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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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schöne Römerfahrt unter Führung des Caplan Majunke so vergällt, wie er
durch das böse Schreiben an den Grafen Frankenberg, welches heute alle
Zeitungen veröffentlichen, thut. Der Graf Frankenberg ist ein junger schle-
sischer Gutsbesitzer, der. obgleich Katholik, sich der deutschen Reichspartei an¬
geschlossen hat, und deshalb von den Klerikalen auf das Wüthendste und
nicht gerade immer mit loyalen Waffen angegriffen wurde. Diese deutsche
Reichspartei, die so etwas wie eine Minister-Brutstätte ist, hatte es von An¬
fang der Neichssession an auf die Klerikalen abgesehen und hatte sich auch so
nahe als möglich zu ihr gesetzt. Ein paar ihrer Mitglieder, Graf Münster,
der so Lord ist, daß er sich naturgemäß nach einem Oberhaus sehnt, und der
feine geschäftige, von einem brennenden Arbeits- und Thatendrang verzehrte
Friedenthal-Gießmannsdorf, sitzen sogar auf den Bänken des Centrums.
Nachbarschaft macht oft die schlimmsten Feinde. Mochte es dies sein, oder die
anfängliche Hoffnung, die Klerikalen zu gewinnen, die ja neben den simpeln
Pfaffen auch eine recht ansehnliche Zahl von feinen Köpfen zählen, wie Ketteler,
Windthorst, Leuthe -- mag es endlich die Verbindung der Reichspartei durch
das Medium Keudell mit dem Fürsten Bismarck gewesen sein, kurz von der
Reichspartei wurden sowohl im Hause die Klerikalen bei jeder Gelegenheit an¬
gegriffen, als auch in ihrem publicistischen Organ -- sie gestatten sich nicht den Luxus
einer Zeitung und vertrauen deshalb ihre intimsten Gedanken einer lithogra-
phirten Correspondenz an -- zuerst die Enthüllungen gebracht wurden, daß
der Papst die Politik des Centrums mißbillige. Das wurde nun in Abrede
gestellt und Rede und Gegenrede wechselten anmuthig ab, bis endlich Bismarck
mit seines Namens Unterschrift Alles bestätigt, was die Klerikalen in Abrede
gestellt hatten. Das Organ der Klerikalen, die "Germania," konnte schon
gestern von dem Briefe Kenntniß haben, und veröffentlicht heute eine von
dem Bischof Ketteler ausgehende Erklärung, wonach Antonelli mit der Politik
des Centrums keineswegs unzufrieden ist. Man kann eines und das andere
glauben, denn beide Versionen lassen sich nicht nur durch einen Zeitunterschied er¬
klären, sondern auch dadurch, daß man in Rom den Einen und den Andern
zu befriedigen versteht. Fürst Bismarck ist, wie schon seit Anfang der Reichs-
tagssitzung bekannt war, persönlich erbittert über die Haltung des Cen¬
trums, da er für die große Liberalität, welche Preußen, der Bund und das
Reich der katholischen Kirche bewiesen haben, auf einen Dank rechnete. Es ist
ein Gemeinplatz, zu wiederholen, daß diese Rechnung nicht richtig ist, aber Ge¬
meinplätze sind manchmal wahr.

Die Provinziallandtage sind fast unmittelbar nach dem Schlüsse des
Reichstages in den meisten Provinzen zusammengetreten. Sie haben sich in
erster Linie mit den Wahlen zu den nach dem Bundesgesetz vom 8. März zu
errichtenden Deputationen für das Heimathwesen zu beschäftigen. Auf diese


schöne Römerfahrt unter Führung des Caplan Majunke so vergällt, wie er
durch das böse Schreiben an den Grafen Frankenberg, welches heute alle
Zeitungen veröffentlichen, thut. Der Graf Frankenberg ist ein junger schle-
sischer Gutsbesitzer, der. obgleich Katholik, sich der deutschen Reichspartei an¬
geschlossen hat, und deshalb von den Klerikalen auf das Wüthendste und
nicht gerade immer mit loyalen Waffen angegriffen wurde. Diese deutsche
Reichspartei, die so etwas wie eine Minister-Brutstätte ist, hatte es von An¬
fang der Neichssession an auf die Klerikalen abgesehen und hatte sich auch so
nahe als möglich zu ihr gesetzt. Ein paar ihrer Mitglieder, Graf Münster,
der so Lord ist, daß er sich naturgemäß nach einem Oberhaus sehnt, und der
feine geschäftige, von einem brennenden Arbeits- und Thatendrang verzehrte
Friedenthal-Gießmannsdorf, sitzen sogar auf den Bänken des Centrums.
Nachbarschaft macht oft die schlimmsten Feinde. Mochte es dies sein, oder die
anfängliche Hoffnung, die Klerikalen zu gewinnen, die ja neben den simpeln
Pfaffen auch eine recht ansehnliche Zahl von feinen Köpfen zählen, wie Ketteler,
Windthorst, Leuthe — mag es endlich die Verbindung der Reichspartei durch
das Medium Keudell mit dem Fürsten Bismarck gewesen sein, kurz von der
Reichspartei wurden sowohl im Hause die Klerikalen bei jeder Gelegenheit an¬
gegriffen, als auch in ihrem publicistischen Organ — sie gestatten sich nicht den Luxus
einer Zeitung und vertrauen deshalb ihre intimsten Gedanken einer lithogra-
phirten Correspondenz an — zuerst die Enthüllungen gebracht wurden, daß
der Papst die Politik des Centrums mißbillige. Das wurde nun in Abrede
gestellt und Rede und Gegenrede wechselten anmuthig ab, bis endlich Bismarck
mit seines Namens Unterschrift Alles bestätigt, was die Klerikalen in Abrede
gestellt hatten. Das Organ der Klerikalen, die „Germania," konnte schon
gestern von dem Briefe Kenntniß haben, und veröffentlicht heute eine von
dem Bischof Ketteler ausgehende Erklärung, wonach Antonelli mit der Politik
des Centrums keineswegs unzufrieden ist. Man kann eines und das andere
glauben, denn beide Versionen lassen sich nicht nur durch einen Zeitunterschied er¬
klären, sondern auch dadurch, daß man in Rom den Einen und den Andern
zu befriedigen versteht. Fürst Bismarck ist, wie schon seit Anfang der Reichs-
tagssitzung bekannt war, persönlich erbittert über die Haltung des Cen¬
trums, da er für die große Liberalität, welche Preußen, der Bund und das
Reich der katholischen Kirche bewiesen haben, auf einen Dank rechnete. Es ist
ein Gemeinplatz, zu wiederholen, daß diese Rechnung nicht richtig ist, aber Ge¬
meinplätze sind manchmal wahr.

Die Provinziallandtage sind fast unmittelbar nach dem Schlüsse des
Reichstages in den meisten Provinzen zusammengetreten. Sie haben sich in
erster Linie mit den Wahlen zu den nach dem Bundesgesetz vom 8. März zu
errichtenden Deputationen für das Heimathwesen zu beschäftigen. Auf diese


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/43>, abgerufen am 24.07.2024.