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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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Die "Gallerie" beginnt mit dem (von dem Verleger Sander verfaßten)
Fragment eines Briefes, worin der Herausgeber sagt, daß er das Manuscript
aus der dritten oder vierten Hand habe und daß er dem Auftrag, es drucken
zu lassen, um so bereitwilliger nachgekommen sei, da er die Erlaubniß erlangt
habe, einige Artikel vollständig zu unterdrücken und in anderen einzelne Stel¬
len zu streichen. Der Inhalt der Schrift selbst zerfällt in zwei Theile; in
dem ersten werden die bedeutendsten preußischen Militärpersonen, in dem zwei¬
ten Staatsmänner und Gelehrte besprochen. Mit einer gewissen Symmetrie
schließt die erste Reihe mit Massenbach, die zweite mit Buchholz. Die Zügel-
losigkeit in den Urtheilen über die hervorragendsten Repräsentanten des preu¬
ßischen Staats leistet das Höchste. Nur zuweilen nehmen Gedankenstriche die
Stelle ein, welche sonst -- man darf wohl behaupten -- unwahre oder freche
Aeußerungen ausgefüllt haben würden.

Das meiste Aufsehen machte der Artikel über den bei Saalfeld gefallenen
preußischen Prinzen Louis Ferdinand. Hier wird ausführlich von einer
Mission erzählt, welche Massenbach dereinst bei dem Prinzen in Hamburg
hatte, als derselbe dorthin einer Holländerin gefolgt war. Die letzten Monate
des Jahres 1805, heißt es weiterhin, hätten aus dem Prinzen einen Catilina
gemacht, der seinen Ingrimm sogar an den Fenstern des Grafen Haugwitz
ausgelassen habe. Im August 1806 habe er einmal vor einer bei ihm ver¬
sammelten Gesellschaft, welche aus Friedrich Ancillon, Johannes Müller und
dem Grafen von Antraigues bestanden habe, Aeußerungen ausgestoßen, welche
den König Friedrich Wilhelm wegen seiner unkriegerischen Politik mit dem
Tode bedrohten. Von Ancillon wird gesagt, er habe nach diesem Vorfalle
protestirend die Gesellschaft verlassen. Allein dieser erklärte in den Berliner
Zeitungen sehr bald die Erzählung für unwahr und erdichtet. Ganz im
Geiste derselben wird indeß in einer folgenden Stelle der "Gallerie" behauptet,
daß im Falle eines siegreichen Feldzuges der Preußen gegen Frankreich Louis
Ferdinand- den König Friedrich Wilhelm, dessen Persönlichkeit weit besser für
ein unglückliches als für ein glückliches Geschick passe, vom Throne verdrängt
haben würde.

Nach den mitgetheilten Proben darf das Urtheil, welches die "Gallerie"
über Blücher fällt, nicht wundernehmen. Das Lob, was Archenholz ihm
ertheilt, glaubt die "Gallerie" auf die Furcht des Journalisten vor seiner
Nähe zurückführen zu müssen. Diesem Lob gegenüber wird die Prophezeiung
ausgesprochen, daß die Nachwelt Blücher höchstens als einen guten Divisions¬
general kennen werde, und mit Weitläufigkeit wird die Ansicht entwickelt, daß
die Eigenschaften eines Feldherrn und eines "guten Pharospielers" nie in
einer Person vereinigt sein könnten.

An dem Artikel über Massenbach fällt vor Allem die Abhängigkeit


Die „Gallerie" beginnt mit dem (von dem Verleger Sander verfaßten)
Fragment eines Briefes, worin der Herausgeber sagt, daß er das Manuscript
aus der dritten oder vierten Hand habe und daß er dem Auftrag, es drucken
zu lassen, um so bereitwilliger nachgekommen sei, da er die Erlaubniß erlangt
habe, einige Artikel vollständig zu unterdrücken und in anderen einzelne Stel¬
len zu streichen. Der Inhalt der Schrift selbst zerfällt in zwei Theile; in
dem ersten werden die bedeutendsten preußischen Militärpersonen, in dem zwei¬
ten Staatsmänner und Gelehrte besprochen. Mit einer gewissen Symmetrie
schließt die erste Reihe mit Massenbach, die zweite mit Buchholz. Die Zügel-
losigkeit in den Urtheilen über die hervorragendsten Repräsentanten des preu¬
ßischen Staats leistet das Höchste. Nur zuweilen nehmen Gedankenstriche die
Stelle ein, welche sonst — man darf wohl behaupten — unwahre oder freche
Aeußerungen ausgefüllt haben würden.

Das meiste Aufsehen machte der Artikel über den bei Saalfeld gefallenen
preußischen Prinzen Louis Ferdinand. Hier wird ausführlich von einer
Mission erzählt, welche Massenbach dereinst bei dem Prinzen in Hamburg
hatte, als derselbe dorthin einer Holländerin gefolgt war. Die letzten Monate
des Jahres 1805, heißt es weiterhin, hätten aus dem Prinzen einen Catilina
gemacht, der seinen Ingrimm sogar an den Fenstern des Grafen Haugwitz
ausgelassen habe. Im August 1806 habe er einmal vor einer bei ihm ver¬
sammelten Gesellschaft, welche aus Friedrich Ancillon, Johannes Müller und
dem Grafen von Antraigues bestanden habe, Aeußerungen ausgestoßen, welche
den König Friedrich Wilhelm wegen seiner unkriegerischen Politik mit dem
Tode bedrohten. Von Ancillon wird gesagt, er habe nach diesem Vorfalle
protestirend die Gesellschaft verlassen. Allein dieser erklärte in den Berliner
Zeitungen sehr bald die Erzählung für unwahr und erdichtet. Ganz im
Geiste derselben wird indeß in einer folgenden Stelle der „Gallerie" behauptet,
daß im Falle eines siegreichen Feldzuges der Preußen gegen Frankreich Louis
Ferdinand- den König Friedrich Wilhelm, dessen Persönlichkeit weit besser für
ein unglückliches als für ein glückliches Geschick passe, vom Throne verdrängt
haben würde.

Nach den mitgetheilten Proben darf das Urtheil, welches die „Gallerie"
über Blücher fällt, nicht wundernehmen. Das Lob, was Archenholz ihm
ertheilt, glaubt die „Gallerie" auf die Furcht des Journalisten vor seiner
Nähe zurückführen zu müssen. Diesem Lob gegenüber wird die Prophezeiung
ausgesprochen, daß die Nachwelt Blücher höchstens als einen guten Divisions¬
general kennen werde, und mit Weitläufigkeit wird die Ansicht entwickelt, daß
die Eigenschaften eines Feldherrn und eines „guten Pharospielers" nie in
einer Person vereinigt sein könnten.

An dem Artikel über Massenbach fällt vor Allem die Abhängigkeit


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[0426] Die „Gallerie" beginnt mit dem (von dem Verleger Sander verfaßten) Fragment eines Briefes, worin der Herausgeber sagt, daß er das Manuscript aus der dritten oder vierten Hand habe und daß er dem Auftrag, es drucken zu lassen, um so bereitwilliger nachgekommen sei, da er die Erlaubniß erlangt habe, einige Artikel vollständig zu unterdrücken und in anderen einzelne Stel¬ len zu streichen. Der Inhalt der Schrift selbst zerfällt in zwei Theile; in dem ersten werden die bedeutendsten preußischen Militärpersonen, in dem zwei¬ ten Staatsmänner und Gelehrte besprochen. Mit einer gewissen Symmetrie schließt die erste Reihe mit Massenbach, die zweite mit Buchholz. Die Zügel- losigkeit in den Urtheilen über die hervorragendsten Repräsentanten des preu¬ ßischen Staats leistet das Höchste. Nur zuweilen nehmen Gedankenstriche die Stelle ein, welche sonst — man darf wohl behaupten — unwahre oder freche Aeußerungen ausgefüllt haben würden. Das meiste Aufsehen machte der Artikel über den bei Saalfeld gefallenen preußischen Prinzen Louis Ferdinand. Hier wird ausführlich von einer Mission erzählt, welche Massenbach dereinst bei dem Prinzen in Hamburg hatte, als derselbe dorthin einer Holländerin gefolgt war. Die letzten Monate des Jahres 1805, heißt es weiterhin, hätten aus dem Prinzen einen Catilina gemacht, der seinen Ingrimm sogar an den Fenstern des Grafen Haugwitz ausgelassen habe. Im August 1806 habe er einmal vor einer bei ihm ver¬ sammelten Gesellschaft, welche aus Friedrich Ancillon, Johannes Müller und dem Grafen von Antraigues bestanden habe, Aeußerungen ausgestoßen, welche den König Friedrich Wilhelm wegen seiner unkriegerischen Politik mit dem Tode bedrohten. Von Ancillon wird gesagt, er habe nach diesem Vorfalle protestirend die Gesellschaft verlassen. Allein dieser erklärte in den Berliner Zeitungen sehr bald die Erzählung für unwahr und erdichtet. Ganz im Geiste derselben wird indeß in einer folgenden Stelle der „Gallerie" behauptet, daß im Falle eines siegreichen Feldzuges der Preußen gegen Frankreich Louis Ferdinand- den König Friedrich Wilhelm, dessen Persönlichkeit weit besser für ein unglückliches als für ein glückliches Geschick passe, vom Throne verdrängt haben würde. Nach den mitgetheilten Proben darf das Urtheil, welches die „Gallerie" über Blücher fällt, nicht wundernehmen. Das Lob, was Archenholz ihm ertheilt, glaubt die „Gallerie" auf die Furcht des Journalisten vor seiner Nähe zurückführen zu müssen. Diesem Lob gegenüber wird die Prophezeiung ausgesprochen, daß die Nachwelt Blücher höchstens als einen guten Divisions¬ general kennen werde, und mit Weitläufigkeit wird die Ansicht entwickelt, daß die Eigenschaften eines Feldherrn und eines „guten Pharospielers" nie in einer Person vereinigt sein könnten. An dem Artikel über Massenbach fällt vor Allem die Abhängigkeit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/426>, abgerufen am 24.07.2024.