Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.und obgleich es damals noch und in der That in dem größeren Theile von Nun hat H. B. Oppenheim in dem Buche " Friedensglossen zum und obgleich es damals noch und in der That in dem größeren Theile von Nun hat H. B. Oppenheim in dem Buche „ Friedensglossen zum <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0232" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/126508"/> <p xml:id="ID_720" prev="#ID_719"> und obgleich es damals noch und in der That in dem größeren Theile von<lb/> Deutschland nicht ohne Gefahr war, — wenigstens nicht ohne Gefahr des<lb/> Verlustes der immerhin durchaus nicht werthlosen Popularität war —, die<lb/> Wahrheit zu sagen, da ließ sich Oppenheim durchaus nicht abhalten, im<lb/> Jahre 1866 von Stuttgart aus, wohin ihn die preußische Preßgesetzgebung<lb/> verscheucht hatte, für die deutsche Einheit und für deren Gründung durch<lb/> Preußen, — und durch Bismarck, — einzutreten. Wir erinnern uns, um<lb/> jene Zeit einen Aufsatz von ihm gelesen haben, betitelt „Ueber politische<lb/> und staatsbürgerliche Pflichterfüllung", und etwas später einen zweiten,<lb/> welcher, unter der Ueberschrift „Partei oder Corerie?", eine eben so heilsame,<lb/> als schonungslose Kritik der liberalen Parteien in Preußen gab, — eine Kritik,<lb/> welche, zum ersten Male in Deutschland, haarscharf unterschied zwischen dem<lb/> „positiven" Liberalismus, welcher die Politik als Mittel zum Staatszweck<lb/> betreibt, und dem „negativen" Liberalismus, welcher die Opposition um<lb/> ihrer selbst willen als Volksgunst erwerbendes Metier exercirt und auch in der<lb/> Volksvertretung nur „zum Fenster hinausschwatzt", (<mi xarle xar 1a lenötre).<lb/> Das waren neue, aber heilsame Wahrheiten, mit welchen der deutsche Libera¬<lb/> lismus, der bisher sich selbst nur mit optimistischen, alle Andern nur mit<lb/> pessimistischen Augen betrachtet und sich in einer vulgären Selbstvergötterung<lb/> verloren hatte, zum ersten Male begann, eine unerbittlich realistische Selbst¬<lb/> kritik zu üben.</p><lb/> <p xml:id="ID_721" next="#ID_722"> Nun hat H. B. Oppenheim in dem Buche „ Friedensglossen zum<lb/> Kriegsjahre", begeistert von den großen Ereignissen der jüngsten Vergangen¬<lb/> heit, das Facit der politischen Studien gezogen, die er in Deutschland und in<lb/> der Fremde, begünstigt durch seine gründliche wissenschaftliche Bildung, sowie<lb/> durch Unabhängigkeit des Besitzes und des Charakters, gemacht hat. Es ist<lb/> in der That nicht zu viel gesagt, wenn man behauptet, daß uns durch dieses<lb/> Buch, welches in einzelnen, der Form wie dem Inhalte nach vortrefflichen<lb/> Essays Themata behandelt, wie: — Die Revanche für Sadowa — der Sie¬<lb/> gespreis — Deutschlands Westgrenzen und die Diplomatie — was Elsaß<lb/> gewinnt, was Elsaß verliert — die nächsten Aussichten und Ziele — die<lb/> Sympathien des Auslandes — zum ewigen Frieden — der Krieg und das Völ¬<lb/> kerrecht — die Heimkehr — einen Schlüssel zu manchem Ereignisse der Ver¬<lb/> gangenheit und wichtige Fingerzeige für die Zukunft bietet. Ich würde von<lb/> „Philosophie der Geschichte" sprechen, wenn nicht dieses Wort an<lb/> Credit verloren hätte durch den Mißbrauch, den man mit der geschichtsphilv-<lb/> sophischen Methode getrieben. Statt die Voraussetzungen der Ereignisse ge¬<lb/> nau zu untersuchen und festzustellen und auf Grund dessen die großen Ge¬<lb/> setze zu suchen, welche die Geschicke der Menschheit regeln, hat man sich aus<lb/> vorgefaßten Meinungen ein System gebildet und dieses zum Procrustes-Bette</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0232]
und obgleich es damals noch und in der That in dem größeren Theile von
Deutschland nicht ohne Gefahr war, — wenigstens nicht ohne Gefahr des
Verlustes der immerhin durchaus nicht werthlosen Popularität war —, die
Wahrheit zu sagen, da ließ sich Oppenheim durchaus nicht abhalten, im
Jahre 1866 von Stuttgart aus, wohin ihn die preußische Preßgesetzgebung
verscheucht hatte, für die deutsche Einheit und für deren Gründung durch
Preußen, — und durch Bismarck, — einzutreten. Wir erinnern uns, um
jene Zeit einen Aufsatz von ihm gelesen haben, betitelt „Ueber politische
und staatsbürgerliche Pflichterfüllung", und etwas später einen zweiten,
welcher, unter der Ueberschrift „Partei oder Corerie?", eine eben so heilsame,
als schonungslose Kritik der liberalen Parteien in Preußen gab, — eine Kritik,
welche, zum ersten Male in Deutschland, haarscharf unterschied zwischen dem
„positiven" Liberalismus, welcher die Politik als Mittel zum Staatszweck
betreibt, und dem „negativen" Liberalismus, welcher die Opposition um
ihrer selbst willen als Volksgunst erwerbendes Metier exercirt und auch in der
Volksvertretung nur „zum Fenster hinausschwatzt", (<mi xarle xar 1a lenötre).
Das waren neue, aber heilsame Wahrheiten, mit welchen der deutsche Libera¬
lismus, der bisher sich selbst nur mit optimistischen, alle Andern nur mit
pessimistischen Augen betrachtet und sich in einer vulgären Selbstvergötterung
verloren hatte, zum ersten Male begann, eine unerbittlich realistische Selbst¬
kritik zu üben.
Nun hat H. B. Oppenheim in dem Buche „ Friedensglossen zum
Kriegsjahre", begeistert von den großen Ereignissen der jüngsten Vergangen¬
heit, das Facit der politischen Studien gezogen, die er in Deutschland und in
der Fremde, begünstigt durch seine gründliche wissenschaftliche Bildung, sowie
durch Unabhängigkeit des Besitzes und des Charakters, gemacht hat. Es ist
in der That nicht zu viel gesagt, wenn man behauptet, daß uns durch dieses
Buch, welches in einzelnen, der Form wie dem Inhalte nach vortrefflichen
Essays Themata behandelt, wie: — Die Revanche für Sadowa — der Sie¬
gespreis — Deutschlands Westgrenzen und die Diplomatie — was Elsaß
gewinnt, was Elsaß verliert — die nächsten Aussichten und Ziele — die
Sympathien des Auslandes — zum ewigen Frieden — der Krieg und das Völ¬
kerrecht — die Heimkehr — einen Schlüssel zu manchem Ereignisse der Ver¬
gangenheit und wichtige Fingerzeige für die Zukunft bietet. Ich würde von
„Philosophie der Geschichte" sprechen, wenn nicht dieses Wort an
Credit verloren hätte durch den Mißbrauch, den man mit der geschichtsphilv-
sophischen Methode getrieben. Statt die Voraussetzungen der Ereignisse ge¬
nau zu untersuchen und festzustellen und auf Grund dessen die großen Ge¬
setze zu suchen, welche die Geschicke der Menschheit regeln, hat man sich aus
vorgefaßten Meinungen ein System gebildet und dieses zum Procrustes-Bette
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |