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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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neues manches Unbequeme, Unsichere, aber dergleichen seien doch meist im
dritten, selbst im zweiten Rayon gestattet und wenn dabei nicht gleich von
vorne herein aus Unbedachtsamkeit oder bösem Willen in gesetzwidriger Weise
verfahren werde, so könne eine solche Unternehmung vielfach recht gut ohne
nennenswerthe Steigerung der Anlagekosten in streng rayonmäßiger Weise
durchgeführt werden. Man mag dabei nicht vergessen, daß erst in neuerer
Zeit nicht wenig Plätze größere Industriestädte wurden, die längst schon be¬
festigte waren. -- Um einer allzusehr anwachsenden Bevölkerung im Festungs¬
kern vorzubeugen, bleibt die Erweiterung der Werke nicht ausgeschlossen. Am
Schlüsse dieses Capitels sagt der Verfasser: "Nach dem vorstehend Ange¬
führten dürfte die Behauptung gerechtfertigt sein, daß die Befestigung großer
Städte keineswegs für dieselben im Frieden unvermeidlicherweise eine Be¬
lastung bilde, welche über das Maaß dessen hinausgehe, was der Staat nach
den Regeln der Billigkeit und des wohlverstandenen Staatsinteresses von den
Einzelnen zum Besten des Ganzen verlangen darf. Es darf hierbei auch nicht
übersehen werden, daß die Eigenschaft einer großen Festungs- und Garnisons¬
stadt auch manche Vortheile für viele Insassen derselben mit sich bringt, und
daß die Lage an den großen Pulsadern des Verkehrs, wie sie den Betreffenden
zahlreiche Annehmlichkeiten verschafft, dieselben auch ganz consequent nach
einzelnen Richtungen hin belasten muß; andere an stilleren Punkten
Lebende Participiren eben an beiden nicht. Aber freilich ist jene Denkart nicht
selten, welche nur die Vortheile, nicht auch die Lasten eines Verhältnisses er¬
tragen will." --

Das Weitere, besonders über Ausnutzung solcher festen Plätze im Kriege,
geht über das Allgemeine hinaus, gehört somit mehr dem Bereich des Mili¬
tärwissenschaftlichen und Fachlichen an, wohin namentlich gehört: Werth der
Stadtbefestigungen als Debouches einer Armee, allgemeine Bemerkungen im
Betreff der Dauer des Widerstandes, Gründe für die Behauptung großer
Stadtfestungen, auch im Falle eines wirklichen Bombardements :e.

Aber nicht nur den Militär, auch den Laien muß das darüber Gesagte
in hohem Grade interessiren, da Alles, trotz der wissenschaftlichen Haltung,
klar, verständlich und ruhig gegeben ist.

Wir haben dabei noch hinzuzufügen, daß es nicht so leicht und billig
-- abgesehen von der Wichtigkeit der Lage eines Platzes -- es nicht so leicht
und billig ist, denselben zu entfestigen und dafür neue dem entsprechende
Werke zu schaffen. Tausende von Millionen, die im Laufe von Jahrhunder¬
ten und meist unter den schwierigsten Verhältnissen aufgebracht wurden, wür¬
den nutzlos werden, andere Tausende hätte man dagegen zu beschaffen.

Am Schlüsse des in jeder Beziehung interessanten Buches ist in einem
"Resume'" unter Anderem noch gesagt: daß die bisherigen Einwürfe gegen


Gttnzbotm II. 1871. 49

neues manches Unbequeme, Unsichere, aber dergleichen seien doch meist im
dritten, selbst im zweiten Rayon gestattet und wenn dabei nicht gleich von
vorne herein aus Unbedachtsamkeit oder bösem Willen in gesetzwidriger Weise
verfahren werde, so könne eine solche Unternehmung vielfach recht gut ohne
nennenswerthe Steigerung der Anlagekosten in streng rayonmäßiger Weise
durchgeführt werden. Man mag dabei nicht vergessen, daß erst in neuerer
Zeit nicht wenig Plätze größere Industriestädte wurden, die längst schon be¬
festigte waren. — Um einer allzusehr anwachsenden Bevölkerung im Festungs¬
kern vorzubeugen, bleibt die Erweiterung der Werke nicht ausgeschlossen. Am
Schlüsse dieses Capitels sagt der Verfasser: „Nach dem vorstehend Ange¬
führten dürfte die Behauptung gerechtfertigt sein, daß die Befestigung großer
Städte keineswegs für dieselben im Frieden unvermeidlicherweise eine Be¬
lastung bilde, welche über das Maaß dessen hinausgehe, was der Staat nach
den Regeln der Billigkeit und des wohlverstandenen Staatsinteresses von den
Einzelnen zum Besten des Ganzen verlangen darf. Es darf hierbei auch nicht
übersehen werden, daß die Eigenschaft einer großen Festungs- und Garnisons¬
stadt auch manche Vortheile für viele Insassen derselben mit sich bringt, und
daß die Lage an den großen Pulsadern des Verkehrs, wie sie den Betreffenden
zahlreiche Annehmlichkeiten verschafft, dieselben auch ganz consequent nach
einzelnen Richtungen hin belasten muß; andere an stilleren Punkten
Lebende Participiren eben an beiden nicht. Aber freilich ist jene Denkart nicht
selten, welche nur die Vortheile, nicht auch die Lasten eines Verhältnisses er¬
tragen will." —

Das Weitere, besonders über Ausnutzung solcher festen Plätze im Kriege,
geht über das Allgemeine hinaus, gehört somit mehr dem Bereich des Mili¬
tärwissenschaftlichen und Fachlichen an, wohin namentlich gehört: Werth der
Stadtbefestigungen als Debouches einer Armee, allgemeine Bemerkungen im
Betreff der Dauer des Widerstandes, Gründe für die Behauptung großer
Stadtfestungen, auch im Falle eines wirklichen Bombardements :e.

Aber nicht nur den Militär, auch den Laien muß das darüber Gesagte
in hohem Grade interessiren, da Alles, trotz der wissenschaftlichen Haltung,
klar, verständlich und ruhig gegeben ist.

Wir haben dabei noch hinzuzufügen, daß es nicht so leicht und billig
— abgesehen von der Wichtigkeit der Lage eines Platzes — es nicht so leicht
und billig ist, denselben zu entfestigen und dafür neue dem entsprechende
Werke zu schaffen. Tausende von Millionen, die im Laufe von Jahrhunder¬
ten und meist unter den schwierigsten Verhältnissen aufgebracht wurden, wür¬
den nutzlos werden, andere Tausende hätte man dagegen zu beschaffen.

Am Schlüsse des in jeder Beziehung interessanten Buches ist in einem
„Resume'" unter Anderem noch gesagt: daß die bisherigen Einwürfe gegen


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[0393] neues manches Unbequeme, Unsichere, aber dergleichen seien doch meist im dritten, selbst im zweiten Rayon gestattet und wenn dabei nicht gleich von vorne herein aus Unbedachtsamkeit oder bösem Willen in gesetzwidriger Weise verfahren werde, so könne eine solche Unternehmung vielfach recht gut ohne nennenswerthe Steigerung der Anlagekosten in streng rayonmäßiger Weise durchgeführt werden. Man mag dabei nicht vergessen, daß erst in neuerer Zeit nicht wenig Plätze größere Industriestädte wurden, die längst schon be¬ festigte waren. — Um einer allzusehr anwachsenden Bevölkerung im Festungs¬ kern vorzubeugen, bleibt die Erweiterung der Werke nicht ausgeschlossen. Am Schlüsse dieses Capitels sagt der Verfasser: „Nach dem vorstehend Ange¬ führten dürfte die Behauptung gerechtfertigt sein, daß die Befestigung großer Städte keineswegs für dieselben im Frieden unvermeidlicherweise eine Be¬ lastung bilde, welche über das Maaß dessen hinausgehe, was der Staat nach den Regeln der Billigkeit und des wohlverstandenen Staatsinteresses von den Einzelnen zum Besten des Ganzen verlangen darf. Es darf hierbei auch nicht übersehen werden, daß die Eigenschaft einer großen Festungs- und Garnisons¬ stadt auch manche Vortheile für viele Insassen derselben mit sich bringt, und daß die Lage an den großen Pulsadern des Verkehrs, wie sie den Betreffenden zahlreiche Annehmlichkeiten verschafft, dieselben auch ganz consequent nach einzelnen Richtungen hin belasten muß; andere an stilleren Punkten Lebende Participiren eben an beiden nicht. Aber freilich ist jene Denkart nicht selten, welche nur die Vortheile, nicht auch die Lasten eines Verhältnisses er¬ tragen will." — Das Weitere, besonders über Ausnutzung solcher festen Plätze im Kriege, geht über das Allgemeine hinaus, gehört somit mehr dem Bereich des Mili¬ tärwissenschaftlichen und Fachlichen an, wohin namentlich gehört: Werth der Stadtbefestigungen als Debouches einer Armee, allgemeine Bemerkungen im Betreff der Dauer des Widerstandes, Gründe für die Behauptung großer Stadtfestungen, auch im Falle eines wirklichen Bombardements :e. Aber nicht nur den Militär, auch den Laien muß das darüber Gesagte in hohem Grade interessiren, da Alles, trotz der wissenschaftlichen Haltung, klar, verständlich und ruhig gegeben ist. Wir haben dabei noch hinzuzufügen, daß es nicht so leicht und billig — abgesehen von der Wichtigkeit der Lage eines Platzes — es nicht so leicht und billig ist, denselben zu entfestigen und dafür neue dem entsprechende Werke zu schaffen. Tausende von Millionen, die im Laufe von Jahrhunder¬ ten und meist unter den schwierigsten Verhältnissen aufgebracht wurden, wür¬ den nutzlos werden, andere Tausende hätte man dagegen zu beschaffen. Am Schlüsse des in jeder Beziehung interessanten Buches ist in einem „Resume'" unter Anderem noch gesagt: daß die bisherigen Einwürfe gegen Gttnzbotm II. 1871. 49

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/393>, abgerufen am 24.07.2024.