht langem Nachdenken unterwerfen, denn ich hörte schon die
Hufschläge der Pferde und gleich darauf kam der Kaiser, der in einen Pelz-
Mantel eingehüllt in seiner sehr einfachen "Victoria" saß, die durch vier nicht
besser aussehende schwarze Pferde gezogen wurde und zwei finsteraussehende
Postillione ritten auf diesen. Es lag mir natürlich ob, mit Ehrfurcht oder
doch mit Respect auf den mächtigen König zu sehen; doch plötzlich fielen mir
dabei die Worte aus ,Mei)'s ^ävMtm^L w ^Vomlvrlaiiä" ein -- ,^on a,rv
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der einst bekannten Worte schien meine feierliche Stimmung ein wenig zu
stören, denn ich bemerkte plötzlich, daß der "Feldgendarme" mich sauer
""sah, als er den Kaiser salutirte. -- Die Unterhandlung mit Thiers war
ohne Zweifel unbefriedigend gewesen, denn das Gesicht, welches immer als


fort vorstellen zu können, da derselbe bei seinem kaiserlichen Vater auf der
Präfectur wäre. In der Unterredung fragte ich den Grafen, ob Versailles
so ein Luxus-Möbel wie einen englischen Banquier führe. Wenn ich mich dar¬
über genau unterrichten wolle, sagte er, so rathe er mir, mich an unseren
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wie der Korrespondent der „Times" wohne, Ur. 6 ?I».LL Iloelie. Ich
richtete meine Schritte zunächst also zu unserem „röpr^senkend" und
fand ihn glücklicherweise auch zu Hause. Ich weiß nicht ob es wahr ist,
daß Mr. Odo Russell wegen seiner außerordentlichen und vorzüglichen
Verdienste zu dieser Gesandtschaft gekommen ist — aber das ist gewiß
— über solche Dinge ist ja vielleicht auch einer Frau, die sonst ohne
jegliches „Recht" ist, vergönnt zu sprechen — daß er jene glatte, geläufige
Diction, die auf höhere geistige Macht deutet, und die tiefe, wohlanstehende
Höflichkeit besitzt, welche für einen Staatsmann, der unsere gnädige Herrscherin
an einem fremden Hofe repräsentirt, erforderlich ist. Er sagte mir, daß Herr
Thiers soeben eine Unterredung mit dem Kaiser über die Friedenspräliminarien
hätte, und nachher Seine Majestät wahrscheinlich die gewöhnliche Ausfahrt
Machen würde. Da ich sehr gerne einmal die königliche Persönlichkeit, die zu
einem solchen „Mut- 6« mir«" für Alle geworden war, sehen wollte, eilte ich
rasch nach unserem Hotel, um dem Stabsarzt das in Aussicht stehende Glück
mitzutheilen; und sobald wir gegessen hatten, gingen wir nach der Präfectur.
Hier sagte uns die Wache, daß der Wagen des Kaisers schon unten warte
und er gleich ausfahren werde. In einigen Minuten entstand auf dem Hofe
^ne kleine Bewegung, und wir traten dicht an das Thor; da plötzlich kam
Feldgendarm (der aus einer Versenkung emporgesprungen zu sein schien,
denn so plötzlich erschien er) und bat uns, einige Schritte zurückzutreten. Hielt
^ mich für einen weiblichen Königsmörder, oder dachte er, ich verberge in
den Falten meiner Schürze Revolver oder Orsini - Bomben? Diese Frage
konnte ich nicht langem Nachdenken unterwerfen, denn ich hörte schon die
Hufschläge der Pferde und gleich darauf kam der Kaiser, der in einen Pelz-
Mantel eingehüllt in seiner sehr einfachen „Victoria" saß, die durch vier nicht
besser aussehende schwarze Pferde gezogen wurde und zwei finsteraussehende
Postillione ritten auf diesen. Es lag mir natürlich ob, mit Ehrfurcht oder
doch mit Respect auf den mächtigen König zu sehen; doch plötzlich fielen mir
dabei die Worte aus ,Mei)'s ^ävMtm^L w ^Vomlvrlaiiä" ein — ,^on a,rv
^6,I'gMvr MIImm, ana ^our Imir is gi-s^"; — diese plötzliche Erinnerung
der einst bekannten Worte schien meine feierliche Stimmung ein wenig zu
stören, denn ich bemerkte plötzlich, daß der „Feldgendarme" mich sauer
"»sah, als er den Kaiser salutirte. — Die Unterhandlung mit Thiers war
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_192299/359>, abgerufen am 11.02.2025.