Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

geschickt, um die Schiffslager der Feinde zu beunruhigen. Er that dies mit
seinem gewohnten Geschick und neckte und schädigte binnen drei Tagen eine
Küstenstrecke von 40 geographischen Meilen. Da er aber bei Pompejis das
alte Vertrauen nicht wieder erlangt hatte und sich immer auf die mitgebrach¬
ten wenigen Schiffe beschränkt sah, so sann er auf neuen Verrath, trat in
geheime Verhandlungen mit dem Stellvertreter Agrippa's und ging endlich
zum zweiten Mal zu Octavian über. Dieser verzieh zwar dem Schurken auf
sein demüthiges Flehen, gab ihm aber kein Commando wieder und ließ ihn
insgeheim überwachen. Im Kriege gegen die Pannonier fand er 35 seinen
Tod in der fernen save bei der Belagerung von Siscia, dem kroati¬
schen Sissek.

Während hierauf Octavian sich zur östlichen Flotte begab, unternahm
Agrippa gegen Mylä von der Insel Lipari aus eine Necognoscirungsfahrt,
die, beiden Parteien unerwartet, zu einer Seeschlacht führte, in welcher sich
zum ersten Mal Pompejus den Sieg nicht zuschreiben konnte. Die Mehrzahl
seiner Schiffe bestand aus scharf, eng und flach gebauten Zweireihern, die
nach einem die illyrische Küste bewohnenden Seeräubervolke "Liburner" ge¬
nannt wurden. Sie besaßen eine ungemeine Hurtigkeit und Manövrirfähig-
keit und suchten durch schnelles Anrennen ihren Gegner der Ruder zu berau¬
ben und dadurch lahm zu legen. Wenn sie freilich von den stärker und höher
gebauten Fahrzeugen Agrippa's aus gepackt und festgehalten wurden, dann
war gewöhnlich ihre Bemannung den Enterern gegenüber im Nachtheil. So
kam es denn, daß die Flotte des Pompejus mehr Schiffe verlor als der Feind,
dieser mehr Schäden auszubessern hatte. Auf die Nachricht, daß unterdessen
Octavian auf der Ostseite nördlich vom Aetna mit drei Legionen gelandet sei,
ließ Sertus den Agrippa ungestört Mylä besetzen und eilte mit allen Schiffen
durch die Meerenge, während die Reiterei am Ufer folgte und Fußvolk von
anderer Seite gegen das feindliche Lager beordert wurde. Octavian, der ihn
gänzlich geschlagen gewähnt hatte, überließ seinem Unterfeldherrn Cornifieius
die Vertheidigung zu Lande und ging mit seiner Flotte dem Pompejus ent¬
gegen. Zweimal trafen die Geschwader hart aneinander und gegen Abend
war Octavians Flotte nicht blos geschlagen, sondern vernichtet. Er selbst ent¬
ging fast nur durch ein Wunder der Gefangenschaft. Von einem einzigen
Wasserträger begleitet, ohne Freunde und Dienerschaft, rettete er sich in einen
kleinen sicilischen Hafen und von da aus mehrmals gewechseltem Segelboot
nach der italischen Küste hinüber, wo Messala stand. Cornifieius schlug sich
unter entsetzlichen Beschwerden und Gefahren zu Agrippa durch, der unter¬
dessen Tyndaris erobert hatte. Hierher kam denn auch Octavian mit frischer
Mannschaft, so daß jetzt dem Pompejus 21 Legionen, 20,000 Reiter und
3000 Leichtbewaffnete, im Ganzen gegen 140,000 Mann auf der Insel gegen-


geschickt, um die Schiffslager der Feinde zu beunruhigen. Er that dies mit
seinem gewohnten Geschick und neckte und schädigte binnen drei Tagen eine
Küstenstrecke von 40 geographischen Meilen. Da er aber bei Pompejis das
alte Vertrauen nicht wieder erlangt hatte und sich immer auf die mitgebrach¬
ten wenigen Schiffe beschränkt sah, so sann er auf neuen Verrath, trat in
geheime Verhandlungen mit dem Stellvertreter Agrippa's und ging endlich
zum zweiten Mal zu Octavian über. Dieser verzieh zwar dem Schurken auf
sein demüthiges Flehen, gab ihm aber kein Commando wieder und ließ ihn
insgeheim überwachen. Im Kriege gegen die Pannonier fand er 35 seinen
Tod in der fernen save bei der Belagerung von Siscia, dem kroati¬
schen Sissek.

Während hierauf Octavian sich zur östlichen Flotte begab, unternahm
Agrippa gegen Mylä von der Insel Lipari aus eine Necognoscirungsfahrt,
die, beiden Parteien unerwartet, zu einer Seeschlacht führte, in welcher sich
zum ersten Mal Pompejus den Sieg nicht zuschreiben konnte. Die Mehrzahl
seiner Schiffe bestand aus scharf, eng und flach gebauten Zweireihern, die
nach einem die illyrische Küste bewohnenden Seeräubervolke „Liburner" ge¬
nannt wurden. Sie besaßen eine ungemeine Hurtigkeit und Manövrirfähig-
keit und suchten durch schnelles Anrennen ihren Gegner der Ruder zu berau¬
ben und dadurch lahm zu legen. Wenn sie freilich von den stärker und höher
gebauten Fahrzeugen Agrippa's aus gepackt und festgehalten wurden, dann
war gewöhnlich ihre Bemannung den Enterern gegenüber im Nachtheil. So
kam es denn, daß die Flotte des Pompejus mehr Schiffe verlor als der Feind,
dieser mehr Schäden auszubessern hatte. Auf die Nachricht, daß unterdessen
Octavian auf der Ostseite nördlich vom Aetna mit drei Legionen gelandet sei,
ließ Sertus den Agrippa ungestört Mylä besetzen und eilte mit allen Schiffen
durch die Meerenge, während die Reiterei am Ufer folgte und Fußvolk von
anderer Seite gegen das feindliche Lager beordert wurde. Octavian, der ihn
gänzlich geschlagen gewähnt hatte, überließ seinem Unterfeldherrn Cornifieius
die Vertheidigung zu Lande und ging mit seiner Flotte dem Pompejus ent¬
gegen. Zweimal trafen die Geschwader hart aneinander und gegen Abend
war Octavians Flotte nicht blos geschlagen, sondern vernichtet. Er selbst ent¬
ging fast nur durch ein Wunder der Gefangenschaft. Von einem einzigen
Wasserträger begleitet, ohne Freunde und Dienerschaft, rettete er sich in einen
kleinen sicilischen Hafen und von da aus mehrmals gewechseltem Segelboot
nach der italischen Küste hinüber, wo Messala stand. Cornifieius schlug sich
unter entsetzlichen Beschwerden und Gefahren zu Agrippa durch, der unter¬
dessen Tyndaris erobert hatte. Hierher kam denn auch Octavian mit frischer
Mannschaft, so daß jetzt dem Pompejus 21 Legionen, 20,000 Reiter und
3000 Leichtbewaffnete, im Ganzen gegen 140,000 Mann auf der Insel gegen-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0024" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/126340"/>
          <p xml:id="ID_39" prev="#ID_38"> geschickt, um die Schiffslager der Feinde zu beunruhigen. Er that dies mit<lb/>
seinem gewohnten Geschick und neckte und schädigte binnen drei Tagen eine<lb/>
Küstenstrecke von 40 geographischen Meilen. Da er aber bei Pompejis das<lb/>
alte Vertrauen nicht wieder erlangt hatte und sich immer auf die mitgebrach¬<lb/>
ten wenigen Schiffe beschränkt sah, so sann er auf neuen Verrath, trat in<lb/>
geheime Verhandlungen mit dem Stellvertreter Agrippa's und ging endlich<lb/>
zum zweiten Mal zu Octavian über. Dieser verzieh zwar dem Schurken auf<lb/>
sein demüthiges Flehen, gab ihm aber kein Commando wieder und ließ ihn<lb/>
insgeheim überwachen. Im Kriege gegen die Pannonier fand er 35 seinen<lb/>
Tod in der fernen save bei der Belagerung von Siscia, dem kroati¬<lb/>
schen Sissek.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_40" next="#ID_41"> Während hierauf Octavian sich zur östlichen Flotte begab, unternahm<lb/>
Agrippa gegen Mylä von der Insel Lipari aus eine Necognoscirungsfahrt,<lb/>
die, beiden Parteien unerwartet, zu einer Seeschlacht führte, in welcher sich<lb/>
zum ersten Mal Pompejus den Sieg nicht zuschreiben konnte. Die Mehrzahl<lb/>
seiner Schiffe bestand aus scharf, eng und flach gebauten Zweireihern, die<lb/>
nach einem die illyrische Küste bewohnenden Seeräubervolke &#x201E;Liburner" ge¬<lb/>
nannt wurden. Sie besaßen eine ungemeine Hurtigkeit und Manövrirfähig-<lb/>
keit und suchten durch schnelles Anrennen ihren Gegner der Ruder zu berau¬<lb/>
ben und dadurch lahm zu legen. Wenn sie freilich von den stärker und höher<lb/>
gebauten Fahrzeugen Agrippa's aus gepackt und festgehalten wurden, dann<lb/>
war gewöhnlich ihre Bemannung den Enterern gegenüber im Nachtheil. So<lb/>
kam es denn, daß die Flotte des Pompejus mehr Schiffe verlor als der Feind,<lb/>
dieser mehr Schäden auszubessern hatte. Auf die Nachricht, daß unterdessen<lb/>
Octavian auf der Ostseite nördlich vom Aetna mit drei Legionen gelandet sei,<lb/>
ließ Sertus den Agrippa ungestört Mylä besetzen und eilte mit allen Schiffen<lb/>
durch die Meerenge, während die Reiterei am Ufer folgte und Fußvolk von<lb/>
anderer Seite gegen das feindliche Lager beordert wurde. Octavian, der ihn<lb/>
gänzlich geschlagen gewähnt hatte, überließ seinem Unterfeldherrn Cornifieius<lb/>
die Vertheidigung zu Lande und ging mit seiner Flotte dem Pompejus ent¬<lb/>
gegen. Zweimal trafen die Geschwader hart aneinander und gegen Abend<lb/>
war Octavians Flotte nicht blos geschlagen, sondern vernichtet. Er selbst ent¬<lb/>
ging fast nur durch ein Wunder der Gefangenschaft. Von einem einzigen<lb/>
Wasserträger begleitet, ohne Freunde und Dienerschaft, rettete er sich in einen<lb/>
kleinen sicilischen Hafen und von da aus mehrmals gewechseltem Segelboot<lb/>
nach der italischen Küste hinüber, wo Messala stand. Cornifieius schlug sich<lb/>
unter entsetzlichen Beschwerden und Gefahren zu Agrippa durch, der unter¬<lb/>
dessen Tyndaris erobert hatte. Hierher kam denn auch Octavian mit frischer<lb/>
Mannschaft, so daß jetzt dem Pompejus 21 Legionen, 20,000 Reiter und<lb/>
3000 Leichtbewaffnete, im Ganzen gegen 140,000 Mann auf der Insel gegen-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0024] geschickt, um die Schiffslager der Feinde zu beunruhigen. Er that dies mit seinem gewohnten Geschick und neckte und schädigte binnen drei Tagen eine Küstenstrecke von 40 geographischen Meilen. Da er aber bei Pompejis das alte Vertrauen nicht wieder erlangt hatte und sich immer auf die mitgebrach¬ ten wenigen Schiffe beschränkt sah, so sann er auf neuen Verrath, trat in geheime Verhandlungen mit dem Stellvertreter Agrippa's und ging endlich zum zweiten Mal zu Octavian über. Dieser verzieh zwar dem Schurken auf sein demüthiges Flehen, gab ihm aber kein Commando wieder und ließ ihn insgeheim überwachen. Im Kriege gegen die Pannonier fand er 35 seinen Tod in der fernen save bei der Belagerung von Siscia, dem kroati¬ schen Sissek. Während hierauf Octavian sich zur östlichen Flotte begab, unternahm Agrippa gegen Mylä von der Insel Lipari aus eine Necognoscirungsfahrt, die, beiden Parteien unerwartet, zu einer Seeschlacht führte, in welcher sich zum ersten Mal Pompejus den Sieg nicht zuschreiben konnte. Die Mehrzahl seiner Schiffe bestand aus scharf, eng und flach gebauten Zweireihern, die nach einem die illyrische Küste bewohnenden Seeräubervolke „Liburner" ge¬ nannt wurden. Sie besaßen eine ungemeine Hurtigkeit und Manövrirfähig- keit und suchten durch schnelles Anrennen ihren Gegner der Ruder zu berau¬ ben und dadurch lahm zu legen. Wenn sie freilich von den stärker und höher gebauten Fahrzeugen Agrippa's aus gepackt und festgehalten wurden, dann war gewöhnlich ihre Bemannung den Enterern gegenüber im Nachtheil. So kam es denn, daß die Flotte des Pompejus mehr Schiffe verlor als der Feind, dieser mehr Schäden auszubessern hatte. Auf die Nachricht, daß unterdessen Octavian auf der Ostseite nördlich vom Aetna mit drei Legionen gelandet sei, ließ Sertus den Agrippa ungestört Mylä besetzen und eilte mit allen Schiffen durch die Meerenge, während die Reiterei am Ufer folgte und Fußvolk von anderer Seite gegen das feindliche Lager beordert wurde. Octavian, der ihn gänzlich geschlagen gewähnt hatte, überließ seinem Unterfeldherrn Cornifieius die Vertheidigung zu Lande und ging mit seiner Flotte dem Pompejus ent¬ gegen. Zweimal trafen die Geschwader hart aneinander und gegen Abend war Octavians Flotte nicht blos geschlagen, sondern vernichtet. Er selbst ent¬ ging fast nur durch ein Wunder der Gefangenschaft. Von einem einzigen Wasserträger begleitet, ohne Freunde und Dienerschaft, rettete er sich in einen kleinen sicilischen Hafen und von da aus mehrmals gewechseltem Segelboot nach der italischen Küste hinüber, wo Messala stand. Cornifieius schlug sich unter entsetzlichen Beschwerden und Gefahren zu Agrippa durch, der unter¬ dessen Tyndaris erobert hatte. Hierher kam denn auch Octavian mit frischer Mannschaft, so daß jetzt dem Pompejus 21 Legionen, 20,000 Reiter und 3000 Leichtbewaffnete, im Ganzen gegen 140,000 Mann auf der Insel gegen-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/24
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/24>, abgerufen am 24.07.2024.