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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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des Schicksals!), sowie dieses Thor mit den Stadtmauern blieben vom Brande
verschont. Der trotzige Unabhängigkeitssinn, der sich von jeher in der Ge¬
schichte Perugia's offenbarte, läßt sich aus der stolzen Lage dieser monumen¬
talen Bergveste, inmitten blühender Landschaften, wohl erklären. Einen der
wonnigsten Blicke auf die Umgebung bietet eine Plattform dicht hinter dem
Marktplatz. Während man von Cortona aus große Thäler und mächtige
Berglinien überblickt, so herrscht hier die romantische Anmuth vor, eine Gat¬
tung landschaftlicher Schönheit, die, zumal mit klassischen Formen verbunden,
nicht weniger ihren unnennbaren Reiz besitzt. So weit das Auge reicht, bis
nach Assisi hin, runde, olivenbewachsene Höhen, besetzt mit friedlichen Dör¬
fern und Städtchen. Zu Füßen und links von uns lagerten sich über den
Abhang hinab die hohen alten Häuser, aus denen Rauch aufstieg, und
die trotz ihrer altersschwarzen Erscheinung ein behagliches Leben, sowie poeti¬
schen Sinn in der Bevölkerung vermuthen lassen. -- Als wir die steile Straße
hinabgingen, sahen wir fast an jedem Fenster besondere, vorstehende, eiserne
Halter für Blumentöpfe, und hie und da blickte das Rundköpfchen eines fri¬
schen Peruginerkindes hervor, das ihren Blumen Wasser gab. -- Schon halb
dunkel war es, als wir für diesen Tag das letzte schöne Landschaftsbild ge¬
nossen, vor dem Kloster S. Bernardino, mit der barocken Gartenmauer da¬
neben, hinter welcher entlaubte Baumäste, sowie in der Ferne die Bergzüge hervor¬
ragten. Dann begaben wir uns durch die engen Gassen mit den hohen
Häusern in unseren Gasthof, ^Idergo im2long.Je, wo die Kammern zwar ein¬
fach, die Bedienung jedoch solid, und der Wein im höchsten Grade zu em¬
pfehlen ist. Es gibt wohl keinen Wein in Italien, der in Farbe, Duft und
Geschmack so viel Verwandtschaft mit dem Rheinwein zeigt.

Es war natürlich, daß wir zuerst die Monumente betrachteten, die unter freiem
Himmel stehen, ehe wir andern Tags in das Innere der Gebäude eintraten. So sei
denn zunächst des Brunnens Erwähnung gethan, der das nördliche Ende des
Marktplatzes schmückt, und zwischen den ehrwürdigen Bauten des Negierungs-
palastes einerseits und des Domes anderseits steht. Auf fünf kreisrunden
Stufen erhebt sich zunächst ein 2seeliges Becken; eine jede Seite desselben ist
von Säulchen flankirt und mit je zwei Reliefs geschmückt, die außer den ver¬
schiedenen Beschäftigungen und Zodiakalzeichen der zwölf Monate, die Figuren
der freien Künste, die Wappen Perugia's, Pisa's, Roms und Venedigs, sowie
Scenen aus dem alten Testament und aus Aesop's Fabeln zum Gegenstand
haben. An dem Wappen Pisa's befindet sich die Inschrift: "^oannis est
keulxwr Imjus v^xziis." Inmitten dieses Beckens trägt ein Wald kurzstämmi¬
ger Säulchen (ein Motiv, das sich auch am Taufstein des Baptiste-
riums, sowie am Sacramenthäuschen des Vecchietta im Dom von Siena
befindet), ein zweites, gleichfalls vieleckiges Becken, dessen Ecken mit Statuetten


des Schicksals!), sowie dieses Thor mit den Stadtmauern blieben vom Brande
verschont. Der trotzige Unabhängigkeitssinn, der sich von jeher in der Ge¬
schichte Perugia's offenbarte, läßt sich aus der stolzen Lage dieser monumen¬
talen Bergveste, inmitten blühender Landschaften, wohl erklären. Einen der
wonnigsten Blicke auf die Umgebung bietet eine Plattform dicht hinter dem
Marktplatz. Während man von Cortona aus große Thäler und mächtige
Berglinien überblickt, so herrscht hier die romantische Anmuth vor, eine Gat¬
tung landschaftlicher Schönheit, die, zumal mit klassischen Formen verbunden,
nicht weniger ihren unnennbaren Reiz besitzt. So weit das Auge reicht, bis
nach Assisi hin, runde, olivenbewachsene Höhen, besetzt mit friedlichen Dör¬
fern und Städtchen. Zu Füßen und links von uns lagerten sich über den
Abhang hinab die hohen alten Häuser, aus denen Rauch aufstieg, und
die trotz ihrer altersschwarzen Erscheinung ein behagliches Leben, sowie poeti¬
schen Sinn in der Bevölkerung vermuthen lassen. — Als wir die steile Straße
hinabgingen, sahen wir fast an jedem Fenster besondere, vorstehende, eiserne
Halter für Blumentöpfe, und hie und da blickte das Rundköpfchen eines fri¬
schen Peruginerkindes hervor, das ihren Blumen Wasser gab. — Schon halb
dunkel war es, als wir für diesen Tag das letzte schöne Landschaftsbild ge¬
nossen, vor dem Kloster S. Bernardino, mit der barocken Gartenmauer da¬
neben, hinter welcher entlaubte Baumäste, sowie in der Ferne die Bergzüge hervor¬
ragten. Dann begaben wir uns durch die engen Gassen mit den hohen
Häusern in unseren Gasthof, ^Idergo im2long.Je, wo die Kammern zwar ein¬
fach, die Bedienung jedoch solid, und der Wein im höchsten Grade zu em¬
pfehlen ist. Es gibt wohl keinen Wein in Italien, der in Farbe, Duft und
Geschmack so viel Verwandtschaft mit dem Rheinwein zeigt.

Es war natürlich, daß wir zuerst die Monumente betrachteten, die unter freiem
Himmel stehen, ehe wir andern Tags in das Innere der Gebäude eintraten. So sei
denn zunächst des Brunnens Erwähnung gethan, der das nördliche Ende des
Marktplatzes schmückt, und zwischen den ehrwürdigen Bauten des Negierungs-
palastes einerseits und des Domes anderseits steht. Auf fünf kreisrunden
Stufen erhebt sich zunächst ein 2seeliges Becken; eine jede Seite desselben ist
von Säulchen flankirt und mit je zwei Reliefs geschmückt, die außer den ver¬
schiedenen Beschäftigungen und Zodiakalzeichen der zwölf Monate, die Figuren
der freien Künste, die Wappen Perugia's, Pisa's, Roms und Venedigs, sowie
Scenen aus dem alten Testament und aus Aesop's Fabeln zum Gegenstand
haben. An dem Wappen Pisa's befindet sich die Inschrift: „^oannis est
keulxwr Imjus v^xziis." Inmitten dieses Beckens trägt ein Wald kurzstämmi¬
ger Säulchen (ein Motiv, das sich auch am Taufstein des Baptiste-
riums, sowie am Sacramenthäuschen des Vecchietta im Dom von Siena
befindet), ein zweites, gleichfalls vieleckiges Becken, dessen Ecken mit Statuetten


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[0063] des Schicksals!), sowie dieses Thor mit den Stadtmauern blieben vom Brande verschont. Der trotzige Unabhängigkeitssinn, der sich von jeher in der Ge¬ schichte Perugia's offenbarte, läßt sich aus der stolzen Lage dieser monumen¬ talen Bergveste, inmitten blühender Landschaften, wohl erklären. Einen der wonnigsten Blicke auf die Umgebung bietet eine Plattform dicht hinter dem Marktplatz. Während man von Cortona aus große Thäler und mächtige Berglinien überblickt, so herrscht hier die romantische Anmuth vor, eine Gat¬ tung landschaftlicher Schönheit, die, zumal mit klassischen Formen verbunden, nicht weniger ihren unnennbaren Reiz besitzt. So weit das Auge reicht, bis nach Assisi hin, runde, olivenbewachsene Höhen, besetzt mit friedlichen Dör¬ fern und Städtchen. Zu Füßen und links von uns lagerten sich über den Abhang hinab die hohen alten Häuser, aus denen Rauch aufstieg, und die trotz ihrer altersschwarzen Erscheinung ein behagliches Leben, sowie poeti¬ schen Sinn in der Bevölkerung vermuthen lassen. — Als wir die steile Straße hinabgingen, sahen wir fast an jedem Fenster besondere, vorstehende, eiserne Halter für Blumentöpfe, und hie und da blickte das Rundköpfchen eines fri¬ schen Peruginerkindes hervor, das ihren Blumen Wasser gab. — Schon halb dunkel war es, als wir für diesen Tag das letzte schöne Landschaftsbild ge¬ nossen, vor dem Kloster S. Bernardino, mit der barocken Gartenmauer da¬ neben, hinter welcher entlaubte Baumäste, sowie in der Ferne die Bergzüge hervor¬ ragten. Dann begaben wir uns durch die engen Gassen mit den hohen Häusern in unseren Gasthof, ^Idergo im2long.Je, wo die Kammern zwar ein¬ fach, die Bedienung jedoch solid, und der Wein im höchsten Grade zu em¬ pfehlen ist. Es gibt wohl keinen Wein in Italien, der in Farbe, Duft und Geschmack so viel Verwandtschaft mit dem Rheinwein zeigt. Es war natürlich, daß wir zuerst die Monumente betrachteten, die unter freiem Himmel stehen, ehe wir andern Tags in das Innere der Gebäude eintraten. So sei denn zunächst des Brunnens Erwähnung gethan, der das nördliche Ende des Marktplatzes schmückt, und zwischen den ehrwürdigen Bauten des Negierungs- palastes einerseits und des Domes anderseits steht. Auf fünf kreisrunden Stufen erhebt sich zunächst ein 2seeliges Becken; eine jede Seite desselben ist von Säulchen flankirt und mit je zwei Reliefs geschmückt, die außer den ver¬ schiedenen Beschäftigungen und Zodiakalzeichen der zwölf Monate, die Figuren der freien Künste, die Wappen Perugia's, Pisa's, Roms und Venedigs, sowie Scenen aus dem alten Testament und aus Aesop's Fabeln zum Gegenstand haben. An dem Wappen Pisa's befindet sich die Inschrift: „^oannis est keulxwr Imjus v^xziis." Inmitten dieses Beckens trägt ein Wald kurzstämmi¬ ger Säulchen (ein Motiv, das sich auch am Taufstein des Baptiste- riums, sowie am Sacramenthäuschen des Vecchietta im Dom von Siena befindet), ein zweites, gleichfalls vieleckiges Becken, dessen Ecken mit Statuetten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/63>, abgerufen am 24.07.2024.