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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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welcher selbst die spitzbübischen Tschinowniks des absolutistischen Rußland fast
wie ehrliche Leute erscheinen.

Die republikanischen Blätter Neuyorks bringen ein Verzeichnis? von Zah¬
lungen, welche 1868 und 1869, dann 1870 aus dem gemeinen Kasten an
vier Firmen, angeblich für Arbeiten an den öffentlichen Gebäuden, ge¬
leistet worden sind. staunenerregende Rechnungen eines dem "Ring" ange-
hörigen Möbelhändlers, eines Bautischlers, eines Gypsers und Plunders, die
ebenfalls Mitglieder der Tammany-Verbrüderung sind, zusammen 9,789,482
Dollars, wurden von den Vätern der Stadt ohne den mindesten Anstand
genehmigt und ausbezahlt. Dabei sind die veröffentlichten Conto's -- wört¬
liche Abschriften aus den Büchern des Controllers Conolly -- lediglich solche
für das County, und es wird behauptet, daß eine Untersuchung der Conto's
der Stadt noch weit ärgere Dinge an's Tageslicht fördern würde. Es ist
gar kein Zweifel, daß eine ehrliche Verwaltung die Arbeiten, für welche obige
Summe ausgegeben wurde, um wenigstens sieben, vielleicht um sieben und
eine halbe Million wohlfeiler hätte herstellen können. Der Mayor Hall hat
sich gegen diesen und andere Vorwürfe lediglich damit vertheidigt, dergleichen
Betrug wäre "nur unter dem alten Regime" möglich gewesen. Aber Hall,
Conolly, Sweeney und Tweed waren die eigentlichen Leiter dieses alten Re¬
gime's, und der Unterschied zwischen damals und jetzt besteht nur darin, daß
diese Bier früher die Gewalt über die öffentlichen Gelder mit Andern zu thei¬
len hatten, während sie unter der gegenwärtigen Verwaltung so gut wie ab¬
solut herrschen.

Die betreffenden Geldanweisungen sind zu Gunsten verschiedener Personen
ausgestellt, aber alle indofsirt durch Jngersoll u. Comp. oder I. H. Jngersoll,
der Associe' von Tweed und ein wohlbekanntes Werkzeug des Tammany-
Bundes ist. Fünf und drei Viertel Millionen wurden in Anweisungen auf
seinen Namen indossirt, und es leidet nicht den geringsten Zweifel, daß er
im Interesse Hall's und seiner Genossen handelte.

Nun aber wollen wir uns einmal die Zahlen selbst ansehen. Für Aus¬
besserungen und Möbel in den Zeughäusern der Miliz wurden in den bei¬
den letzten Jahren 1,447,999 und an einem einzigen Tage, den 30. Juni
v. I., über zweimalhunderttausend Dollars bezahlt. Eine einzige Firma er¬
hielt für Möbel, die sie in das neue Gerichtshaus geliefert haben sollte, den
Betrag von 1.476,980 Dollars. Für Zimmerarbeiten in demselben Gebäude,
welches beiläufig fast nur aus Marmor und Eisen besteht, wurden in einem
einzigen Monate 360.751 Dollars verausgabt. Ist G. S. Miller, dem diese
ungeheure Summe in die Tasche floß, wenn er nicht mit dem Mayor zu
theilen hatte, der glücklichste Bautischler der Welt, so dürfen wir in Andrew
Garvey, der an einem Tage, nämlich am 2. Juli 1869, für Stuckaturarbei-


welcher selbst die spitzbübischen Tschinowniks des absolutistischen Rußland fast
wie ehrliche Leute erscheinen.

Die republikanischen Blätter Neuyorks bringen ein Verzeichnis? von Zah¬
lungen, welche 1868 und 1869, dann 1870 aus dem gemeinen Kasten an
vier Firmen, angeblich für Arbeiten an den öffentlichen Gebäuden, ge¬
leistet worden sind. staunenerregende Rechnungen eines dem „Ring" ange-
hörigen Möbelhändlers, eines Bautischlers, eines Gypsers und Plunders, die
ebenfalls Mitglieder der Tammany-Verbrüderung sind, zusammen 9,789,482
Dollars, wurden von den Vätern der Stadt ohne den mindesten Anstand
genehmigt und ausbezahlt. Dabei sind die veröffentlichten Conto's — wört¬
liche Abschriften aus den Büchern des Controllers Conolly — lediglich solche
für das County, und es wird behauptet, daß eine Untersuchung der Conto's
der Stadt noch weit ärgere Dinge an's Tageslicht fördern würde. Es ist
gar kein Zweifel, daß eine ehrliche Verwaltung die Arbeiten, für welche obige
Summe ausgegeben wurde, um wenigstens sieben, vielleicht um sieben und
eine halbe Million wohlfeiler hätte herstellen können. Der Mayor Hall hat
sich gegen diesen und andere Vorwürfe lediglich damit vertheidigt, dergleichen
Betrug wäre „nur unter dem alten Regime" möglich gewesen. Aber Hall,
Conolly, Sweeney und Tweed waren die eigentlichen Leiter dieses alten Re¬
gime's, und der Unterschied zwischen damals und jetzt besteht nur darin, daß
diese Bier früher die Gewalt über die öffentlichen Gelder mit Andern zu thei¬
len hatten, während sie unter der gegenwärtigen Verwaltung so gut wie ab¬
solut herrschen.

Die betreffenden Geldanweisungen sind zu Gunsten verschiedener Personen
ausgestellt, aber alle indofsirt durch Jngersoll u. Comp. oder I. H. Jngersoll,
der Associe' von Tweed und ein wohlbekanntes Werkzeug des Tammany-
Bundes ist. Fünf und drei Viertel Millionen wurden in Anweisungen auf
seinen Namen indossirt, und es leidet nicht den geringsten Zweifel, daß er
im Interesse Hall's und seiner Genossen handelte.

Nun aber wollen wir uns einmal die Zahlen selbst ansehen. Für Aus¬
besserungen und Möbel in den Zeughäusern der Miliz wurden in den bei¬
den letzten Jahren 1,447,999 und an einem einzigen Tage, den 30. Juni
v. I., über zweimalhunderttausend Dollars bezahlt. Eine einzige Firma er¬
hielt für Möbel, die sie in das neue Gerichtshaus geliefert haben sollte, den
Betrag von 1.476,980 Dollars. Für Zimmerarbeiten in demselben Gebäude,
welches beiläufig fast nur aus Marmor und Eisen besteht, wurden in einem
einzigen Monate 360.751 Dollars verausgabt. Ist G. S. Miller, dem diese
ungeheure Summe in die Tasche floß, wenn er nicht mit dem Mayor zu
theilen hatte, der glücklichste Bautischler der Welt, so dürfen wir in Andrew
Garvey, der an einem Tage, nämlich am 2. Juli 1869, für Stuckaturarbei-


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[0477] welcher selbst die spitzbübischen Tschinowniks des absolutistischen Rußland fast wie ehrliche Leute erscheinen. Die republikanischen Blätter Neuyorks bringen ein Verzeichnis? von Zah¬ lungen, welche 1868 und 1869, dann 1870 aus dem gemeinen Kasten an vier Firmen, angeblich für Arbeiten an den öffentlichen Gebäuden, ge¬ leistet worden sind. staunenerregende Rechnungen eines dem „Ring" ange- hörigen Möbelhändlers, eines Bautischlers, eines Gypsers und Plunders, die ebenfalls Mitglieder der Tammany-Verbrüderung sind, zusammen 9,789,482 Dollars, wurden von den Vätern der Stadt ohne den mindesten Anstand genehmigt und ausbezahlt. Dabei sind die veröffentlichten Conto's — wört¬ liche Abschriften aus den Büchern des Controllers Conolly — lediglich solche für das County, und es wird behauptet, daß eine Untersuchung der Conto's der Stadt noch weit ärgere Dinge an's Tageslicht fördern würde. Es ist gar kein Zweifel, daß eine ehrliche Verwaltung die Arbeiten, für welche obige Summe ausgegeben wurde, um wenigstens sieben, vielleicht um sieben und eine halbe Million wohlfeiler hätte herstellen können. Der Mayor Hall hat sich gegen diesen und andere Vorwürfe lediglich damit vertheidigt, dergleichen Betrug wäre „nur unter dem alten Regime" möglich gewesen. Aber Hall, Conolly, Sweeney und Tweed waren die eigentlichen Leiter dieses alten Re¬ gime's, und der Unterschied zwischen damals und jetzt besteht nur darin, daß diese Bier früher die Gewalt über die öffentlichen Gelder mit Andern zu thei¬ len hatten, während sie unter der gegenwärtigen Verwaltung so gut wie ab¬ solut herrschen. Die betreffenden Geldanweisungen sind zu Gunsten verschiedener Personen ausgestellt, aber alle indofsirt durch Jngersoll u. Comp. oder I. H. Jngersoll, der Associe' von Tweed und ein wohlbekanntes Werkzeug des Tammany- Bundes ist. Fünf und drei Viertel Millionen wurden in Anweisungen auf seinen Namen indossirt, und es leidet nicht den geringsten Zweifel, daß er im Interesse Hall's und seiner Genossen handelte. Nun aber wollen wir uns einmal die Zahlen selbst ansehen. Für Aus¬ besserungen und Möbel in den Zeughäusern der Miliz wurden in den bei¬ den letzten Jahren 1,447,999 und an einem einzigen Tage, den 30. Juni v. I., über zweimalhunderttausend Dollars bezahlt. Eine einzige Firma er¬ hielt für Möbel, die sie in das neue Gerichtshaus geliefert haben sollte, den Betrag von 1.476,980 Dollars. Für Zimmerarbeiten in demselben Gebäude, welches beiläufig fast nur aus Marmor und Eisen besteht, wurden in einem einzigen Monate 360.751 Dollars verausgabt. Ist G. S. Miller, dem diese ungeheure Summe in die Tasche floß, wenn er nicht mit dem Mayor zu theilen hatte, der glücklichste Bautischler der Welt, so dürfen wir in Andrew Garvey, der an einem Tage, nämlich am 2. Juli 1869, für Stuckaturarbei-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/477>, abgerufen am 24.07.2024.