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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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v. Wartenberg gekauften Hause an der langen Brücke !n Berlin. Die Con-
stituirung dieser technischen Centralbehörde war ein bedeutender Fortschritt,
weil die Verwaltung, auf bestimmte Principien gegründet und von admini¬
strativen Schranken befreit, ihre Culturaufgabe freisinniger zu erfassen und
besser zu erfüllen vermochte. Der König ließ sich über den Zustand des Post-
wesens fort und fort eingehenden Vortrag halten, decretirte häufig Tar¬
ermäßigungen, und den Vorstehern der Postämter in fremden Postgebieten
befahl er "durch desinteressirte Verwaltung" das Publicum zu ge¬
winnen. Unter Friedrich dem Großen erlitt das preußische Postwesen vor¬
übergebend einen empfindlichen Rückschlag durch Einführung der französischen
Postregie (1766), welche eine Menge drückender PostVerordnungen erließ, hohe
Taxen einführte, und durch Organisation eines förmlichen Spionir- und De¬
nuncianten-Corps von Postfiscälen, Postvisitateurs die Verwaltung demora-
lisirte. Es war dies ein Irrthum des großen Königs, der "mehr Execution,
weniger Verordnung" oder, wie Justus Möser treffend sagt: "Mehl. Mehl,
nicht die Mühle", also mehr productive Thätigkeit im Postwesen haben
wollte. Nach Abschaffung der Regie wurde in dem Ober-Postdirector,
nachherigen General-Postmeister v. Seegebarth (1773) eine ausgezeichnete
Kraft für das Postwesen gewonnen; letzteres verdankt ihm wichtige Verbesse¬
rungen. Zur Zeit des Abschlusses des Hubertsburger Friedens war die Staats¬
kasse so erschöpft, daß Friedrich der Große einen Antrag des General-Post¬
amts um Bewilligung von 60,000 Thaler für das Postfuhrwesen mit den
Worten ablehnte: "ich bin jetzt arm wie Hiov", und unter einer Ein¬
gabe der Berliner Fuhrleute wegen Erstattung ihres Schadens bei Fortnahme
der Pferde durch die Russen eigenhändig vermerkte: "ob man ihnen nicht
auch den Schaden von der LünätluKt vergühtigen Sol." Doch
bald erholte sich das Land und auch die Einnahmen aus dem Postwesen
wuchsen. Auch damals gab es noch keine Thüren in den Postwagen, viel¬
mehr waren bloß Leinwandvorhänge an den Seitenöffnungen zum Schutze ge¬
gen Wind und Wetter angebracht, was freilich wenig nützte. Chausseen fehl¬
ten noch gänzlich, und der Ober - Postdirector Abt verlangte für Westpreußen
mit seinen verrufenen Wegen vergeblich die Anlage der "ersten Chaussee" in
den königlichen Staaten. Kein Wunder, daß Johann Nepomuck Hecht in
seinem "Reisehandbüchlein", "wonnnen denen Reisenden fürgestellet, was ihnen
zu haben, thun und wissen nöthig", als Erfordernisse der "ordentlichen" Passa¬
giers christliche Geduld und eine gute Leibesconstitution aufführt.
Im Jahre 1754 wurden die ersten Post - Journalieren zwischen Berlin und
Potsdam eingerichtet; die Fahrten übernahm der Probst Süßmilch, dem der
Gasthof in Zehlendorf gehörte; zuerst ging täglich eine Journaliere Morgens


v. Wartenberg gekauften Hause an der langen Brücke !n Berlin. Die Con-
stituirung dieser technischen Centralbehörde war ein bedeutender Fortschritt,
weil die Verwaltung, auf bestimmte Principien gegründet und von admini¬
strativen Schranken befreit, ihre Culturaufgabe freisinniger zu erfassen und
besser zu erfüllen vermochte. Der König ließ sich über den Zustand des Post-
wesens fort und fort eingehenden Vortrag halten, decretirte häufig Tar¬
ermäßigungen, und den Vorstehern der Postämter in fremden Postgebieten
befahl er „durch desinteressirte Verwaltung" das Publicum zu ge¬
winnen. Unter Friedrich dem Großen erlitt das preußische Postwesen vor¬
übergebend einen empfindlichen Rückschlag durch Einführung der französischen
Postregie (1766), welche eine Menge drückender PostVerordnungen erließ, hohe
Taxen einführte, und durch Organisation eines förmlichen Spionir- und De¬
nuncianten-Corps von Postfiscälen, Postvisitateurs die Verwaltung demora-
lisirte. Es war dies ein Irrthum des großen Königs, der „mehr Execution,
weniger Verordnung" oder, wie Justus Möser treffend sagt: „Mehl. Mehl,
nicht die Mühle", also mehr productive Thätigkeit im Postwesen haben
wollte. Nach Abschaffung der Regie wurde in dem Ober-Postdirector,
nachherigen General-Postmeister v. Seegebarth (1773) eine ausgezeichnete
Kraft für das Postwesen gewonnen; letzteres verdankt ihm wichtige Verbesse¬
rungen. Zur Zeit des Abschlusses des Hubertsburger Friedens war die Staats¬
kasse so erschöpft, daß Friedrich der Große einen Antrag des General-Post¬
amts um Bewilligung von 60,000 Thaler für das Postfuhrwesen mit den
Worten ablehnte: „ich bin jetzt arm wie Hiov", und unter einer Ein¬
gabe der Berliner Fuhrleute wegen Erstattung ihres Schadens bei Fortnahme
der Pferde durch die Russen eigenhändig vermerkte: „ob man ihnen nicht
auch den Schaden von der LünätluKt vergühtigen Sol." Doch
bald erholte sich das Land und auch die Einnahmen aus dem Postwesen
wuchsen. Auch damals gab es noch keine Thüren in den Postwagen, viel¬
mehr waren bloß Leinwandvorhänge an den Seitenöffnungen zum Schutze ge¬
gen Wind und Wetter angebracht, was freilich wenig nützte. Chausseen fehl¬
ten noch gänzlich, und der Ober - Postdirector Abt verlangte für Westpreußen
mit seinen verrufenen Wegen vergeblich die Anlage der „ersten Chaussee" in
den königlichen Staaten. Kein Wunder, daß Johann Nepomuck Hecht in
seinem „Reisehandbüchlein", „wonnnen denen Reisenden fürgestellet, was ihnen
zu haben, thun und wissen nöthig", als Erfordernisse der „ordentlichen" Passa¬
giers christliche Geduld und eine gute Leibesconstitution aufführt.
Im Jahre 1754 wurden die ersten Post - Journalieren zwischen Berlin und
Potsdam eingerichtet; die Fahrten übernahm der Probst Süßmilch, dem der
Gasthof in Zehlendorf gehörte; zuerst ging täglich eine Journaliere Morgens


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/520>, abgerufen am 24.07.2024.