Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.seines Zeichens ursprünglich Zimmermann, nach seinem 1838 erfolgten Ein¬ Der neue Prophet war ganz, was die Secte unter den schwierigen Um¬ Zuletzt sahen die Führer der Mormonen ein, daß eine abermalige Aus¬ seines Zeichens ursprünglich Zimmermann, nach seinem 1838 erfolgten Ein¬ Der neue Prophet war ganz, was die Secte unter den schwierigen Um¬ Zuletzt sahen die Führer der Mormonen ein, daß eine abermalige Aus¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0296" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192597"/> <p xml:id="ID_1119" prev="#ID_1118"> seines Zeichens ursprünglich Zimmermann, nach seinem 1838 erfolgten Ein¬<lb/> tritt in die Secte durch Verstand und Rednertalent sowie durch die Energie<lb/> seines Wesens rasch bedeutenden Einfluß gewonnen hatte, wurde als der<lb/> Nachfolger Smiths anerkannt und hat diese Stellung bis jetzt behauptet.</p><lb/> <p xml:id="ID_1120"> Der neue Prophet war ganz, was die Secte unter den schwierigen Um¬<lb/> ständen, in die sie gerathen war, bedürfte, wenn sie nicht untergehen sollte.<lb/> Ringsum waren die Leidenschaften gegen sie aufgeregt, und nur mit der<lb/> größten Schmiegsamkeit waren Angriffe der Nachbarn auf Nauvoo fernzuhal¬<lb/> ten. Auf die Dauer wollte dieß aber auch der Gewandtheit und Umsicht<lb/> Uoung's nicht gelingen. Wie früher in Missouri, so begann jetzt in Illinois<lb/> die Verfolgung der Mormonen mit Privatraufereien. Dann folgten Plün¬<lb/> derungen und Brandlegungen, die gegen die vor der Stadt und weiterhin im<lb/> Lande zerstreut wohnenden Mitglieder der Secte verübt und von Nauvoo aus<lb/> mit Repressalien beantwortet wurden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1121"> Zuletzt sahen die Führer der Mormonen ein, daß eine abermalige Aus¬<lb/> treibung nur durch freiwilligen Abzug verhütet werden könne. Am 20. October<lb/> 184S schlössen sie mit den Abgeordneten der gegen sie verbündeten Graf¬<lb/> schaften einen Vertrag ab, nach welchem die Mormonen sich verpflichteten<lb/> in ihrer Hauptmasse nächstes Frühjahr den Staat Illinois zu verlassen, wo¬<lb/> gegen der andere Theil sich anheischig machte, die Zurückbleibenden so lange<lb/> unbehelligt in Nauvoo zu lassen, bis die Vorausgehenden einen passenden Ort<lb/> zu einer Niederlassung gefunden und die Uebrigen Gelegenheit gehabt hätten,<lb/> ihr Grundeigenthum in Illinois seinem wahren Werthe nach zu veräußern.<lb/> Am 1. November wurden die Heiligen durch ein Rundschreiben ihrer zwölf<lb/> Apostel benachrichtigt, daß man zu dem Entschlüsse gelangt, „die Gotteskraft<lb/> und das Priesterthum zum großen Troste Israels von den Heiden wegzu¬<lb/> nehmen, auf daß die Wildniß blühe wie eine Rose und Babylon falle wie<lb/> ein ins Meer geworfener Mühlstein." Am 20. Januar 1846 erging dann<lb/> die Bekanntmachung des Hohen Rathes an die Latterday-Saints in aller<lb/> Welt, daß man sich jenseit der Felsengebirge, auf damals noch zu Mexiko<lb/> gehörigem Gebiet eine neue Heimath suchen wolle, und vierzehn Tage später<lb/> schon brach, da die Feinde in ihrer Ungeduld mit neuen Feindseligkeiten<lb/> drohten, der Vortrab des Auswandrerheeres zum Marsche durch Iowa nach<lb/> der großen Jndianerwüste am obern Missouri auf. Diesem Zuge, der circa<lb/> 1600 Personen zählte, folgte in den ersten Tagen des Mai ein stärkerer, dem<lb/> sich auch Brigham Äsung und die zwölf Apostel angeschlossen hatten, und um<lb/> die Mitte des Monats setzte sich die Hauptmasse der Mormonen in Be¬<lb/> wegung, der dann im Juni, Juli und August wieder mehrere kleinere Trupps<lb/> folgten, sodaß sich gegen das Ende des Sommers bereits 16000 mormonische<lb/> Emigranten auf der Prairie zwischen dem Mississippi und Missouri und nicht<lb/> viel mehr als 1500 noch in Nauvoo befanden.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0296]
seines Zeichens ursprünglich Zimmermann, nach seinem 1838 erfolgten Ein¬
tritt in die Secte durch Verstand und Rednertalent sowie durch die Energie
seines Wesens rasch bedeutenden Einfluß gewonnen hatte, wurde als der
Nachfolger Smiths anerkannt und hat diese Stellung bis jetzt behauptet.
Der neue Prophet war ganz, was die Secte unter den schwierigen Um¬
ständen, in die sie gerathen war, bedürfte, wenn sie nicht untergehen sollte.
Ringsum waren die Leidenschaften gegen sie aufgeregt, und nur mit der
größten Schmiegsamkeit waren Angriffe der Nachbarn auf Nauvoo fernzuhal¬
ten. Auf die Dauer wollte dieß aber auch der Gewandtheit und Umsicht
Uoung's nicht gelingen. Wie früher in Missouri, so begann jetzt in Illinois
die Verfolgung der Mormonen mit Privatraufereien. Dann folgten Plün¬
derungen und Brandlegungen, die gegen die vor der Stadt und weiterhin im
Lande zerstreut wohnenden Mitglieder der Secte verübt und von Nauvoo aus
mit Repressalien beantwortet wurden.
Zuletzt sahen die Führer der Mormonen ein, daß eine abermalige Aus¬
treibung nur durch freiwilligen Abzug verhütet werden könne. Am 20. October
184S schlössen sie mit den Abgeordneten der gegen sie verbündeten Graf¬
schaften einen Vertrag ab, nach welchem die Mormonen sich verpflichteten
in ihrer Hauptmasse nächstes Frühjahr den Staat Illinois zu verlassen, wo¬
gegen der andere Theil sich anheischig machte, die Zurückbleibenden so lange
unbehelligt in Nauvoo zu lassen, bis die Vorausgehenden einen passenden Ort
zu einer Niederlassung gefunden und die Uebrigen Gelegenheit gehabt hätten,
ihr Grundeigenthum in Illinois seinem wahren Werthe nach zu veräußern.
Am 1. November wurden die Heiligen durch ein Rundschreiben ihrer zwölf
Apostel benachrichtigt, daß man zu dem Entschlüsse gelangt, „die Gotteskraft
und das Priesterthum zum großen Troste Israels von den Heiden wegzu¬
nehmen, auf daß die Wildniß blühe wie eine Rose und Babylon falle wie
ein ins Meer geworfener Mühlstein." Am 20. Januar 1846 erging dann
die Bekanntmachung des Hohen Rathes an die Latterday-Saints in aller
Welt, daß man sich jenseit der Felsengebirge, auf damals noch zu Mexiko
gehörigem Gebiet eine neue Heimath suchen wolle, und vierzehn Tage später
schon brach, da die Feinde in ihrer Ungeduld mit neuen Feindseligkeiten
drohten, der Vortrab des Auswandrerheeres zum Marsche durch Iowa nach
der großen Jndianerwüste am obern Missouri auf. Diesem Zuge, der circa
1600 Personen zählte, folgte in den ersten Tagen des Mai ein stärkerer, dem
sich auch Brigham Äsung und die zwölf Apostel angeschlossen hatten, und um
die Mitte des Monats setzte sich die Hauptmasse der Mormonen in Be¬
wegung, der dann im Juni, Juli und August wieder mehrere kleinere Trupps
folgten, sodaß sich gegen das Ende des Sommers bereits 16000 mormonische
Emigranten auf der Prairie zwischen dem Mississippi und Missouri und nicht
viel mehr als 1500 noch in Nauvoo befanden.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |