Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Franklin war der einzige Amerikaner, der vor dem Unabhängigkeitskriege Ty¬
pen gießen konnte; er gelangte dazu durch die bittere Nothwendigkeit und
mit Hülfe einer Procedur eigener Erfindung.

Die erste amerikanische Zeitung -- wenn man die ephemere Existenz des
so schnell unterdrückten Blattes von Harris nicht in Erwägung zieht -- er¬
schien am 24. April 1704 und der Herausgeber wie Drucker war der Post-
director John Campbell zu Boston. Die Entstehungsgeschichte ist folgende.
Der berühmte Prediger John Cotton, der in Amerika den englischen Gebrauch
eingeführt hatte, an jedem Donnerstag seinen Pfarrkindern eine öffentliche
Vorlesung zu halten, sei es nun über einen Punkt aus der Geschichte oder
über eine Stelle in der Bibel, zog dadurch an diesem Tage eine große Menge
von Colonen aus der ganzen Ansiedelung nach der Hauptstadt, welcher Um¬
stand die Behörden veranlaßte an diesem Tage einen großen Freimarke zu
Boston zu eröffnen, wodurch sich die Ansiedler wiederum daran gewöhnten
regelmäßig jeden Donnerstag zur Stadt zu kommen. Sobald die Borlesung
beendigt war, eilte alles auf den Marktplatz, um die öffentlichen Angelegen¬
heiten der Colonie zu besprechen, locale Neuigkeiten unter einander auszu¬
tauschen und sich über die von jenseit des Meers gekommenen Nachrichten
zu informiren. Eine ganz natürliche Folge hiervon war, daß man auch den
Abgang der Postcouriere nach den Schwestercolonien auf diesen Tag festsetzte.
Dieser Zusammenfluß von Menschen nun, diese allgemein sich kundthuende
Neugierde gaben John Campbell die erste Idee zu seinem Unternehmen. Als
Director des Postwesens war er der erste, der in Besitz der Neuigkeiten von
Europa kam: die Jnlandcouriere benachrichtigten ihn von den Gerüchten, welche
in den verschiedenen Colonien in Umlauf waren; die Markttage aber, die sein
Haus von Besuchern, welche Briefe holten und brachten, nicht leer werden ließen,
machten ihn mit allem bekannt, was die eigene Colonie betraf. So dachte er
denn, es möchte einiger Verdienst dabei zu finden sein, wenn er ein fliegen¬
des Blatt zum Verkauf ausböte, in dem die Anordnungen der Autoritäten, die
Neuigkeiten aus den Colonien und ein Resume der übers Meer gekommenen
Nachrichten zu finden seien. So entstand das erste wirkliche amerikanische
Journal, der Boston News-Letter (Bostoner Neuigkeits-Brief), ein Titel, der
an die geschriebenen Blätter erinnert, welche die Vorläufer der Zeitungen
waren und den ersten Gedanken dazu gaben. Das neugegründete Blatt wurde
einem Schreibmaterialienhändler Namens Nicolas Boone zum Verkauf über-
geben und zwar weil er seinen Laden dem Bethause gegenüber hatte. Es
ist leicht möglich, daß Campbell auch von den örtlichen Autoritäten zu seinem
Unternehmen aufgemuntert wurde, denn es hat den Anschein, als ob er ge¬
glaubt habe, daß er durch die Herausgabe des Boston News-Letter einen
öffentlichen Dienst erfülle, Nicht nur spricht er zu verschiedenen Malen von


Franklin war der einzige Amerikaner, der vor dem Unabhängigkeitskriege Ty¬
pen gießen konnte; er gelangte dazu durch die bittere Nothwendigkeit und
mit Hülfe einer Procedur eigener Erfindung.

Die erste amerikanische Zeitung — wenn man die ephemere Existenz des
so schnell unterdrückten Blattes von Harris nicht in Erwägung zieht — er¬
schien am 24. April 1704 und der Herausgeber wie Drucker war der Post-
director John Campbell zu Boston. Die Entstehungsgeschichte ist folgende.
Der berühmte Prediger John Cotton, der in Amerika den englischen Gebrauch
eingeführt hatte, an jedem Donnerstag seinen Pfarrkindern eine öffentliche
Vorlesung zu halten, sei es nun über einen Punkt aus der Geschichte oder
über eine Stelle in der Bibel, zog dadurch an diesem Tage eine große Menge
von Colonen aus der ganzen Ansiedelung nach der Hauptstadt, welcher Um¬
stand die Behörden veranlaßte an diesem Tage einen großen Freimarke zu
Boston zu eröffnen, wodurch sich die Ansiedler wiederum daran gewöhnten
regelmäßig jeden Donnerstag zur Stadt zu kommen. Sobald die Borlesung
beendigt war, eilte alles auf den Marktplatz, um die öffentlichen Angelegen¬
heiten der Colonie zu besprechen, locale Neuigkeiten unter einander auszu¬
tauschen und sich über die von jenseit des Meers gekommenen Nachrichten
zu informiren. Eine ganz natürliche Folge hiervon war, daß man auch den
Abgang der Postcouriere nach den Schwestercolonien auf diesen Tag festsetzte.
Dieser Zusammenfluß von Menschen nun, diese allgemein sich kundthuende
Neugierde gaben John Campbell die erste Idee zu seinem Unternehmen. Als
Director des Postwesens war er der erste, der in Besitz der Neuigkeiten von
Europa kam: die Jnlandcouriere benachrichtigten ihn von den Gerüchten, welche
in den verschiedenen Colonien in Umlauf waren; die Markttage aber, die sein
Haus von Besuchern, welche Briefe holten und brachten, nicht leer werden ließen,
machten ihn mit allem bekannt, was die eigene Colonie betraf. So dachte er
denn, es möchte einiger Verdienst dabei zu finden sein, wenn er ein fliegen¬
des Blatt zum Verkauf ausböte, in dem die Anordnungen der Autoritäten, die
Neuigkeiten aus den Colonien und ein Resume der übers Meer gekommenen
Nachrichten zu finden seien. So entstand das erste wirkliche amerikanische
Journal, der Boston News-Letter (Bostoner Neuigkeits-Brief), ein Titel, der
an die geschriebenen Blätter erinnert, welche die Vorläufer der Zeitungen
waren und den ersten Gedanken dazu gaben. Das neugegründete Blatt wurde
einem Schreibmaterialienhändler Namens Nicolas Boone zum Verkauf über-
geben und zwar weil er seinen Laden dem Bethause gegenüber hatte. Es
ist leicht möglich, daß Campbell auch von den örtlichen Autoritäten zu seinem
Unternehmen aufgemuntert wurde, denn es hat den Anschein, als ob er ge¬
glaubt habe, daß er durch die Herausgabe des Boston News-Letter einen
öffentlichen Dienst erfülle, Nicht nur spricht er zu verschiedenen Malen von


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0452" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/126728"/>
          <p xml:id="ID_1380" prev="#ID_1379"> Franklin war der einzige Amerikaner, der vor dem Unabhängigkeitskriege Ty¬<lb/>
pen gießen konnte; er gelangte dazu durch die bittere Nothwendigkeit und<lb/>
mit Hülfe einer Procedur eigener Erfindung.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1381" next="#ID_1382"> Die erste amerikanische Zeitung &#x2014; wenn man die ephemere Existenz des<lb/>
so schnell unterdrückten Blattes von Harris nicht in Erwägung zieht &#x2014; er¬<lb/>
schien am 24. April 1704 und der Herausgeber wie Drucker war der Post-<lb/>
director John Campbell zu Boston. Die Entstehungsgeschichte ist folgende.<lb/>
Der berühmte Prediger John Cotton, der in Amerika den englischen Gebrauch<lb/>
eingeführt hatte, an jedem Donnerstag seinen Pfarrkindern eine öffentliche<lb/>
Vorlesung zu halten, sei es nun über einen Punkt aus der Geschichte oder<lb/>
über eine Stelle in der Bibel, zog dadurch an diesem Tage eine große Menge<lb/>
von Colonen aus der ganzen Ansiedelung nach der Hauptstadt, welcher Um¬<lb/>
stand die Behörden veranlaßte an diesem Tage einen großen Freimarke zu<lb/>
Boston zu eröffnen, wodurch sich die Ansiedler wiederum daran gewöhnten<lb/>
regelmäßig jeden Donnerstag zur Stadt zu kommen. Sobald die Borlesung<lb/>
beendigt war, eilte alles auf den Marktplatz, um die öffentlichen Angelegen¬<lb/>
heiten der Colonie zu besprechen, locale Neuigkeiten unter einander auszu¬<lb/>
tauschen und sich über die von jenseit des Meers gekommenen Nachrichten<lb/>
zu informiren. Eine ganz natürliche Folge hiervon war, daß man auch den<lb/>
Abgang der Postcouriere nach den Schwestercolonien auf diesen Tag festsetzte.<lb/>
Dieser Zusammenfluß von Menschen nun, diese allgemein sich kundthuende<lb/>
Neugierde gaben John Campbell die erste Idee zu seinem Unternehmen. Als<lb/>
Director des Postwesens war er der erste, der in Besitz der Neuigkeiten von<lb/>
Europa kam: die Jnlandcouriere benachrichtigten ihn von den Gerüchten, welche<lb/>
in den verschiedenen Colonien in Umlauf waren; die Markttage aber, die sein<lb/>
Haus von Besuchern, welche Briefe holten und brachten, nicht leer werden ließen,<lb/>
machten ihn mit allem bekannt, was die eigene Colonie betraf. So dachte er<lb/>
denn, es möchte einiger Verdienst dabei zu finden sein, wenn er ein fliegen¬<lb/>
des Blatt zum Verkauf ausböte, in dem die Anordnungen der Autoritäten, die<lb/>
Neuigkeiten aus den Colonien und ein Resume der übers Meer gekommenen<lb/>
Nachrichten zu finden seien. So entstand das erste wirkliche amerikanische<lb/>
Journal, der Boston News-Letter (Bostoner Neuigkeits-Brief), ein Titel, der<lb/>
an die geschriebenen Blätter erinnert, welche die Vorläufer der Zeitungen<lb/>
waren und den ersten Gedanken dazu gaben. Das neugegründete Blatt wurde<lb/>
einem Schreibmaterialienhändler Namens Nicolas Boone zum Verkauf über-<lb/>
geben und zwar weil er seinen Laden dem Bethause gegenüber hatte. Es<lb/>
ist leicht möglich, daß Campbell auch von den örtlichen Autoritäten zu seinem<lb/>
Unternehmen aufgemuntert wurde, denn es hat den Anschein, als ob er ge¬<lb/>
glaubt habe, daß er durch die Herausgabe des Boston News-Letter einen<lb/>
öffentlichen Dienst erfülle, Nicht nur spricht er zu verschiedenen Malen von</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0452] Franklin war der einzige Amerikaner, der vor dem Unabhängigkeitskriege Ty¬ pen gießen konnte; er gelangte dazu durch die bittere Nothwendigkeit und mit Hülfe einer Procedur eigener Erfindung. Die erste amerikanische Zeitung — wenn man die ephemere Existenz des so schnell unterdrückten Blattes von Harris nicht in Erwägung zieht — er¬ schien am 24. April 1704 und der Herausgeber wie Drucker war der Post- director John Campbell zu Boston. Die Entstehungsgeschichte ist folgende. Der berühmte Prediger John Cotton, der in Amerika den englischen Gebrauch eingeführt hatte, an jedem Donnerstag seinen Pfarrkindern eine öffentliche Vorlesung zu halten, sei es nun über einen Punkt aus der Geschichte oder über eine Stelle in der Bibel, zog dadurch an diesem Tage eine große Menge von Colonen aus der ganzen Ansiedelung nach der Hauptstadt, welcher Um¬ stand die Behörden veranlaßte an diesem Tage einen großen Freimarke zu Boston zu eröffnen, wodurch sich die Ansiedler wiederum daran gewöhnten regelmäßig jeden Donnerstag zur Stadt zu kommen. Sobald die Borlesung beendigt war, eilte alles auf den Marktplatz, um die öffentlichen Angelegen¬ heiten der Colonie zu besprechen, locale Neuigkeiten unter einander auszu¬ tauschen und sich über die von jenseit des Meers gekommenen Nachrichten zu informiren. Eine ganz natürliche Folge hiervon war, daß man auch den Abgang der Postcouriere nach den Schwestercolonien auf diesen Tag festsetzte. Dieser Zusammenfluß von Menschen nun, diese allgemein sich kundthuende Neugierde gaben John Campbell die erste Idee zu seinem Unternehmen. Als Director des Postwesens war er der erste, der in Besitz der Neuigkeiten von Europa kam: die Jnlandcouriere benachrichtigten ihn von den Gerüchten, welche in den verschiedenen Colonien in Umlauf waren; die Markttage aber, die sein Haus von Besuchern, welche Briefe holten und brachten, nicht leer werden ließen, machten ihn mit allem bekannt, was die eigene Colonie betraf. So dachte er denn, es möchte einiger Verdienst dabei zu finden sein, wenn er ein fliegen¬ des Blatt zum Verkauf ausböte, in dem die Anordnungen der Autoritäten, die Neuigkeiten aus den Colonien und ein Resume der übers Meer gekommenen Nachrichten zu finden seien. So entstand das erste wirkliche amerikanische Journal, der Boston News-Letter (Bostoner Neuigkeits-Brief), ein Titel, der an die geschriebenen Blätter erinnert, welche die Vorläufer der Zeitungen waren und den ersten Gedanken dazu gaben. Das neugegründete Blatt wurde einem Schreibmaterialienhändler Namens Nicolas Boone zum Verkauf über- geben und zwar weil er seinen Laden dem Bethause gegenüber hatte. Es ist leicht möglich, daß Campbell auch von den örtlichen Autoritäten zu seinem Unternehmen aufgemuntert wurde, denn es hat den Anschein, als ob er ge¬ glaubt habe, daß er durch die Herausgabe des Boston News-Letter einen öffentlichen Dienst erfülle, Nicht nur spricht er zu verschiedenen Malen von

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/452
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/452>, abgerufen am 25.07.2024.