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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.

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jene Schilderung und Entwickelung der Gcundzüge unserer preußischen Hee¬
resorganisation, die dieser Franzose mit bewundernswerther Einsicht und
Offenheit und mit sachverständiger Unbefangenheit und Parteilosigkeit gegeben
hat. Auf die technischen Details gehen wir natürlich nicht ein: die Grund¬
gedanken unseres Heerwesens gilt es aufzuzeigen. Möchte die Folgerung für
die praktische Politik unserer Reichsvertretung unmittelbar daraus hervor¬
springen !

Wiederholt kehrt in diesen Berichten der Gedanke wieder, daß es ethische
Prinzipien seien, auf denen das deutsche Heerwesen sich aufgebaut habe. Im¬
mer wieder sucht der Berichterstatter die Vorzüge der allgemeinen Dienstpflicht
hervorzuheben und durch Beleuchtung von den verschiedensten Seiten her die
Trefflichkeit dieses Systemes recht klar zu machen: der allgemeine Schulunter¬
richt, den jeder durchmachen muß, die allgemeine Militärpflicht und das, alles
öffentliche und private Leben erfüllende allgemeine Pflichtgefühl sind die Säu¬
len des deutschen Staates. Er erzählt, wie man nach dem Kriege von 1813
das Heeresgesetz 1814 erlassen; er erörtert dann die Unvollkommenheiten der
Ausführung des Grundgedankens, die Mängel und Schwächen des preußischen
Heerwesens, wie sie seit 18S0 immer allgemeiner fühlbar wurden: die Reor¬
ganisation von 18K0 ist ihm die gelungenere Ausführung des großen, schon
früher als richtig erkannten, aber praktisch nicht durchgeführten Prinzipes.
Sehr deutlich und allgemein faßbar entwickelt dieser Franzose die unter¬
scheidenden Merkmale des Zustandes vor und nach 1860: erst seit der Armee¬
reorganisation ist die allgemeine Wehrpflicht eine Thatsache. Folgt man die¬
sen Rapports in die Einzelausführungen, durch welche immer das Thema
vernehmbar hindurchklingt, fo wird man vielfach an das erinnert, was die
Erfahrungen und Beobachtungen dieses letzten Krieges uns allen an die
Hand gegeben. Die höhere Intelligenz im deutschen Heere, bei den Officieren
wie bei den Soldaten, hat uns zum Siege über den wälschen Nachbar ge¬
führt. Nicht oft genug kann stosset die allgemeine Bildung, die Sachkennt¬
nis den Studieneifer rühmen, mit welchem man überall die Vervollkommnung
unserer Armee betrieben hat: ein glänzenderes, ein durchschlagenderes Zeug¬
niß der ganz außerordentlichen Leistungen unserer Militärverwaltung läßt
sich kaum schreiben, als ein sachverständiger Feind hier abgelegt hat.

Wollten wir Einzelheiten hervorheben, so würden wir auf die Erörterung
über unseren Generalstab hinweisen, die Schilderung des Vorganges bei der
Mobilmachung, die oft wiederkehrende Bewunderung der unermüdlichen Sorg¬
falt mit der die höchsten Spitzen sich der Ausbildung der einzelnen Truppen,
der sorgsamen Pflege des Details hingeben. Ueberhaupt, das springt jedem
aufmerksamen Leser in die Augen, welch einen ganz hervorragenden Antheil
unser König persönlich an den Verdiensten unseres Heeres ansprechen, darf.


jene Schilderung und Entwickelung der Gcundzüge unserer preußischen Hee¬
resorganisation, die dieser Franzose mit bewundernswerther Einsicht und
Offenheit und mit sachverständiger Unbefangenheit und Parteilosigkeit gegeben
hat. Auf die technischen Details gehen wir natürlich nicht ein: die Grund¬
gedanken unseres Heerwesens gilt es aufzuzeigen. Möchte die Folgerung für
die praktische Politik unserer Reichsvertretung unmittelbar daraus hervor¬
springen !

Wiederholt kehrt in diesen Berichten der Gedanke wieder, daß es ethische
Prinzipien seien, auf denen das deutsche Heerwesen sich aufgebaut habe. Im¬
mer wieder sucht der Berichterstatter die Vorzüge der allgemeinen Dienstpflicht
hervorzuheben und durch Beleuchtung von den verschiedensten Seiten her die
Trefflichkeit dieses Systemes recht klar zu machen: der allgemeine Schulunter¬
richt, den jeder durchmachen muß, die allgemeine Militärpflicht und das, alles
öffentliche und private Leben erfüllende allgemeine Pflichtgefühl sind die Säu¬
len des deutschen Staates. Er erzählt, wie man nach dem Kriege von 1813
das Heeresgesetz 1814 erlassen; er erörtert dann die Unvollkommenheiten der
Ausführung des Grundgedankens, die Mängel und Schwächen des preußischen
Heerwesens, wie sie seit 18S0 immer allgemeiner fühlbar wurden: die Reor¬
ganisation von 18K0 ist ihm die gelungenere Ausführung des großen, schon
früher als richtig erkannten, aber praktisch nicht durchgeführten Prinzipes.
Sehr deutlich und allgemein faßbar entwickelt dieser Franzose die unter¬
scheidenden Merkmale des Zustandes vor und nach 1860: erst seit der Armee¬
reorganisation ist die allgemeine Wehrpflicht eine Thatsache. Folgt man die¬
sen Rapports in die Einzelausführungen, durch welche immer das Thema
vernehmbar hindurchklingt, fo wird man vielfach an das erinnert, was die
Erfahrungen und Beobachtungen dieses letzten Krieges uns allen an die
Hand gegeben. Die höhere Intelligenz im deutschen Heere, bei den Officieren
wie bei den Soldaten, hat uns zum Siege über den wälschen Nachbar ge¬
führt. Nicht oft genug kann stosset die allgemeine Bildung, die Sachkennt¬
nis den Studieneifer rühmen, mit welchem man überall die Vervollkommnung
unserer Armee betrieben hat: ein glänzenderes, ein durchschlagenderes Zeug¬
niß der ganz außerordentlichen Leistungen unserer Militärverwaltung läßt
sich kaum schreiben, als ein sachverständiger Feind hier abgelegt hat.

Wollten wir Einzelheiten hervorheben, so würden wir auf die Erörterung
über unseren Generalstab hinweisen, die Schilderung des Vorganges bei der
Mobilmachung, die oft wiederkehrende Bewunderung der unermüdlichen Sorg¬
falt mit der die höchsten Spitzen sich der Ausbildung der einzelnen Truppen,
der sorgsamen Pflege des Details hingeben. Ueberhaupt, das springt jedem
aufmerksamen Leser in die Augen, welch einen ganz hervorragenden Antheil
unser König persönlich an den Verdiensten unseres Heeres ansprechen, darf.


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[0112] jene Schilderung und Entwickelung der Gcundzüge unserer preußischen Hee¬ resorganisation, die dieser Franzose mit bewundernswerther Einsicht und Offenheit und mit sachverständiger Unbefangenheit und Parteilosigkeit gegeben hat. Auf die technischen Details gehen wir natürlich nicht ein: die Grund¬ gedanken unseres Heerwesens gilt es aufzuzeigen. Möchte die Folgerung für die praktische Politik unserer Reichsvertretung unmittelbar daraus hervor¬ springen ! Wiederholt kehrt in diesen Berichten der Gedanke wieder, daß es ethische Prinzipien seien, auf denen das deutsche Heerwesen sich aufgebaut habe. Im¬ mer wieder sucht der Berichterstatter die Vorzüge der allgemeinen Dienstpflicht hervorzuheben und durch Beleuchtung von den verschiedensten Seiten her die Trefflichkeit dieses Systemes recht klar zu machen: der allgemeine Schulunter¬ richt, den jeder durchmachen muß, die allgemeine Militärpflicht und das, alles öffentliche und private Leben erfüllende allgemeine Pflichtgefühl sind die Säu¬ len des deutschen Staates. Er erzählt, wie man nach dem Kriege von 1813 das Heeresgesetz 1814 erlassen; er erörtert dann die Unvollkommenheiten der Ausführung des Grundgedankens, die Mängel und Schwächen des preußischen Heerwesens, wie sie seit 18S0 immer allgemeiner fühlbar wurden: die Reor¬ ganisation von 18K0 ist ihm die gelungenere Ausführung des großen, schon früher als richtig erkannten, aber praktisch nicht durchgeführten Prinzipes. Sehr deutlich und allgemein faßbar entwickelt dieser Franzose die unter¬ scheidenden Merkmale des Zustandes vor und nach 1860: erst seit der Armee¬ reorganisation ist die allgemeine Wehrpflicht eine Thatsache. Folgt man die¬ sen Rapports in die Einzelausführungen, durch welche immer das Thema vernehmbar hindurchklingt, fo wird man vielfach an das erinnert, was die Erfahrungen und Beobachtungen dieses letzten Krieges uns allen an die Hand gegeben. Die höhere Intelligenz im deutschen Heere, bei den Officieren wie bei den Soldaten, hat uns zum Siege über den wälschen Nachbar ge¬ führt. Nicht oft genug kann stosset die allgemeine Bildung, die Sachkennt¬ nis den Studieneifer rühmen, mit welchem man überall die Vervollkommnung unserer Armee betrieben hat: ein glänzenderes, ein durchschlagenderes Zeug¬ niß der ganz außerordentlichen Leistungen unserer Militärverwaltung läßt sich kaum schreiben, als ein sachverständiger Feind hier abgelegt hat. Wollten wir Einzelheiten hervorheben, so würden wir auf die Erörterung über unseren Generalstab hinweisen, die Schilderung des Vorganges bei der Mobilmachung, die oft wiederkehrende Bewunderung der unermüdlichen Sorg¬ falt mit der die höchsten Spitzen sich der Ausbildung der einzelnen Truppen, der sorgsamen Pflege des Details hingeben. Ueberhaupt, das springt jedem aufmerksamen Leser in die Augen, welch einen ganz hervorragenden Antheil unser König persönlich an den Verdiensten unseres Heeres ansprechen, darf.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_192299/112>, abgerufen am 05.02.2025.