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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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so geschlossen wie bei der regulären Cavallerie, doch hat das nicht seinen
Grund in der Beschaffenheit der Menschen oder der Pferde, welche im Gegen¬
theil weit höher ist als bei den anderen, sondern darin, daß dergleichen von
ihnen nicht verlangt wird und daß, wenn sie auch darauf eingeübt werden,
solches doch nur sehr oberflächlich geschieht." "Die dorischen Kosaken müssen
ohne Zweifel schon jetzt als reguläre Cavallerie, die nur noch nicht genügend
ausgebildet ist, angesehen werden. Ein dorisches Regiment lernt den Front¬
dienst nur zwei Wochen lang, während es formirt wird; dann muß es auf-
marschiren und wird, sobald es an seinen Bestimmungsort gelangt ist, in
einzelne Posten zersplittert, welche einander niemals zu Gesicht bekommen.
Wenn ein solches Regiment auch nur drei Monate im Jahre ungetheilt zu<
sammen bleiben könnte, so würde es schon, unter den Händen eines tüchtigen
Befehlshabers, vollständig zu einem regulären werden." Die dorischen Pferde
nennt Fadejew "groß und stämmig, so recht geeignet zum Anstürmen und
Niederrennen." Eine Auswahl derselben, wie sie von den Nischnynowgorod-
schen Dragonern geritten werden, mit wohleingeübten Reitern vom Don,
"würde eine reguläre Cavallerie abgeben, wie sie Europa noch nie, außer
etwa bei den Engländern, gesehen hat." Uebrigens verlangt F. wieder eine
bedeutende Vermehrung der regulären Kavallerie, welche nach dem Krimkriege
von 470 Schwadronen mit 73,000 Pferden auf 224 Schwadronen mit
34,000 Pferden heruntergesetzt worden ist. Wir bemerken hierbei, daß die
schwere Cavallerie bei dieser Verminderung fast ganz abgeschafft worden ist,
indem man von solcher nur noch vier Regimenter Kürassiere übrig ge¬
lassen hat.

Auch die irreguläre Reiterei, obgleich man davon noch viel mehr
beibehalten hat (allein von den dorischen Kosaken 66 Regimenter), will Fa¬
dejew weiter vermehrt und in europäischen Kriegen verwendet wissen; er weist
auf das allerdings unerschöpfliche Material dazu in den asiatischen Provinzen
des Reiches hin, auf dessen Benutzung die Regierung außer in Asien in neuerer
Zeit verzichtet hat. Er theilt es in zwei Classen: 1. die Bergvölker des Kau¬
kasus mit Einschluß der sogenannten Linienkosaken, 2. Steppenvölker. Erstere
beschreibt er wie folgt: "Unsere Kaukasier, die Kosaken sowohl wie die Ein¬
geborenen, welche als ihre Hauptwaffe das gezogene Rohr ansehn, sind ebenso
gefährlich zu Pferde wie zu Fuß. In der großen Schlacht, bei dem Gedränge
der Truppen, ist die eminente Tüchtigkeit dieser Leute, welche hauptsächlich bei
zerstreuten Einzelgefechten in ihrem vollen Lichte zur Geltung kommt, nicht
an ihrem Platze; bei der Verfolgung dagegen und im Partisanenkriege ver¬
leiht sie ihnen ein entschiedenes Uebergewicht, über jeden europäischen Feind.
Sind sie zu Pferde, so umringen sie wie ein Bienenschwarm die feindliche
Cavallerie, zwingen dieselbe sich in fruchtlosen Angriffen zu erschöpfen und


so geschlossen wie bei der regulären Cavallerie, doch hat das nicht seinen
Grund in der Beschaffenheit der Menschen oder der Pferde, welche im Gegen¬
theil weit höher ist als bei den anderen, sondern darin, daß dergleichen von
ihnen nicht verlangt wird und daß, wenn sie auch darauf eingeübt werden,
solches doch nur sehr oberflächlich geschieht." „Die dorischen Kosaken müssen
ohne Zweifel schon jetzt als reguläre Cavallerie, die nur noch nicht genügend
ausgebildet ist, angesehen werden. Ein dorisches Regiment lernt den Front¬
dienst nur zwei Wochen lang, während es formirt wird; dann muß es auf-
marschiren und wird, sobald es an seinen Bestimmungsort gelangt ist, in
einzelne Posten zersplittert, welche einander niemals zu Gesicht bekommen.
Wenn ein solches Regiment auch nur drei Monate im Jahre ungetheilt zu<
sammen bleiben könnte, so würde es schon, unter den Händen eines tüchtigen
Befehlshabers, vollständig zu einem regulären werden." Die dorischen Pferde
nennt Fadejew „groß und stämmig, so recht geeignet zum Anstürmen und
Niederrennen." Eine Auswahl derselben, wie sie von den Nischnynowgorod-
schen Dragonern geritten werden, mit wohleingeübten Reitern vom Don,
„würde eine reguläre Cavallerie abgeben, wie sie Europa noch nie, außer
etwa bei den Engländern, gesehen hat." Uebrigens verlangt F. wieder eine
bedeutende Vermehrung der regulären Kavallerie, welche nach dem Krimkriege
von 470 Schwadronen mit 73,000 Pferden auf 224 Schwadronen mit
34,000 Pferden heruntergesetzt worden ist. Wir bemerken hierbei, daß die
schwere Cavallerie bei dieser Verminderung fast ganz abgeschafft worden ist,
indem man von solcher nur noch vier Regimenter Kürassiere übrig ge¬
lassen hat.

Auch die irreguläre Reiterei, obgleich man davon noch viel mehr
beibehalten hat (allein von den dorischen Kosaken 66 Regimenter), will Fa¬
dejew weiter vermehrt und in europäischen Kriegen verwendet wissen; er weist
auf das allerdings unerschöpfliche Material dazu in den asiatischen Provinzen
des Reiches hin, auf dessen Benutzung die Regierung außer in Asien in neuerer
Zeit verzichtet hat. Er theilt es in zwei Classen: 1. die Bergvölker des Kau¬
kasus mit Einschluß der sogenannten Linienkosaken, 2. Steppenvölker. Erstere
beschreibt er wie folgt: „Unsere Kaukasier, die Kosaken sowohl wie die Ein¬
geborenen, welche als ihre Hauptwaffe das gezogene Rohr ansehn, sind ebenso
gefährlich zu Pferde wie zu Fuß. In der großen Schlacht, bei dem Gedränge
der Truppen, ist die eminente Tüchtigkeit dieser Leute, welche hauptsächlich bei
zerstreuten Einzelgefechten in ihrem vollen Lichte zur Geltung kommt, nicht
an ihrem Platze; bei der Verfolgung dagegen und im Partisanenkriege ver¬
leiht sie ihnen ein entschiedenes Uebergewicht, über jeden europäischen Feind.
Sind sie zu Pferde, so umringen sie wie ein Bienenschwarm die feindliche
Cavallerie, zwingen dieselbe sich in fruchtlosen Angriffen zu erschöpfen und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/252>, abgerufen am 25.07.2024.