Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.Je aufmerksamer wir die vertraulichen Berichte, welche der französische Sieht das nicht aus, als sollte vor Allem der Kaiser Napoleon aus dem Die Frage indeß, wie sich der Antheil an den Früchten der auswärtigen Auch dieser Erfolg, wenn er in gewissen Kreisen des französischen Publi- Je aufmerksamer wir die vertraulichen Berichte, welche der französische Sieht das nicht aus, als sollte vor Allem der Kaiser Napoleon aus dem Die Frage indeß, wie sich der Antheil an den Früchten der auswärtigen Auch dieser Erfolg, wenn er in gewissen Kreisen des französischen Publi- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0198" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192499"/> <p xml:id="ID_739"> Je aufmerksamer wir die vertraulichen Berichte, welche der französische<lb/> Botschafter an seine Regierung gesandt, mit allen jetzt zwischen dieselben ge¬<lb/> streuten Bemerkungen lesen, desto mehr prägt sich uns eine andere Hypothese<lb/> über den Beweggrund dieser Herausgabe ein. Herr Benedetti zeigt sich er¬<lb/> staunlich beflissen, den Leser zu überreden, daß er, der Botschafter, niemals das<lb/> unmittelbare Organ des Kaisers Napoleon gewesen. Nur mit den Ministern,<lb/> welche während der Sendung des Herrn Benedetti an den preußischen Hof<lb/> die auswärtigen Angelegenheiten Frankreichs leiteten, hat der Botschafter in<lb/> Beziehung gestanden, und von ihnen seine Weisungen empfangen, nur ihnen<lb/> seine Beobachtungen übermittelt. Nie haben der Kaiser und der Botschafter<lb/> über die Minister hinweg Gedanken getauscht, geschweige denn, daß der Bot¬<lb/> schafter jemals mit geheimen Verhandlungen ohne den Minister vorgegangen<lb/> sei. Er hat sich stets aufs Strengste in den Weisungen gehalten, die ihm<lb/> der Minister gab.</p><lb/> <p xml:id="ID_740"> Sieht das nicht aus, als sollte vor Allem der Kaiser Napoleon aus dem<lb/> Spiel gebracht werden, als sollte alle Verantwortlichkeit für die Leitung der<lb/> auswärtigen Angelegenheiten in Frankreich auf die betreffenden Minister ge¬<lb/> worfen werden? Herr Benedetti versichert wiederholt, er habe nicht einmal<lb/> die Ehre gehabt, dem Kaiser jemals schriftlich oder mündlich seine Rathschläge<lb/> auf Grund der in Berlin gemachten Beobachtungen zu unterbreiten.</p><lb/> <p xml:id="ID_741"> Die Frage indeß, wie sich der Antheil an den Früchten der auswärtigen<lb/> Politik Frankreichs in den letzten fünf Jahren des Kaiserreichs zwischen dem<lb/> Kaiser und seinen Ministern stellt, hat für den deutschen Leser vorläufig eine<lb/> untergeordnete Bedeutung. Die Geschichtsforschung mag einst dieser Frage<lb/> ihre Aufmerksamkeit zuwenden, und diese Darstellung des Herrn Benedetti<lb/> mag für die Entscheidung in Betracht kommen. Für jetzt ist es höchstens die<lb/> bonapartische Partei in Frankreich, welche ein gewisses Interesse darin finden<lb/> mag, die Last der Vorwürfe, unter welcher der Name Napoleon III. erliegt,<lb/> zu mindern.</p><lb/> <p xml:id="ID_742"> Auch dieser Erfolg, wenn er in gewissen Kreisen des französischen Publi-<lb/> cums erreicht werden sollte, scheint ein so geringfügiger, daß um seinetwillen<lb/> die Veröffentlichung des Herrn Benedetti noch nicht völlig erklärbar wird. Auf<lb/> die Spur allerdings hat uns die sorgfältige Fernhaltung des Kaisers durch<lb/> Herrn Benedetti von den Einzelheiten der diplomatischen Action geführt, daß<lb/> die Schrift höchst wahrscheinlich ihren Ursprung hat in den Bedürfnissen der<lb/> napoleonischen Action auf die öffentliche Meinung. Wenn Herr Benedetti<lb/> die Gelegenheit benutzt, sich selbst in das möglichst vortheilhafte Licht zu stellen<lb/> und alle gegen ihn geschleuderten Vorwürfe möglichst zu entkräften, so ist<lb/> dies doch ein Zweck, der nur nebenbei, wenn auch mit allen Mitteln ver¬<lb/> folgt wird.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0198]
Je aufmerksamer wir die vertraulichen Berichte, welche der französische
Botschafter an seine Regierung gesandt, mit allen jetzt zwischen dieselben ge¬
streuten Bemerkungen lesen, desto mehr prägt sich uns eine andere Hypothese
über den Beweggrund dieser Herausgabe ein. Herr Benedetti zeigt sich er¬
staunlich beflissen, den Leser zu überreden, daß er, der Botschafter, niemals das
unmittelbare Organ des Kaisers Napoleon gewesen. Nur mit den Ministern,
welche während der Sendung des Herrn Benedetti an den preußischen Hof
die auswärtigen Angelegenheiten Frankreichs leiteten, hat der Botschafter in
Beziehung gestanden, und von ihnen seine Weisungen empfangen, nur ihnen
seine Beobachtungen übermittelt. Nie haben der Kaiser und der Botschafter
über die Minister hinweg Gedanken getauscht, geschweige denn, daß der Bot¬
schafter jemals mit geheimen Verhandlungen ohne den Minister vorgegangen
sei. Er hat sich stets aufs Strengste in den Weisungen gehalten, die ihm
der Minister gab.
Sieht das nicht aus, als sollte vor Allem der Kaiser Napoleon aus dem
Spiel gebracht werden, als sollte alle Verantwortlichkeit für die Leitung der
auswärtigen Angelegenheiten in Frankreich auf die betreffenden Minister ge¬
worfen werden? Herr Benedetti versichert wiederholt, er habe nicht einmal
die Ehre gehabt, dem Kaiser jemals schriftlich oder mündlich seine Rathschläge
auf Grund der in Berlin gemachten Beobachtungen zu unterbreiten.
Die Frage indeß, wie sich der Antheil an den Früchten der auswärtigen
Politik Frankreichs in den letzten fünf Jahren des Kaiserreichs zwischen dem
Kaiser und seinen Ministern stellt, hat für den deutschen Leser vorläufig eine
untergeordnete Bedeutung. Die Geschichtsforschung mag einst dieser Frage
ihre Aufmerksamkeit zuwenden, und diese Darstellung des Herrn Benedetti
mag für die Entscheidung in Betracht kommen. Für jetzt ist es höchstens die
bonapartische Partei in Frankreich, welche ein gewisses Interesse darin finden
mag, die Last der Vorwürfe, unter welcher der Name Napoleon III. erliegt,
zu mindern.
Auch dieser Erfolg, wenn er in gewissen Kreisen des französischen Publi-
cums erreicht werden sollte, scheint ein so geringfügiger, daß um seinetwillen
die Veröffentlichung des Herrn Benedetti noch nicht völlig erklärbar wird. Auf
die Spur allerdings hat uns die sorgfältige Fernhaltung des Kaisers durch
Herrn Benedetti von den Einzelheiten der diplomatischen Action geführt, daß
die Schrift höchst wahrscheinlich ihren Ursprung hat in den Bedürfnissen der
napoleonischen Action auf die öffentliche Meinung. Wenn Herr Benedetti
die Gelegenheit benutzt, sich selbst in das möglichst vortheilhafte Licht zu stellen
und alle gegen ihn geschleuderten Vorwürfe möglichst zu entkräften, so ist
dies doch ein Zweck, der nur nebenbei, wenn auch mit allen Mitteln ver¬
folgt wird.
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