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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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Mäßigung aus, er hatte Erbarmen mit uns Verlornen. "Begnügen wir
uns", sagte er, "mit der Verbrennung eines einzigen preußischen Regiments;
diese Erfahrung wird ausreichen." Und einer der Redacteure des Blattes,
jener Millaud, gab in einer Aufwallung ritterlichen Sinnes folgenden Rath:

"Gegen unsern Feind darf man nicht zögern, die gräßlichsten Mittel, die
furchtbarsten Werkzeuge anzuwenden, welche der Mensch jemals erfunden hat.
Aber im Namen der Humanität, wenn das neue griechische Feuer so schreck¬
liche Wirkungen hat, als man sagt, so darf man sich seiner nur gegen eine
kleine Masse bedienen, gegen ein Regiment zum Beispiel. Dann halte man
damit inne. Es ist klar für uns, daß der König von Preußen menschlicher
Weise den Krieg nicht fortsetzen kann."

Aber Andere begnügten sich mit so wenig nicht. In der Nummer des
"Siecle" vom 24. October las man:

"Sollten alle Preußen aus Preußen, aus Württemberg, aus Bayern,
aus Hessen und aus Baden niemals sich wieder des Anblicks der Würste und
Sauerkrautschüsseln jenseit des Rheins erfreuen, so würden wir leicht finden,
was zu thun, wenn Paris und Frankreich nur von der Geißel der deutschen
Heuschrecken befreit würde."

Einige hitzige Köpfe wollten sogar, daß die Raketenwerfer, nachdem sie
die deutsche Armee sofort in Kohle verwandelt, "ihr Befreiungswerk über die
Grenzen hinaus verfolgten", und das Journal "La Revolution" setzte in
seiner Nummer vom 5. December, indem es sich mit der menschenfreundlichen
Hoffnung schmeichelte, das griechische Feuer werde den Krieg tödten, wenn
eine einmalige Probe mit lebendem Fleisch die Vernichtungskraft des neuen
Brennstoffs gezeigt, fröhlich hinzu: "und dieses glückliche Ergebniß würde mit
nichts als der Ausrottung einer Race Vandalen erkauft sein. Weit davon
entfernt, der Verdammung durch die gesitteten Völker anheimzufallen, würden
wir von ihnen gesegnet werden. Zögern wir nicht einen Augenblick!"

Dennoch zögerte man. Die Abgeordneten der Regierung, welche mit der
Berichterstattung über die neue Erfindung betraut waren, stießen sich an etwas.
Durchaus nicht etwa an Scrupel der Menschlichkeit, Gott behüte! So ent¬
setzliche Dinge, wie das Rundschreiben Wahrmund Chaudordy's auf die Rech¬
nung der Preußen gesetzt hatte, schlossen auch denen den Mund, welche man
als die feinfühligen Mitglieder des Comite's bezeichnete. Sondern die Ge-
scheidtesten sagten sich unter einander, daß die Preußen auch etwas von der
Chemie verstehen und auf die feurigen Grüße der Marseiller Pyrotechniker mit
Repressalien antworten könnten. Auf diesen klugen Einwurf antworteten
zwar die Taufpathen des griechischen Feuers: "Preußen hat gegen uns Nitro¬
glycerin, Petroleum, Explosivkugeln, mit Reifen versehene Geschosse ange¬
wendet. Wenn es uns kein griechisches Feuer zuschickt, so ist es nur, weil


Mäßigung aus, er hatte Erbarmen mit uns Verlornen. „Begnügen wir
uns", sagte er, „mit der Verbrennung eines einzigen preußischen Regiments;
diese Erfahrung wird ausreichen." Und einer der Redacteure des Blattes,
jener Millaud, gab in einer Aufwallung ritterlichen Sinnes folgenden Rath:

„Gegen unsern Feind darf man nicht zögern, die gräßlichsten Mittel, die
furchtbarsten Werkzeuge anzuwenden, welche der Mensch jemals erfunden hat.
Aber im Namen der Humanität, wenn das neue griechische Feuer so schreck¬
liche Wirkungen hat, als man sagt, so darf man sich seiner nur gegen eine
kleine Masse bedienen, gegen ein Regiment zum Beispiel. Dann halte man
damit inne. Es ist klar für uns, daß der König von Preußen menschlicher
Weise den Krieg nicht fortsetzen kann."

Aber Andere begnügten sich mit so wenig nicht. In der Nummer des
„Siecle" vom 24. October las man:

„Sollten alle Preußen aus Preußen, aus Württemberg, aus Bayern,
aus Hessen und aus Baden niemals sich wieder des Anblicks der Würste und
Sauerkrautschüsseln jenseit des Rheins erfreuen, so würden wir leicht finden,
was zu thun, wenn Paris und Frankreich nur von der Geißel der deutschen
Heuschrecken befreit würde."

Einige hitzige Köpfe wollten sogar, daß die Raketenwerfer, nachdem sie
die deutsche Armee sofort in Kohle verwandelt, „ihr Befreiungswerk über die
Grenzen hinaus verfolgten", und das Journal „La Revolution" setzte in
seiner Nummer vom 5. December, indem es sich mit der menschenfreundlichen
Hoffnung schmeichelte, das griechische Feuer werde den Krieg tödten, wenn
eine einmalige Probe mit lebendem Fleisch die Vernichtungskraft des neuen
Brennstoffs gezeigt, fröhlich hinzu: „und dieses glückliche Ergebniß würde mit
nichts als der Ausrottung einer Race Vandalen erkauft sein. Weit davon
entfernt, der Verdammung durch die gesitteten Völker anheimzufallen, würden
wir von ihnen gesegnet werden. Zögern wir nicht einen Augenblick!"

Dennoch zögerte man. Die Abgeordneten der Regierung, welche mit der
Berichterstattung über die neue Erfindung betraut waren, stießen sich an etwas.
Durchaus nicht etwa an Scrupel der Menschlichkeit, Gott behüte! So ent¬
setzliche Dinge, wie das Rundschreiben Wahrmund Chaudordy's auf die Rech¬
nung der Preußen gesetzt hatte, schlossen auch denen den Mund, welche man
als die feinfühligen Mitglieder des Comite's bezeichnete. Sondern die Ge-
scheidtesten sagten sich unter einander, daß die Preußen auch etwas von der
Chemie verstehen und auf die feurigen Grüße der Marseiller Pyrotechniker mit
Repressalien antworten könnten. Auf diesen klugen Einwurf antworteten
zwar die Taufpathen des griechischen Feuers: „Preußen hat gegen uns Nitro¬
glycerin, Petroleum, Explosivkugeln, mit Reifen versehene Geschosse ange¬
wendet. Wenn es uns kein griechisches Feuer zuschickt, so ist es nur, weil


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/439>, abgerufen am 25.07.2024.