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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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für die militärische Profession erziehen wolle, -- erklärten alle übrigen Blät¬
ter in England ihre Befriedigung mit dem Resultat. Zugleich war damit
die Hauptfrage vom ganzen Budget entschieden.

Nachdem die Bill im Unterhause in drei Lesungen angenommen war,
gelangte sie an das Oberhaus, wo noch schlimme Kämpfe des Ministeriums
harrten. Bereits gegen Ende Juni war die Opposition beim Herzog von
Richmond zusammengetreten, um über die Haltung zu berathen, welche sie der
Bill gegenüber einnehmen würde, und hatte dort den Beschluß gefaßt, sie zu
Falle zu bringen. Man beabsichtigte das Resultat nicht allein wegen der
Abschaffung des Stellenkaufs, fondern weil man meinte, es werde dadurch
niemals überhaupt eine entsprechende Reorganisation des Heeres zuwege ge¬
bracht. Die Entscheidung ließ nicht lange auf sich warten.

Zur Sitzung am 17. Juli war trotz der ungewöhnlich heißen Witterung
sowohl das Haus selbst als der Zuhörerraum bedeutend gefüllt und mit
Lebhaftigkeit und Schärfe wurde über das Thema gestritten. Lord Salisbury
verschonte in seiner Rede weder die Minister noch das Unterhaus, die Wähler
und die Vorlage. Gegen 2 Uhr Morgens kam es zur Abstimmung, welche
nach dem Antrage des Herzogs von Richmond die Verwerfung der Abschaffung
des StellenkaufÄ mit 155 gegen 130 Stimmen in erster Lesung ergab und
mit lebhaften Zurufen der Majorität begrüßt wurde.

Wenige Tage darauf theilte Earl Granville dem Oberhause mit, daß
die Regierung der Königin gerathen habe, den Stellenkauf mittelst Deeretes
abzuschaffen. Die Königin habe eingewilligt und so werde das System vom
1. November 1871 ab beseitigt sein. Der Minister erklärt u. a.: Den
Herrlichkeiten würde die Verantwortlichkeit erspart und fiele allein dem Unter¬
hause und der Regierung zur Last; er sei überzeugt, sie würden mit der Be¬
rathung über die übrigen Bestimmungen der Heeresbill, fortfahren. Sie
könnten ja durch Amendement bekunden, daß sie die Verantwortlichkeit ab¬
lehnten. Richmond erklärte, daß ihm die Anzeige überraschend gekommen sei
und er sich Meinungsäußerung vorbehalte. Am nächsten Tage beantragte er,
sobald das Haus beschließe, in die zweite Lesung einzutreten, eine Erklärung
als Einschaltung, daß es das Verfahren der Regierung sehr verdammen müsse,
daß die Lesung aber bis zum 31. Juli vertagt werde. An diesem Tage er¬
klärte der Herzog, daß das Ereigniß in der englischen Parlamentsgeschichte
fast beispiellos sei und den Lords die Verpflichtung auferlege, die Ehre und
Würde des Hauses aufrecht zu erhalten. Wenn der Krone versichert worden
sei, sie handle nach dem statutarischen Gesetze, so sei das unrichtig und Ihrer
Majestät Unterschrift sei in ungeeigneter Weise erhalten worden. Es sei ein
Eingriff in die Legislative functionirender Lords, diese Angelegenheit aus
ihren Händen zu nehmen, während die Bill noch vorliege. Er beantragt


für die militärische Profession erziehen wolle, — erklärten alle übrigen Blät¬
ter in England ihre Befriedigung mit dem Resultat. Zugleich war damit
die Hauptfrage vom ganzen Budget entschieden.

Nachdem die Bill im Unterhause in drei Lesungen angenommen war,
gelangte sie an das Oberhaus, wo noch schlimme Kämpfe des Ministeriums
harrten. Bereits gegen Ende Juni war die Opposition beim Herzog von
Richmond zusammengetreten, um über die Haltung zu berathen, welche sie der
Bill gegenüber einnehmen würde, und hatte dort den Beschluß gefaßt, sie zu
Falle zu bringen. Man beabsichtigte das Resultat nicht allein wegen der
Abschaffung des Stellenkaufs, fondern weil man meinte, es werde dadurch
niemals überhaupt eine entsprechende Reorganisation des Heeres zuwege ge¬
bracht. Die Entscheidung ließ nicht lange auf sich warten.

Zur Sitzung am 17. Juli war trotz der ungewöhnlich heißen Witterung
sowohl das Haus selbst als der Zuhörerraum bedeutend gefüllt und mit
Lebhaftigkeit und Schärfe wurde über das Thema gestritten. Lord Salisbury
verschonte in seiner Rede weder die Minister noch das Unterhaus, die Wähler
und die Vorlage. Gegen 2 Uhr Morgens kam es zur Abstimmung, welche
nach dem Antrage des Herzogs von Richmond die Verwerfung der Abschaffung
des StellenkaufÄ mit 155 gegen 130 Stimmen in erster Lesung ergab und
mit lebhaften Zurufen der Majorität begrüßt wurde.

Wenige Tage darauf theilte Earl Granville dem Oberhause mit, daß
die Regierung der Königin gerathen habe, den Stellenkauf mittelst Deeretes
abzuschaffen. Die Königin habe eingewilligt und so werde das System vom
1. November 1871 ab beseitigt sein. Der Minister erklärt u. a.: Den
Herrlichkeiten würde die Verantwortlichkeit erspart und fiele allein dem Unter¬
hause und der Regierung zur Last; er sei überzeugt, sie würden mit der Be¬
rathung über die übrigen Bestimmungen der Heeresbill, fortfahren. Sie
könnten ja durch Amendement bekunden, daß sie die Verantwortlichkeit ab¬
lehnten. Richmond erklärte, daß ihm die Anzeige überraschend gekommen sei
und er sich Meinungsäußerung vorbehalte. Am nächsten Tage beantragte er,
sobald das Haus beschließe, in die zweite Lesung einzutreten, eine Erklärung
als Einschaltung, daß es das Verfahren der Regierung sehr verdammen müsse,
daß die Lesung aber bis zum 31. Juli vertagt werde. An diesem Tage er¬
klärte der Herzog, daß das Ereigniß in der englischen Parlamentsgeschichte
fast beispiellos sei und den Lords die Verpflichtung auferlege, die Ehre und
Würde des Hauses aufrecht zu erhalten. Wenn der Krone versichert worden
sei, sie handle nach dem statutarischen Gesetze, so sei das unrichtig und Ihrer
Majestät Unterschrift sei in ungeeigneter Weise erhalten worden. Es sei ein
Eingriff in die Legislative functionirender Lords, diese Angelegenheit aus
ihren Händen zu nehmen, während die Bill noch vorliege. Er beantragt


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[0466] für die militärische Profession erziehen wolle, — erklärten alle übrigen Blät¬ ter in England ihre Befriedigung mit dem Resultat. Zugleich war damit die Hauptfrage vom ganzen Budget entschieden. Nachdem die Bill im Unterhause in drei Lesungen angenommen war, gelangte sie an das Oberhaus, wo noch schlimme Kämpfe des Ministeriums harrten. Bereits gegen Ende Juni war die Opposition beim Herzog von Richmond zusammengetreten, um über die Haltung zu berathen, welche sie der Bill gegenüber einnehmen würde, und hatte dort den Beschluß gefaßt, sie zu Falle zu bringen. Man beabsichtigte das Resultat nicht allein wegen der Abschaffung des Stellenkaufs, fondern weil man meinte, es werde dadurch niemals überhaupt eine entsprechende Reorganisation des Heeres zuwege ge¬ bracht. Die Entscheidung ließ nicht lange auf sich warten. Zur Sitzung am 17. Juli war trotz der ungewöhnlich heißen Witterung sowohl das Haus selbst als der Zuhörerraum bedeutend gefüllt und mit Lebhaftigkeit und Schärfe wurde über das Thema gestritten. Lord Salisbury verschonte in seiner Rede weder die Minister noch das Unterhaus, die Wähler und die Vorlage. Gegen 2 Uhr Morgens kam es zur Abstimmung, welche nach dem Antrage des Herzogs von Richmond die Verwerfung der Abschaffung des StellenkaufÄ mit 155 gegen 130 Stimmen in erster Lesung ergab und mit lebhaften Zurufen der Majorität begrüßt wurde. Wenige Tage darauf theilte Earl Granville dem Oberhause mit, daß die Regierung der Königin gerathen habe, den Stellenkauf mittelst Deeretes abzuschaffen. Die Königin habe eingewilligt und so werde das System vom 1. November 1871 ab beseitigt sein. Der Minister erklärt u. a.: Den Herrlichkeiten würde die Verantwortlichkeit erspart und fiele allein dem Unter¬ hause und der Regierung zur Last; er sei überzeugt, sie würden mit der Be¬ rathung über die übrigen Bestimmungen der Heeresbill, fortfahren. Sie könnten ja durch Amendement bekunden, daß sie die Verantwortlichkeit ab¬ lehnten. Richmond erklärte, daß ihm die Anzeige überraschend gekommen sei und er sich Meinungsäußerung vorbehalte. Am nächsten Tage beantragte er, sobald das Haus beschließe, in die zweite Lesung einzutreten, eine Erklärung als Einschaltung, daß es das Verfahren der Regierung sehr verdammen müsse, daß die Lesung aber bis zum 31. Juli vertagt werde. An diesem Tage er¬ klärte der Herzog, daß das Ereigniß in der englischen Parlamentsgeschichte fast beispiellos sei und den Lords die Verpflichtung auferlege, die Ehre und Würde des Hauses aufrecht zu erhalten. Wenn der Krone versichert worden sei, sie handle nach dem statutarischen Gesetze, so sei das unrichtig und Ihrer Majestät Unterschrift sei in ungeeigneter Weise erhalten worden. Es sei ein Eingriff in die Legislative functionirender Lords, diese Angelegenheit aus ihren Händen zu nehmen, während die Bill noch vorliege. Er beantragt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/466>, abgerufen am 24.07.2024.