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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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überstanden. Diese breiteten sich immer weiter aus und da die Flotte des
adriatischen Meers auch die Zufuhr von der Südküste abschnitt, sah sich
Pompejus endlich durch Mangel an Geld und Nahrungsmitteln zu einer ent¬
scheidenden Schlacht gedrängt. Appian erzählt, er habe Octavian die Her¬
ausforderung auf einen bestimmten Tag zugesandt und dieser den Handschuh
aufgehoben. Am 3. September des Jahres 36 erfolgte das Treffen zwischen
Mylä und dem Cap Pelorus. Während die beiden Landheere an der Küste
aufmarschirt stehen, fahren auf ein gegebenes Signal die Flotten, jede (nach
Appian auf Verabredung) 300 Schiffe stark, auf einander los. Die Wurf¬
maschinen beginnen ihre zerstörende Arbeit; Steine, Feuerbrände, Wurfspieße
durchschwirren die Luft und zu dem Krachen und Knacken der brechenden
Planken und Ruder gesellt sich das Hilfegeschrei der Sinkenden, der Jubel
der Sieger; das Meer füllt sich mit Todten, Schiffstrümmern und Waffen.
Lange tobte der Kampf unentschieden, da die Schiffe in einen Knäuel verwirrt
standen und römisches Feldgeschrei von beiden Seiten erscholl. Endlich glaubte
Agrippa an der Farbe der auf den Verdecken stehenden Thürme zu erkennen,
daß auf Seite des Feindes viel mehr Schiffe fehlten, als auf der seinigen,
befeuerte von neuem den Muth seiner Umgebung und entschied durch einen
letzten Angriff den Sieg. Appian schreibt denselben hauptsächlich einer neuen
Erfindung Agrippa's zu, einem großen Enterhaken, der an einer fünf Ellen
langen eisenbeschlagenen Stange in einem Ringe hing, während in einem
anderen Ringe daneben viele kleine Taue befestigt waren, welche durch Winden
angezogen den Haken und damit zugleich das ganze Schiff nahe brachten.
Allein solche Enterhaken waren damals schon längst bekannt, ja, Plinius
schreibt ihre Erfindung sogar dem Athener Perikles zu. Es wird also blos
von einer Verbesserung des Agrippa die Rede sein können, welche darin be¬
stand, daß er die metallbeschlagene Stange verlängerte, um das Abhauen der
Taue zu verhindern, und den ganzen Haken aus einem Wurfgeschosse schleu¬
dern ließ.

Nur siebenzehn Schiffen unter Pompejus Führung glückte die Flucht in
die Meerenge; den übrigen schnitt Agrippa den Rückzug ab und nahm sie
gefangen, wobei Demochares sich den Tod gab. Das Landheer, vom Feld¬
herrn ohne Befehl gelassen, ergab sich bald ebenfalls. Pompejus kam wäh¬
rend der Nacht nach Messana, ließ schnell sein Töchterchen nebst der Diener¬
schaft -- seine Gattin scheint nicht mehr gelebt zu haben -- und was an
Geld und Kostbarkeiten vorhanden war, zu Schiffe bringen und verließ noch
vor Tages Anbruch die Rhede. Von welchen Gefühlen mag der nun wieder
geächtete Beherrscher des Meeres und der reichen Trinakria bestürmt worden
sein, als er im Gewände eines Privatmannes, mit ausgelöschten Signallater¬
nen durch die Meerenge fuhr, die so oft Zeugin seiner Triumphe gewesen


Grenzboten II. 1871. Z

überstanden. Diese breiteten sich immer weiter aus und da die Flotte des
adriatischen Meers auch die Zufuhr von der Südküste abschnitt, sah sich
Pompejus endlich durch Mangel an Geld und Nahrungsmitteln zu einer ent¬
scheidenden Schlacht gedrängt. Appian erzählt, er habe Octavian die Her¬
ausforderung auf einen bestimmten Tag zugesandt und dieser den Handschuh
aufgehoben. Am 3. September des Jahres 36 erfolgte das Treffen zwischen
Mylä und dem Cap Pelorus. Während die beiden Landheere an der Küste
aufmarschirt stehen, fahren auf ein gegebenes Signal die Flotten, jede (nach
Appian auf Verabredung) 300 Schiffe stark, auf einander los. Die Wurf¬
maschinen beginnen ihre zerstörende Arbeit; Steine, Feuerbrände, Wurfspieße
durchschwirren die Luft und zu dem Krachen und Knacken der brechenden
Planken und Ruder gesellt sich das Hilfegeschrei der Sinkenden, der Jubel
der Sieger; das Meer füllt sich mit Todten, Schiffstrümmern und Waffen.
Lange tobte der Kampf unentschieden, da die Schiffe in einen Knäuel verwirrt
standen und römisches Feldgeschrei von beiden Seiten erscholl. Endlich glaubte
Agrippa an der Farbe der auf den Verdecken stehenden Thürme zu erkennen,
daß auf Seite des Feindes viel mehr Schiffe fehlten, als auf der seinigen,
befeuerte von neuem den Muth seiner Umgebung und entschied durch einen
letzten Angriff den Sieg. Appian schreibt denselben hauptsächlich einer neuen
Erfindung Agrippa's zu, einem großen Enterhaken, der an einer fünf Ellen
langen eisenbeschlagenen Stange in einem Ringe hing, während in einem
anderen Ringe daneben viele kleine Taue befestigt waren, welche durch Winden
angezogen den Haken und damit zugleich das ganze Schiff nahe brachten.
Allein solche Enterhaken waren damals schon längst bekannt, ja, Plinius
schreibt ihre Erfindung sogar dem Athener Perikles zu. Es wird also blos
von einer Verbesserung des Agrippa die Rede sein können, welche darin be¬
stand, daß er die metallbeschlagene Stange verlängerte, um das Abhauen der
Taue zu verhindern, und den ganzen Haken aus einem Wurfgeschosse schleu¬
dern ließ.

Nur siebenzehn Schiffen unter Pompejus Führung glückte die Flucht in
die Meerenge; den übrigen schnitt Agrippa den Rückzug ab und nahm sie
gefangen, wobei Demochares sich den Tod gab. Das Landheer, vom Feld¬
herrn ohne Befehl gelassen, ergab sich bald ebenfalls. Pompejus kam wäh¬
rend der Nacht nach Messana, ließ schnell sein Töchterchen nebst der Diener¬
schaft — seine Gattin scheint nicht mehr gelebt zu haben — und was an
Geld und Kostbarkeiten vorhanden war, zu Schiffe bringen und verließ noch
vor Tages Anbruch die Rhede. Von welchen Gefühlen mag der nun wieder
geächtete Beherrscher des Meeres und der reichen Trinakria bestürmt worden
sein, als er im Gewände eines Privatmannes, mit ausgelöschten Signallater¬
nen durch die Meerenge fuhr, die so oft Zeugin seiner Triumphe gewesen


Grenzboten II. 1871. Z
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/25>, abgerufen am 24.07.2024.